Von der Volontärin zur "Mona Lisa des Fernsehens"
Berlin/München - Jeden Sonntagabend um 21.45 Uhr beginnt ihr High Noon. Und hinterher wissen es (fast) alle besser. Dann kann sie am Montag nachlesen, ob sie ihre Runde im Griff hatte, ob ihr die Gäste auf der Nase rumtanzten, oder ob ihre Moderation ihrer Talkshow souverän oder hilflos war.
Jeden Sonntagabend steht Anne Will ziemlich allein auf dem Prüfstand. Das muss man erst mal abkönnen. Anne Will kann es. Mit einer guten Portion Ruhe und Gelassenheit. Heute wird sie 50 Jahre alt, was man erst mal nicht glauben mag.
Mädchenhafte Rätselhaftigkeit
Die "Mona Lisa des deutschen Journalismus" hat sie das Magazin der "Süddeutschen Zeitung" genannt. Weil sie eine mädchenhafte Rätselhaftigkeit ausstrahlt, vor allem wenn sie lächelt und dabei die linke Augenbraue skeptisch nach oben zieht.
"Sie riecht nicht nur gut, sie duftet", hat Tagesschau-Kollege Jens Riewa mal über sie gesagt. Solche Worte beflügeln die Fantasie, vor allem die der älteren Herren.
"Bild"-Mann Franz Josef Wagner schrieb in seiner "Post" an Anne Will: "Auf der Ecke meines Sofas sitzend sah ich gerne, wie sich Ihr Oberkörper zu dem einen oder anderen Gesprächspartner neigte. Ich gestehe, ich guckte mehr auf Ihren Busen als auf Ihre Worte. Nach Ihrem Outing muss ich nun lernen, geistig, intellektuell mit Ihnen zu kuscheln. Ich will es versuchen. Großes Kompliment zu Ihrer Partnerwahl. Zu Ihrer blonden, schönen Professorin hätte ich auch nicht Nein gesagt."
In einer Beziehung mit Miriam Meckel
Das war 2007. Anne Will hatte ihre Liebesbeziehung zur Journalisten und Wirtschaftswissenschaftlerin Miriam Meckel (48) öffentlich gemacht. Nun war sie nicht mehr nur berühmt, sondern aus der Sicht einiger altvorderer Medien-Machos auch berüchtigt. Denn wie das so ist mit männlichen Vorurteilen gegenüber gleichgeschlechtlicher Orientierung unter Frauen: Sie werden - quasi von Brüderle zu Brüderle - beharrlich weiter gesabbert.
Bis dahin hatte sie eine makellose Laufbahn hingelegt. Geboren in Köln, Vater Architekt, Mutter Postangestellte. Abitur (Schnitt 1,5), Studium in Köln und Berlin, Abschlüsse in Geschichte, Politikwissenschaften, Anglistik, Redaktionsvolontariat beim Sender Freies Berlin, Moderationen der SFB-Talkshow "Mal ehrlich" und "Sportpalast".
Dem großen Publikum wird sie ab 1999 bekannt, als sie die "Sportschau" präsentiert und die Übertragungen der Olympischen Spiele in Sydney (2000). Schließlich der große Schritt ins Rampenlicht: Ab 2001 Moderation der "Tagesthemen", abwechselnd mit Uli Wickert und dessen Nachfolger Tom Buhrow.
Nachfolgerin für Sabine Christiansen
Dann wird die Nachfolge von Sabine Christiansen für ihre politische Talkshow gesucht. Die ARD buhlt um Günther Jauch, der ziert sich - und Anne Will erhält den Zuschlag. Am 16. September 2007 moderiert sie zum ersten Mal die Sendung "Anne Will".
Sie hat es gut gemacht. Ruhig, gelassen, souverän. Trotz der Gerüchte, die ihr Privatleben umwaberten. Hat sie denn keinen Freund? Ist sie denn nur mit ihrer "guten Freundin", der Wirtschaftsprofessorin Miriam Meckel (Universität St. Gallen) zusammen?
"Ja, wir sind ein Paar!"
Dann ein Abend im November 2007. Anne Will geht mit Miriam Meckel über den roten Teppich zu einer Veranstaltung ins Jüdische Museum Berlin. Eine Reporterin fragt sie nach dem Status dieser Beziehung und Anne Will sagt: "Ja, wir sind ein Paar!"
Sie habe "damit den schönsten deutschen Coming-Out-Satz geprägt", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Er sei "um einiges besser als Klaus Wowereits berühmter, viel zitierter, viel verballhornter Satz: "...und das ist auch gut so." Von einem "Pathos der Nüchternheit" ist die Rede, auch wenn manche die "menschliche Größe" des Satzes nicht recht verstehen und mit ihrem "verklemmten Männlichkeitsgetue" zu kämpfen haben.
Günther Jauch nimmt ihren Platz ein
Weder Will noch Meckel sagen zu ihrer privaten Situation ein Wort, was über diesen Satz hinausgeht. Dennoch steht das Paar im Fokus des Medien-Interesses. Und das bei der guten, alten ARD. Die baggert heimlich nach wie vor an Jauch, bis der ein Einsehen hat und zum Ersten zurückkehrt. Auf ihren Sendeplatz am Sonntagabend nach dem "Tatort" kommt 2011 der Polittalk mit Günther Jauch. Anne Will wird mit ihrer Sendung auf den Mittwoch verbannt. Auf 22.45 Uhr, wenn die Quoten tief im Keller schlummern.
Dann spricht sie doch noch über das Thema, das alle angeblich so brennend interessiert: Was ist eigentlich mit der attraktiven Anne Will und den Männern?
Begegnung mit einem grapschenden Vollidioten
Im SZ-Magazin erzählt Anne Will 2013, dass sie während ihres Volontariats beim SFB eine unangenehme Begegnung mit einem grapschenden Vollidioten hatte. "Da gab es einen Kollegen, der junge Kolleginnen anfasste. Auch mich. Es war eindeutig total daneben, aber als junge Frau - ich war 25 - hat man nicht unbedingt das Instrumentarium, so einen in die Schranken zu weisen... Damals kam die Frauenbeauftragte zu mir und sagte: Hier gibt es einige Frauen, die den Kollegen X anzeigen wollen, allerdings anonym. Da hab ich gesagt: Ich mache mit, allerdings nicht anonym. Woraufhin sie sagte: Bist du verrückt? Du bist doch in der Ausbildung. Aber ich wollte das. Und es hat ihm dann auch geschadet."
Anfang des Jahres hat sie ihren alten Sendeplatz wieder zurück erobert. Jauch hatte keine Lust mehr, und die ARD wusste auf einmal wieder, was sie an Anne Will hat. In ihre Sendung kam exklusiv Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Einschaltquoten sind gut. Zu ihrem Privatleben schweigt sie weiterhin beharrlich, zum Thema Frauenquote nicht. "Dass nur ein Bruchteil der Führungspositionen in den Rundfunkanstalten und Verlagshäusern von Frauen besetzt ist, ist ein katastrophaler Missstand."
Feste, Partys, Empfänge meidet sie so weit es geht. "Ich mag die Situation auf dem roten Teppich nicht. Ich bin keine Schauspielerin und kein Model und ich will über mein Tun wahrgenommen werden."
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