Interview

45 Jahre beim BR: So lief der Rauswurf von Fritz Egner

Stillos setzt der BR seinen alten Funk- und Soul-Recken Fritz Egner vor die Tür – und während der letzten Sendung laufen seine Fans Sturm.
Thomas Becker |
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TV-Moderator Fritz Egner spricht mit der AZ über seinen Rauswurf beim BR und wie es ihm jetzt geht. (Archivbild)
TV-Moderator Fritz Egner spricht mit der AZ über seinen Rauswurf beim BR und wie es ihm jetzt geht. (Archivbild) © Henning Kaiser (dpa)

Wie teilt man jemanden mit, der eigentlich ohnehin gesagt hat, dass er in einem guten halben Jahr aufhören würde, dass doch plötzlich ganz schnell Schluss ist? Fritz Egner hat 45 Jahre für den BR gearbeitet und Kultsendungen geschaffen. Im Gespräch mit der AZ erzählt der 75-Jährige, wie er seine letzten Tage und Stunden beim BR erlebt hat.

AZ: Herr Egner, mit welcher Begründung hatte man Ihnen die Fortführung Ihrer längst Kult gewordenen Sendung verweigert? Sie wollten ja ohnehin nur bis Sommer weitermachen, nicht bis 2030…
FRITZ EGNER: Eine richtige Begründung habe ich nicht bekommen. Ich habe immer um eine gebeten, weil ich eine Formulierung haben wollte, die man der Öffentlichkeit weiter geben kann. Es hieß: Sparmaßnahmen, Generationengerechtigkeit – alles schwammige Sachen, mit denen ich nichts anfangen konnte. Und man habe andere Pläne für diesen Sendeplatz. Ich meinte, von Montag bis Donnerstag wäre ja auch noch Platz, aber nein: Es musste der Freitag sein. Denn die Idee ist nun, mit Lieblings-Hits ins Wochenende zu gehen: Eine ganz außerordentlich originäre Idee, um es ironisch zu sagen!

Fritz Egner (li.) mit Manfred Segerer, Herausgeber Mixage Magazin, sowie Fred Kogel  im Frühjahr 1993.  (Archivbild)
Fritz Egner (li.) mit Manfred Segerer, Herausgeber Mixage Magazin, sowie Fred Kogel im Frühjahr 1993. (Archivbild) © IMAGO/Manfred Segerer

Wessen Lieblingshits? Des Programmdirektors oder des Hausmeisters?
Wahrscheinlich aus der Statistik raus gesaugt. Ich kann mir nicht vorstellen, was das sein soll. Aber Lieblings-Hits machen ja alle.

Dutzendware statt Individualität, was für ein unwürdiges Trauerspiel. Mit welchem Gefühl verlassen Sie den BR?
Ich war immer gern beim Öffentlich-Rechtlichen, weil ich da eine Aufgabe gesehen habe, Inhalte zu liefern und mit den Hörern zu teilen. Interessante Geschichten, meine Treffen mit den Protagonisten des Showgeschäfts: Das ist was Spezielles, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch brauchen kann. Und das haben die mich ja auch machen lassen. Ich habe 45 Jahre für den BR gearbeitet, Bayern 3 und zum Schluss acht Jahre Bayern 1. Mir hat nie jemand reingeredet. Ich habe dem BR meine ganze Karriere zu verdanken, Fernsehen wie Radio. Aber einzelne Akteure haben halt andere Vorstellungen. Das Abhandenkommen von Wertschätzung ist da schon zu sehen.

Am Freitagabend haben Sie nach 45 Jahren Ihre letzte Sendung für den BR gefahren. Wie war der Samstag danach?
Im Grunde wie jeder andere auch, nur mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass eine wichtige Aufgabe und Struktur in sich zusammen gefallen ist. Aber es war ja erwartbar, und ich konnte mich darauf vorbereiten, dass dieser Tag irgendwann kommt. Ich war dann Tennis spielen: Niko-Cup beim ABV, dem Altbogenhausener Verein zur Pflege des Tennissports, den mein Freund Monti Lüftner 1981 gegründet hat. Meine Tochter war dabei – die spielt mittlerweile besser als ich. Ich hab' jedes Spiel gewonnen! Die beste Ablenkung, wenn man einen Tag überbrücken muss, der natürlich belastet ist.

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"Ich wusste: Irgendwann kommt der Tag"

Noch mal zum Tag X: In der BR-Pressemitteilung hieß es, Sie würden sich den Tag der letzten Sendung irgendwann vor Weihnachten offen halten.
Die Playlist für die letzte Sendung hatte ich schon seit zwei Monaten. Weil ich wusste: Irgendwann kommt der Tag. Dann muss das bereit liegen. Ich hatte keinen festen Tag geplant, sondern mir vorgenommen, in der Sendung meinem Bauchgefühl nachzukommen. Durch eine plötzlich herausgegebene Pressemitteilung bin ich allerdings fast genötigt gewesen, den Zeitpunkt auf letzten Freitag zu legen. Sonst hätte ich keine Ruhe mehr gehabt.

Ihr letzter Song als BR-Mitarbeiter?
"Funny how times slips away". Eigentlich ein Country-Song, aber in der Version von Al Green hat er noch einen Gospel-Touch. Und davor: "For the good times", ein Lied von Kris Kristoffersen komponiert, in dem es darum geht, dass man auch mal traurig sein darf. Aber: Das Leben geht ja weiter.

Jerry Gstöttner und Fritz Egner (re.) bei der Saphira 2023, dem Internationalen Heimatfilmpreis in Altötting. (Archivbild)
Jerry Gstöttner und Fritz Egner (re.) bei der Saphira 2023, dem Internationalen Heimatfilmpreis in Altötting. (Archivbild) © IMAGO/Manfred Segerer

Wie hocken Sie während dieser letzten Takte im Studio?
Komischerweise gibt es da eine Art von Haltung. Man weiß: Das ist live, man kann nichts mehr zurückholen, muss sich gut überlegen, was man sagt in einem solchen Moment. Ich hab's mir nicht aufgeschrieben, wie ich mir ganz selten etwas aufschreibe, habe meine Moderationen immer aus der Laune und dem Gefühl heraus gemacht. Ich stand also da – ich moderiere immer im Stehen, weil ich sozusagen die Brust frei brauche – und habe gearbeitet wie immer. So richtig bewusst, was die Uhr geschlagen hat, wurde es mir erst in der letzten Viertelstunde. Die Emotionen kamen erst, als der Techniker mit hochrotem Kopf reinkam und meinte: 'Das Netz ist voll mit Meldungen über dich. Die Hörer rufen an und beschweren sich, finden es gar nicht gut, dass du gehst.' Da ist mir bewusst geworden, dass ich offenbar die Leute erreicht habe über die Jahre und denen etwas bieten konnte, immer verlässlich am Freitag zur selben Zeit. In den acht Jahren bei Bayern 1 habe ich keine einzige Sendung absagen müssen, auch nicht während Corona. Und somit war die Reaktion der Hörer schon eine Genugtuung, lief runter wie Öl. Ich wollte gar nicht reinschauen, was die Leute geschrieben haben, wollte das nicht so an mich heranlassen, denn man muss aufpassen, dass man nicht denkt, man ist mehr, als man ist.

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Wie haben Sie sich von den Hörern verabschiedet?
Ganz zum Schluss habe ich mir einen Rückblick erlaubt, wie ich 1974 beim AFN mit Radio angefangen habe: Ausschnitte, wie ich die Wettervorhersage machen durfte – die ersten Worte, die ich über ein Mikrofon gesagt habe. Und dann habe ich gesagt: 'Heute ist ein besonderer Tag für mich, denn es ist der letzte hier bei Bayern 1.' Habe mich bedankt für die Treue, aber irgendwann muss man 'Auf Wiederhören' sagen. Und weil nach mir kein Ansager mehr da ist, habe ich – wie das in so einer Behörde eben ist – auch noch das Wetter und den Verkehrslagebericht gelesen. Wenn ein Falschfahrer gekommen wäre, hätte ich den auch noch melden müssen. Wir haben schon gescherzt, dass jetzt jemand absichtlich auf der falschen Seite fährt, damit ich noch mal was arbeiten muss.

Fritz Egner und seine Frau Katrin kommen zur Premierengala der neuen Show "Moonia" von Schuhbecks teatro.  (Archivbild)
Fritz Egner und seine Frau Katrin kommen zur Premierengala der neuen Show "Moonia" von Schuhbecks teatro. (Archivbild) © Sven Hoppe (dpa)

"Ein paar Angebote liegen schon auf dem Tisch"

Aus der Welt sind all Ihre Interviews und Anekdoten nicht: Im Sommer haben Sie "Quiz mit Fritz" gestartet, eine App, in der Ihr Wissen über 50 Jahre Musikgeschichte erhalten bleibt.
Mehr als 2000 Fragen sind schon im Netz, und diese App füttere ich noch weiter. Nachher treffe ich mich zum Beispiel in der Olympiahalle zum Interview mit Shaggy. Ich bin durchaus offen für Angebote aus der Radio-Welt. Ein paar Angebote liegen schon auf dem Tisch.

Wie haben eigentlich Ihre Radio-Kollegen reagiert?
Die waren alle sehr rührend. Ich bekomme teilweise herzreißende Angebote, bizarre Forderungen und Wünsche. Ich kann mir das alles gar nicht erklären, weil ich mich nicht so sehe wie andere mich vielleicht wahrnehmen. Ein Kollege von Antenne Bayern meinte, sein größter Wunsch sei es gewesen, bei meiner letzten Sendung den Regler aufzumachen. Alle wollten eigentlich dabei sein, aber ich habe es geheim gehalten bis zum bitteren Ende. Das wäre mir dann doch zu viel gewesen, wenn mich da 50 Leute rausgetragen hätten.

Lieber ein einsamer Abschied?
Ich bin bewusst zum letzten Mal in diese Tiefgarage gefahren, habe mir zum letzten Mal beim Rewe etwas zu essen geholt und habe ganz bewusst zum letzten Mal den Regler zugemacht. Für immer. In diesem Haus.

Es gibt ja noch andere Häuser.

So lange ein Dach über dem Kopf ist...

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8 Kommentare
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  • Koriandoli am 10.12.2024 16:32 Uhr / Bewertung:

    Mehr als schade um solch'(!) einen Moderator! Das 'fachliche' war über all die Jahre mehr als top, und das spannend wie witzig und charmant gleichermaßen erzählt, und vom 'menschlichen' her ein Sympathie - Träger durch und durch!!! Man will ja nicht immer "von der guten alten Zeit" anfangen, aber er war einer der wirklich Wenigen, die mit geballten Sachverstand, Humor und Natürlichkeit seine Hörer in den Bann zu 'verführen' wußte. Nie (!) war es langweilig, aber immer amüsant, informativ und unterhaltsam! Kein Vergleich zu den ach so hippen und coolen Typen mit teils säuselnd Gelaber und Dauergrinsen in der Stimme, die sich heute nach 3x fehlerfrei Regler rauf - u.runterschieben einbilden die geballte Kompetenz zu sein. 'Unterhaltung' ist eine große Kunst, die wirklich nur sehr Wenige echt beherrschen, der Rest? Beliebig austauschbar!!! Schade Herr Egner, die Lücke, die Sie Ihrerseits gezwungenermaßen hinterlassen, ist mehr als riesig, u. wird nicht wirklich adäquat zu ersetzen sein!!

  • BingoMuc am 10.12.2024 06:31 Uhr / Bewertung:

    Wenn ich diese pseudo lustigen BR Menschen auf BR1 und 3 höre, dann gibt es für mich nur 2 Lichtblicke, die blaue Couch mit Thorsten Otto und Fritz Egner.. ansonsten laber laber grins grins und lachen über die eigenen Witze.. und das sowohl männlich und weiblich …

  • AufmerksamerBürger am 09.12.2024 23:20 Uhr / Bewertung:

    Gut so, dass er aufhört, dann kann ein junger Zuwanderer ein flottes Programm für die jetzige Bevölkerung machen.

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