Christina Hering im Interview: Querflöte, Nowitzki, Gummibärchen

München - Die 21-Jährige Christina Hering ist in der Nymphenburger Straße aufgewachsen und besuchte das Wittelsbacher Gymnasium. 2014 und 2016 war sie deutsche Meisterin über 800 Meter. In Rio peilt sie das Halbfinale an. Die Abendzeitung hat sie im Rahmen der AZ-Olympia-Serie "Münchner bei Olympia" zum Interview getroffen.
AZ: Frau Hering, in wenigen Tagen beginnen die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Haben Sie schon realisiert, dass Sie wirklich dabei sind?
Christina Hering: Dass ich dabei bin schon, aber dass es wirklich schon so nahe ist, noch nicht ganz. Die Zeit verging jetzt wie im Flug.
Bei der WM im Vorjahr in Peking haben Sie es über die 800 Meter bis ins Halbfinale geschafft, bei der EM vor einigen Wochen in Amsterdam ebenso. Wie sind Ihre Ziele diesmal?
Erstmal ist es wahnsinnig toll, dass ich dabei bin, es wird bestimmt auch abseits der Bahn ein einmaliges Erlebnis. Aber ich möchte auch beweisen, dass ich topfit bin. Ich glaube, bis jetzt habe ich noch nicht alles gezeigt, was ich draufhabe. Mein großer Wunsch wäre es, das in Rio nachzuholen. Ich möchte mich auch dort fürs Halbfinale qualifizieren, glaube aber, dass das schwerer wird als bei der Weltmeisterschaft, weil viele Athleten bei Olympia noch mal was drauflegen. Mit den internationalen Erfahrungen von zuletzt denke ich, dass ich im Vorlauf taktisch ein gutes Rennen machen kann. Und im Halbfinale möchte ich zeigen, dass ich im zweiten Lauf in zwei Tagen noch topfit bin.
Trainingsgruppe mit Fabienne Kohlmann
Sie trainieren in München in der stärksten Trainingsgruppe Deutschlands, zu der auch Fabienne Kohlmann gehört, die ebenfalls in Rio dabei ist. Pushen Sie sich auch gegenseitig hoch? Bei den deutschen Meisterschaften haben Sie sich zuletzt ja mit den Titelgewinnen abgewechselt.
Ich bin ja gebürtige Münchnerin und für mich war es toll, dass sich vor drei Jahren diese Trainingsgruppe hier gebildet hat, das ist schon ein Riesen-Pluspunkt. Mit Fabienne verstehe ich mich auch menschlich gut, wir können da gut zwischen Training und Wettkampf unterscheiden. In den drei Jahren gab es noch nie Streit zwischen uns. Aber klar: Im Wettkampf ist es ein hartes Gegeneinander. Ich Freude mich jedenfalls, dass sie es auch noch nach Rio geschafft hat und dass wir zusammen dorthin fahren.
Geht man als Sportler denn durch den Zika-Virus oder die Terrorgefahr anders an die Spiele heran als an andere Wettkämpfe?
Ich bin überzeugt, dass alles dafür getan wird, dass im Olympischen Dorf die Gefahr relativ gering ist, insofern mache ich mir darüber weniger Gedanken. Die Vorfreude überwiegt.
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"Stellen Sie sich vor, ich würde mich verletzen, und hätte dann nichts anderes"
Sie sind ja sehr vielseitig interessiert, studieren Sportwissenschaften, spielen Querflöte und gehen gerne mal auf Partys. Brauchen Sie das als Ausgleich zu Ihrem Sport?
Für mich ist es ganz wichtig, dass ich im Alltag auch andere Dinge machen kann und dass ich Freunde habe, die nichts mit dem Sport zu tun haben. Stellen Sie sich vor, ich würde mich verletzen, und hätte dann nichts anderes, weil ich alles nur auf den Sport gesetzt habe. . .
Bei Gummibärchen werden Sie schon mal schwach. Wie diszipliniert leben Sie eigentlich sonst so?
(lacht) Ich habe das Glück, dass ich nicht wirklich auf mein Gewicht achten muss. Eher muss ich schauen, dass ich genug zu mir nehme, um die Energie, die ich verbraucht habe, wieder reinzubekommen. Bestimmte Nahrungsmittel, die mir nicht guttun, meide ich natürlich. Aber ansonsten esse ich, wozu ich Lust habe. Ich wohne jetzt seit drei Jahren im ehemaligen Olympischen Dorf hier in München und habe auch so ein bisschen den Spaß am Kochen entdeckt. Ich versorge mich selber mit gesunden Sachen.
Sie sind Profi – aber haben Sie einige Tipps für Hobbyläufer? Wie kann ich zum Beispiel meine Kondition möglichst schnell steigern?
Ich glaube, das größte Problem ist erstmal die Motivation. Mir geht’s ja selber manchmal so – wenn es regnet, oder im Winter –, dass ich mich nur schwer aufraffen kann. Als Hobbyläufer ist es wichtig, sich kleinere Ziele zu setzen. Wenn ich in der Früh Training habe, lege ich mir abends schon die Sachen raus, dann habe ich keine andere Wahl mehr, als loszulaufen (lacht).
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Doping-Sperre für Russland: Es braucht "drastische Maßnahme"
Wie stehen Sie zur Thematik Doping? Das IOC hat die russischen Leichtathleten beinahe komplett ausgeschlossen, in anderen Sportarten dürfen Russen aber teilweise starten.
Es ist auf jeden Fall richtig, die russischen Leichtathleten nicht starten zu lassen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass es eine drastische Maßnahme braucht, damit sich etwas ändert. Wenn Doping von staatlicher Seite organisiert ist, ist das schon besorgniserregend. Über die anderen Sportarten kann ich nicht so genau urteilen.
Ihr Vorbild ist Dirk Nowitzki. Was beeindruckt Sie an ihm?
Mir wurde immer beigebracht, dass man möglichst am Boden bleiben sollte und in der Öffentlichkeit bescheiden auftreten sollte. Und gerade Dirk Nowitzki kommt so sympathisch rüber, weil er trotz seines großen Erfolgs auf dem Boden geblieben ist. Ich hoffe sehr, dass ich mir das auch beibehalten kann.