Zusammenarbeit von CDU und AfD in Thüringen: Wo steht die Brandmauer nach rechts?
Erfurt/Berlin - Für AfD-Fraktions- und Parteichefin Alice Weidel ist der Durchbruch erreicht: "Merz' Brandmauer ist Geschichte – und Thüringen erst der Anfang", kommentierte sie die folgenreiche Abstimmung über die Senkung der Grunderwerbsteuer im Thüringer Landtag. Eigentlich hatte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz diese Mauer verteidigen wollen. Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es für die CDU nicht geben.
Nun hat seine Partei im Erfurter Landtag jedoch mit jener Partei und der FDP die Steuersenkung durchgebracht, um Häuslebauer zu entlasten. In der CDU brach sofort Feuer aus, hohe Parteifunktionäre widersprachen sich gegenseitig, ob sie jetzt einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hätten oder nicht, wie es der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) formulierte.
Umfragen: In Thüringen, Sachsen und Brandenburg liegt die AfD bereits bei über 30 Prozent
Vor einigen Wochen hatte der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, Maximilian Krah, die Zerstörung der CDU als Ziel ausgerufen. Dann, so sein Argument, sei der Weg für die Rechte frei. In Frankreich ist das bereits geschehen, wo die konservativen Republikaner auf nationaler Ebene keine Rolle mehr spielen und ihnen der rechtspopulistische bis rechtsradikale Rassemblement National (früher Front National) den Rang abgelaufen hat.
Die AfD setzt vor allem auf die drei Landtagswahlen in Ostdeutschland, die im kommenden Jahr anstehen. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg führt die AfD die Umfragen mit großem Vorsprung an und liegt jenseits der 30-Prozent-Marke. Auch bundesweit legt die Partei in dem am Freitag veröffentlichten neuen ZDF-Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen um einen Prozentpunkt auf 21 Prozent zu – ein Höchstwert.
Anton Hofreiter (Grüne): "Merz schlägt einen gefährlichen Weg für die Demokratie ein"
Kann die Partei diese Stärke halten, wird es schwieriger, Politik gegen sie zu machen. Um die AfD aus der Regierung fernzuhalten, müsste die CDU womöglich ihre andere Brandmauer schleifen und mit der Linkspartei koalieren, die sich im Osten noch hält. Merz zog es vor, sich nicht öffentlich zu der Erschütterung zu äußern. Für seinen Kurs attackiert wurde er von Toni Hofreiter (Grüne).
"Merz schlägt einen gefährlichen Weg für unser demokratisches System ein. Das zeigt sich am Agieren der CDU in Thüringen ganz deutlich. Diesem Agieren bereitet Merz von Berlin aus den Weg", sagte er der AZ. Dabei werde eine starke CDU gebraucht, die sich auch in einer Minderheitsregierung wie in Thüringen konstruktiv einbringe, so Hofreiter.
"CDU reißt die Brandmauer nach rechts ein", klagt Innenministerin Nancy Faeser
"Die CDU reißt die Brandmauer nach rechts außen immer weiter ein", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). "(CDU-Chef) Friedrich Merz hat immer wieder gesagt, es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD. Heute hat man sich gemeinsam auf den Weg gemacht", kritisierte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in der ARD.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht ein Tabu gebrochen: "Wenn das in der CDU Schule macht, dann wird der Parlamentarismus nach dem heutigen Tag ein anderer sein. Demokraten dürfen die AfD niemals zum parlamentarischen Zünglein an der Waage machen." Linkspartei-Chefin Janine Wissler warf der CDU vor, die AfD "salonfähig" zu machen.
Christian Lindner betont die Autonomie der FDP-Landesverbände
Die beschlossene Steuersenkung in Thüringen bringt auch FDP-Chef Christian Lindner in Erklärungsnot. Vor drei Jahren sendete die Wahl des Liberalen Thomas Kemmerich zum Thüringer Kurzzeit-Ministerpräsident Schockwellen durch die Republik, weil er mit Stimmen der AfD durch das Ziel ging. "Für uns ist klar, mit der AfD kann es kein Zusammenwirken geben, und zwar aus folgendem Grund: Natürlich hat selbst die AfD Punkte in ihrem Programm, die sehr gut sind, das meiste davon hat sie nämlich woanders abgeschrieben. Aber das, was die AfD exklusiv vertritt, ist für unser Land von größter Gefahr", sagte Lindner der AZ.
Dennoch konnte er nicht verhindern, dass seine Erfurter Parteifreunde gegen sein Gebot verstießen. "Alle Landesverbände sind autonom", meinte der 44-Jährige – und betonte, dass der Antrag von der CDU gestellt worden sei und nicht von den Liberalen: "Deshalb ist das jetzt die Verantwortung der CDU." Man solle Ursache und Wirkung nicht verwechseln.