Bill Cosby: Der Absturz des Vorzeige-Vaters
Los Angeles - Wer hier Opfer und wer Täter ist, lässt sich von außen nicht feststellen. Die Journalisten Joan Tarshis behauptet, Schauspieler Bill Cosby (77) habe sie 1969 als damals 19-Jährige vergewaltigt. Einerseits darf man solche Anschuldigungen nicht einfach ignorieren, schließlich leiden Missbrauchsopfer nicht nur unter der Tat selbst, sondern auch, weil ihre Worte im Anschluss oft kein Gehör finden. Andererseits wurden in der Vergangenheit immer wieder Prominente des Missbrauchs beschuldigt - und nicht selten entpuppten sich die Vorwürfe als haltlos. Cosby schweigt zu den Anschuldigungen, lässt über seinen Anwalt ausrichten, dass er diese "nicht würdigen" wolle.
Missbrauchs-Vorwürfe gegen den Star der TV-Serie "Die Bill Cosby Show" (1984-1992) wurden bereits 2004 laut. Die Amerikanerin Andrea Constand behauptete damals, Cosby habe sie unter Drogen gesetzt und misshandelt. Die Behörden untersuchten die Vorwürfe, doch obwohl sich 13 Frauen bereit erklärten, als Zeugen auszusagen und von ähnlichen Vorfällen zu berichten, kam der Fall aus Mangel an Beweisen nie vor Gericht. ABC News berichtete damals, dass die Handlungen zwischen der Frau und dem Schauspieler womöglich einvernehmlich erfolgten. Constand strebte trotzdem eine Zivilrechtsklage an, doch auch die bekam nie ein Richter zu Ohren - Cosby und das vermeintliche Opfer einigten sich gegen Zahlung einer unbekannten Summe außergerichtlich. Verschiedene Medien spekulierten damals, auch anderen Frauen habe Cosby "Schweigegeld" angeboten.
Im Zuge der ersten Anschuldigungswelle meldeten sich bis 2006 zwei weitere Frauen in der Öffentlichkeit zu Wort: Tamara Green, eine Anwältin aus Kalifornien, und Barbara Bowman, die sich zwei Jahre zuvor der Klage von Constand anschließen wollte. Beide beschrieben sehr ausführlich angebliche missbräuchliche Handlungen von Cosby an ihnen, die sich in den 70er und 80er Jahren ereignet hätten.
Bowman erneuerte ihre Vorwürfe 2014, nachdem der Stand-up-Comedian Hannibal Buress Cosby bei einem Auftritt offen als "Vergewaltiger" bezeichnete, und damit das Thema erneut in die Medien brachte. "Er ist ein Monster", sagte Bowman daraufhin in einem Interview mit "Mail Online". In einem Beitrag für die "Washington Post" schrieb sie, der TV-Star, der für sie wie eine Vaterfigur gewesen sei, habe sie mehrmals vergewaltigt. Zudem beschwerte sie sich, dass zu wenige Menschen sich für ihre Geschichte und die der anderen angeblichen Opfer interessieren würden.
Cosby hat die erste Anschuldigungswelle relativ unbeschadet überstanden, wobei seine ganz große Zeit damals ohnehin schon vorbei war. Doch der Ruhm vergangener Tage hallte immer noch nach. "Die Bill Cosby Show" gehört zu den erfolgreichsten Sitcoms des US-Fernsehens aller Zeiten, auch in Deutschland lief die Serie über viele Jahre und in unzähligen Wiederholungen. Wer zu Beginn der 90er-Jahre den Fernseher einschaltete, kam praktisch nicht an den "Huxtables" vorbei, eine afroamerikanische Großfamilie der gehobenen Mittelschicht. Cosby spielte den erfolgreichen Frauenarzt Cliff Huxtable, seine Frau Claire (Phylicia Rashad) gab die taffe Anwältin. Erfolgreich im Job, fünf Kinder, dabei immer gut gelaunt und verständnisvoll - die Huxtables waren die TV-Vorzeige-Familie schlechthin. Und Cosby wurde zum Muli-Millionär und einem der einflussreichsten Afro-Amerikaner seines Landes.
Nun droht das Denkmal vom Muster-Vater zu zerbröckeln. In Zeiten von Twitter, Facebook und Google lassen sich Missbrauchs-Vorwürfe nicht so einfach aus der Welt schaffen. Die Leute vergessen nicht mehr so schnell, die Empörung ist allgegenwärtig. Diesmal bleibt etwas haften.
Mehrere TV-Interviews wurden abgeblasen. Vor einigen Tagen war er zu Gast in einer Radiosendung, von der ein Mitschnitt im Netz kursiert. Der Moderator ist nicht auf den großen Skandal aus, es ist ihm hörbar unangenehm, diese Frage zu stellen. "Mr. Cosby, es gibt da draußen Leute, die sie lieben, die wirklich gerne etwas von ihnen zu den Vorwürfen hören würden." Cosbys Antwort: Schweigen.