Boxen: War's das für Vitali Klitschko?
Klitschko wollte, ehe er sich vollends in die Politik verabschiedet, noch einen letzten großen Kampf – gegen David Haye. Der abermuss wohl zurücktreten.
Kiew Box-Beau David Haye steht vor dem Spiegel und macht ein Foto von sich selbst. Doch von seinem Muskelkörper ist nicht viel zu sehen. Die Schulter dick bandagiert, Drainage-Schläuche hängen heraus, der Arm ist durch ein Thoraxabduktionkissen stabilisiert. Der britische Skandalboxer musste sich am Donnerstag einer fünfstündigen Schulter-Operation unterziehen. Die Bizeps- und die Subscapularis-Sehne sind gerissen.
"Ich dachte nicht, dass die Verletzung wirklich schlimm ist." Das sagte der ehemalige Schwergewichts-Weltmeister Haye, "aber leider ist sie so schlimm, dass mir die Ärzte ans Herz gelegt haben, mich mit einem Karriereende auseinanderzusetzen. Die Box-Götter wollen mir offensichtlich sagen, dass genug einfach genug ist und dass es Zeit wird, die Handschuhe an den Nagel zu hängen. 23 Jahre Profiboxen sind an meinem Körper nicht spurlos vorbeigegangen."
Haye steht damit vor dem Karriereende. Einem erneuten – aber diesmal endgültigen Rücktritt. Schon 2011 hatte er sich offiziell aus dem Box-Geschäft verabschiedet, dies aber nur, um die Verhandlungen für ein Kampf gegen Vitali Klitschko anzufachen. Ein halbes Jahr zuvor hatte er, der die Klitschkos mit Köpfer-Fotos und niveauloser Kommentaren dauerprovoziert hatte, gegen Wladimir in einem einseitigen WM-Kampf verloren.
Jetzt also das Aus für Haye.
Und damit vielleicht auch das Ende für Hayes Intimfeind Vitali Klitschko. Der Weltmeister der WBC, der selber gerade eine Handverletzung auskuriert, hat sich immer noch nicht endgültig entschieden, ob er seine Boxer-Karriere noch fortsetzen wird. Der 42-Jährige, der als Vorsitzender seiner Partie Udar im ukrainischen Parlament ist und für 2015 seine Kandidatur für die Präsidentschaft in seinem Heimatland angekündigt hat, wollte 2014 noch einen oder zwei Kämpfe machen. Hinter den Kulissen wurde an einem Deal für den spektakulären Abschiedskampf gegen das britische Großmaul Haye gearbeitet. "Ich will Haye gerne das Maul stopfen", hatte Vitali erst kürzlich wieder einmal gesagt. Es wäre der große Fight, mit dem er von der Box-Bühne abtreten konnte und zugleich ein perfekter Stimmenfänger für den Wahlkampf in der Ukraine, wenn er nach diesem Megafight ganz ins Politgeschäft wechseln würde. War's das jetzt also für Vitali Klitschko?
"Vitali wird sich in den nächsten Wochen entscheiden", sagt sein Bruder Wladimir vor einer Woche der AZ. Das war vor der Haye-Nachricht. Jetzt, da der Fight gegen den Hayemaker keine Option mehr ist, fehlen Klitschko Gegner, die einen würdigen Abschluss für seine illustre Karriere darstellen würden. Pflichtherausforderer ist im Moment Bermane Stiverne. Ein Mann, der nur in Boxerkreisen bekannt ist. Andererseits will Klitschko auch nicht, dass sein Fight gegen den pöbelnden Box-Rudimentär Manuel Charr der letzte seiner Karriere ist. Doch ohne Haye bleibt nur noch ein lukrativer Abschiedskampf – ohne großen sportlichen Wert.
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