Gewalt im "Sommerhaus der Stars": Experten rechnen mit Sender RTL und der Branche ab
Die prominenten Paare aus "Das Sommerhaus der Stars" leben unter Dauerbeobachtung in einem abgewrackten Landhaus und müssen in Spielen gegeneinander antreten. Wirklich bekannt sind die Teilnehmer der aktuellen Staffel längst nicht mehr. Sie haben eher die typische Verwertungskette von RTL durchlaufen.
"Menschliches Elend": Medienexperte Ferris Bühler analysiert "Das Sommerhaus der Stars"
"Sachlich gesehen, zeigt uns das 'Sommerhaus' einen Haufen von verzweifelten Menschen, die sich in einem Bauernhaus gegenseitig beleidigen, einander drohen und sich schlagen – menschliches Elend, wie wir es von der Straße kennen", urteilt Medienexperte Ferris Bühler in der AZ.

"Mit dramatischen Video-Teasern": Hohe Quote durch das Ankündigen der Gewalt-Szene
Der erfolgreiche PR-Mann über den Unterhaltungsfaktor vom "Sommerhaus der Stars": "Es steht und fällt natürlich mit der Zusammenstellung der Promi-Pärchen. Je explosiver und unterschiedlicher, desto unterhaltsamer. Hier hat das Casting dieses Jahr einen guten Job gemacht."
Doch Ferris Bühler kritisiert den TV-Sender auch, nachdem zuletzt mit körperlicher Gewalt gute Quote "mit dramatischen Video-Teasern und skandalösen Aussagen" gemacht wurde. "Ich würde dies nicht als einen cleveren PR-Schachzug bezeichnen, sondern als eine offensichtliche Marketingmaßnahme, um die Zuschauenden für die nächste Folge anzufixen." RTL wird die Ohrfeige am Dienstagabend (24.10.) im Free-TV zeigen.
Ferris Bühler: TV-Macher nehmen bewusst Mobbing und Gewalt in Kauf
Trash-Formate seien beim Zuschauer beliebt, wenn sie schrill, laut und schräg seien, erklärt der Medien-Mann. "Wenn sich also die Casting-Verantwortlichen für Konstellationen von Persönlichkeiten entscheiden, die explosives Potenzial haben und miteinander nicht funktionieren, dann nehmen sie bewusst Mobbing oder Gewalt in Kauf. Oder anders: Wenn's dann in der Sendung knallt, habe ich die volle Aufmerksamkeit der klassischen und sozialen Medien und eine entsprechend hohe Quote. Das ist, wie wenn man Hunde und Katzen in einen Käfig sperrt und aktiv zuschaut, wie sie sich gegenseitig zerfleischen", sagt Bühler der AZ.

Gigi Birofio und Freundin Dana Feist fliegen nach Ohrfeige aus dem "Sommerhaus"
Dennoch kann Bühler verstehen, dass die körperliche Attacke im "Sommerhaus" gezeigt werde. Die Ohrfeige habe "durchaus Platz. (...) Die Frage ist mehr, in welchem Kontext die Ohrfeige redaktionell im Format aufgearbeitet wird und welche Konsequenzen sie für die Protagonisten hat." Noch ist unklar, wie RTL die Geschehnisse weiter einordnet. Klar ist: Der Sender hat Täter Gigi Birofio samt Partnerin Dana Feist mit sofortiger Wirkung aus der Show geworfen, nachdem Produktionsmitarbeiter eingeschritten sind. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Ex-Dschungelcamper.

Promis wurden für das "Sommerhaus" gecastet: Sonst "würde ich für die Zukunft schwarz sehen"
Bühler macht in der AZ aber auch deutlich, dass die "Sommerhaus"-Kandidaten gecastet wurden und in einem unnatürlichen Setting im Rahmen einer TV-Show agieren. "Würden die teilnehmenden Paare den Durchschnitt unserer Gesellschaft repräsentieren, würde ich für die Zukunft schwarz sehen", resümiert der Medienmacher augenzwinkernd.
Paartherapeutin Hannah Gensch über "Sommerhaus"-Paare: Erst Ruhm, dann Liebe
Auch die Münchner Paartherapeutin Hannah Gensch verweist auf den eklatanten Unterschied zwischen tatsächlicher Realität und dem Reality-TV. "Mobbing und Gewalt in der Sendung vermitteln dem Zuschauer ein Bild von streitsüchtigen Promi-Paaren, die Liebe erst nach öffentlichem Ruhm priorisieren."

Das "Sommerhaus der Stars" zeige extreme Verhaltensweisen, "die in realen Beziehungen nicht förderlich sind. Es ist daher ratsam, die Show mit einem gewissen Abstand und Vorsicht zu betrachten und nicht als Vorbild für das eigene Beziehungsleben zu nehmen", warnt Gensch das TV-Publikum.
Frauenbild im Reality-TV: Paartherapeutin warnt vor negativen Stereotypen und ungesunden Beziehungsdynamiken
Immer wieder wird auch das Frauenbild im Reality-TV von Medienexperten bemängeln. Frauen würden dort "oberflächlich bewertet", zudem werde "ein sehr einseitiges Schönheitsideal propagiert" und "Konkurrenzkampf und Anpassung“ wären schon trauriger Standard, kritisierte der Verein "Flimmo" kürzlich. Und auch Paartherapeutin Gensch moniert dies im AZ-Interview: "Es ist wichtig, kritisch zu hinterfragen, wie Frauen in der Show dargestellt werden und sicherzustellen, dass solche Darstellungen nicht dazu beitragen, ungesunde Beziehungsdynamiken zu normalisieren oder zu etablieren." Und weiter: "Durch die Darstellung von eskalierenden Konflikten und Drama, kann es dazu führen, dass sich negative Stereotypen über Frauen in Beziehungen verstärken."

Von der Idee, manch prominenten "Sommerhaus"-Kandidaten, die Show "als Paartherapie zu nutzen", hält Gensch gar nichts. Reality-TV-Shows würden eine verzerrte Darstellung der Realität abbilden. "Es ist nicht ratsam, die Beziehung auf solche Weise zu testen. Eine professionelle Paartherapie oder offene Kommunikation sind bessere Methoden, um Beziehungsprobleme anzugehen", meint Hannah Gensch. Gleiches gelte für mangelnden Respekt gegenüber der eigenen Partnerin, wie dies bei mehreren Männern im "Sommerhaus der Stars" vorkommt. "Ohne Respekt ist eine gleichberechtigte und liebevolle Beziehung kaum möglich", so die Paartherapeutin.

Inszenierung für Folge-Jobs und mehr Geld: Promis agieren berechenbar im Trash-TV
Beziehungen und Konflikte im "Sommerhaus" seien oftmals für Publikum und eine hohe Quote inszeniert. Promis legen also berechenbares Zoff-Verhalten an den Tag. Den manipulativen Mechanismen müsse sich das fernsehende Liebes-Paar auf der heimischen Couch bewusst sein, so Gensch.
Dem stimmt auch Medienexperte Ferris Bühler zu. Denn durch die wachsende Bekanntheit der Protagonisten können "Folgegeschäfte generiert" und Geld verdient werden. Wer im "Sommerhaus" streite, bekomme mehr Aufmerksamkeit und dann neue Jobs.
Begleitsendung für "Sommerhaus" gefordert, um das Geschehen mit Experten einzuordnen
Ferris Bühler fordert von RTL eine Überarbeitung des "Sommerhaus"-Formats nach der getätigten und gezeigten Ohrfeige: "Der Sender könnte sich meiner Meinung nach überlegen, die Geschehnisse des Formats in einer Begleitsendung redaktionell aufzuarbeiten, also beispielsweise andere, echte Prominente mit Fachpersonen darüber diskutieren lassen, was da gerade passiert und was okay ist und was nicht."