Interview

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schonungslos offen: "Wir haben gewachsene, strukturelle Probleme"

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) spricht im AZ-Interview über den Zustand der Ampel, die Energieversorgung und das umstrittene Heizungsgesetz.
Christian Grimm, Stefan Lange |
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck musste Kritik an seiner Wortwahl einstecken.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck musste Kritik an seiner Wortwahl einstecken. © Christophe Gateau/dpa

Hinter Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) liegen stürmische Wochen. Sein Heizungsgesetz war in der Bevölkerung umstritten und wurde dann einkassiert. Der 53-Jährige will mit dem Gesetz jedoch einen neuen Anlauf wagen.

Warum er die Bilanz der Ampel-Koalition trotz allem Streit ansehnlich findet, wie es seiner Meinung nach um die deutsche Wirtschaft bestellt ist und was er über den aktuellen Zustand der Oppositionspartei CDU denkt, verrät Robert Habeck im AZ-Interview.

AZ: Herr Habeck, Sie haben mit dem Heizungsgesetz für viel Aufregung gesorgt, wahrscheinlich mehr, als Ihnen lieb war. Jetzt soll das Gesetz direkt nach der Sommerpause durch das Parlament gehen, die Opposition verlangt Änderungen. Was wird am Ende rauskommen?
ROBERT HABECK: Die Inhalte des Gesetzes sind in der Koalition geeint und Anfang September berät das Parlament es abschließend. Es ist ein wegweisendes Gesetz, das über verschiedene Stufen und Übergangsregel dazu führen wird, dass Deutschland sich beim Heizen von Öl und Gas löst und mit Erneuerbaren Energien heizt. Die Debatte über die Heizungen wurde im Ton laut geführt, sicher zu laut, aber in der Sache ist sie eine wichtige gewesen.

Robert Habeck über das Heizungsgesetz: "Reden über Wirkungen für die nächsten Jahrzehnte"

Warum?
Sie hat deutlich gemacht, dass Klimaschutz konkret werden muss. Deutschland verbraucht 30 Prozent seiner Energie im Wärmebereich. Wir reden hier über Wirkungen für die nächsten Jahrzehnte.

Parallel dazu arbeiten Sie an der Regelung über die Förderung von Wärmepumpe und anderen umweltfreundlichen Heizungen. Steht schon fest, wer wie viel Zuschuss erhalten kann?
Das ist bei der Einigung zum Gebäudeenergiegesetz politisch mitbeschlossen worden. Wir setzen die Beschlüsse der Fraktionen jetzt rechtlich um. Im Kern kann man sagen, dass es eine Grundförderung von 30 Prozent und einen zusätzlichen Bonus von bis zu 20 Prozent für diejenigen gibt, die gleich in den nächsten Jahren die Heizung tauschen. Für Haushalte mit einem Einkommen von bis zu 40.000 Euro pro Jahr soll es einen weiteren Bonus geben, sodass man maximal bis zu 70 Prozent gefördert bekommt. Das ist wirklich eine sehr gute Förderung.

Wo kann man die Anträge stellen?
Wir wollen, dass es einfach für die Verbraucherinnen und Verbraucher wird, Anträge zu stellen. Es gibt ja neben dem Zuschussprogramm auch ein Kreditprogramm der KfW, über das Hausbesitzer zusätzlich günstige Darlehen für die energetische Sanierung bekommen können. Ich möchte, dass es so übersichtlich wie möglich wird.

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Robert Habeck sieht die deutsche Wirtschaft in Schwierigkeiten: "Die Lage ist nicht einfach"

Sie haben in den zurückliegenden Wochen viele Unternehmen in Deutschland besucht. Die Stimmung in der Wirtschaft hat sich eingetrübt, es droht ein milder Abschwung. Woran liegt das?
Die Lage ist aktuell nicht einfach, das stimmt. Es gibt mehrere Gründe dafür und natürlich müssen wir auch handeln. Daher habe ich Vorschläge für einen Industriestrompreis vorgelegt. Aber nochmal zu den Gründen: Wir haben gewachsene, strukturelle Probleme, die lange nicht bearbeitet wurden, wie zum Beispiel der Fachkräftemangel oder die langatmigen Genehmigungsverfahren. Der zweite Grund ist die hohe Abhängigkeit von fossilen russischen Importen, die wir in der Vergangenheit hatten. Wir haben sie überwunden, aber es war ein schmerzhafter Prozess, und das wirkt nach.

Drittens schwächelt auch die internationale Nachfrage, was ein Exportland wie Deutschland härter trifft als andere. Viertens kommt hinzu, dass die USA mit einem riesigen Förderprogramm die Produktion grüner Technologie hochziehen, was die Importe aus Deutschland dämpft. Und natürlich ist es enorm wichtig, die Inflation zu bekämpfen. Allerdings, das gehört zur Wahrheit dazu, macht das gestiegene Zinsniveau Investitionen teurer, weshalb Unternehmen sich zurückhalten.

Und wo ist jetzt die gute Nachricht?
Das alles ist sehr anspruchsvoll und es gibt da kein Schwarzweiß. Weder braucht es Schönfärberei, noch braucht es die German Angst, dass alles dem Niedergang geweiht ist. Denn bei allen Schwierigkeiten sollten wir immer sehen: Wir haben leistungsfähige Betriebe, einen starken, innovationsfähigen Mittelstand, kluge Köpfe. Und die Industrie erneuert sich. Die Stahlindustrie macht sich auf den Weg und will klimaneutralen Stahl bauen. Es gibt so vieles, worauf wir stolz sein können. Diese Stärken gilt es zu stärken.

"Wir haben keine Zeit zu verlieren", meint Robert Habeck zum Industriestrompreis 

Um der Industrie zu helfen, machen Sie sich für die Einführung eines rabattierten Strompreises stark. Unklar ist, wo die Milliarden dafür herkommen sollen. Finanzminister Lindner will das Geld zusammenhalten. Sind Sie hier schon weiter?
Wir haben im letzten Jahr 200 Milliarden bereitgestellt, um den Energiepreisschock abzufangen. Mit einigem Erfolg, die Märkte haben sich stabilisiert. Deshalb mussten wir für die Preisbremsen bislang nur rund 18 Milliarden Euro ausgegeben. Aber gerade für die energieintensiven Betriebe, die im harten internationalen Wettbewerb stehen und mitten in der grünen Transformation stecken, sind die Preise schwer zu stemmen. Es ist doch nur folgerichtig, dass wir diese Unternehmen jetzt nicht hängen lassen und ihnen beim Strompreis helfen.

Die Frage ist doch, werden die Prozesse hier in Deutschland grün werden oder anderswo? Leider gibt es beim Industriestrompreis noch keine einstimmige Meinung in der Regierung. Ich habe den Vorschlag vorgelegt und seit einigen Wochen beraten wir darüber. Ich kann nur deutlich sagen: Wir haben keine Zeit zu verlieren.

Rechnen Sie damit, dass es im Herbst noch mal Aufregung wegen hoher Betriebskostenabrechnungen geben wird?
Das richtet sich danach, woher die Energiekonzerne ihren Strom beziehen. Wenn sie am Spotmarkt einkaufen, dürfte es da keine großen Probleme geben, denn die Spotmarktpreise sind in der Tendenz gesunken. Wenn die Versorgung mit Strom und Gas auf lang- und mittelfristigen Verträgen fußt, werden die Abrechnung höher sein. Aber dann greift die Gas- und Strompreisbremse. Sie federt die schlimmsten Belastungen ab.

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Wirtschaftsminister Habeck: "Ich werbe für eine Verlängerung der Gas- und Strompreisbremse"

Die Bremse läuft Ende des Jahres aus.
Ja, das ist richtig. Ich werbe aber dafür, dass wir sie nochmals verlängern, und zwar bis Ende des Winters. Genauer gesagt, bis Ostern. Denn die Preisbremsen wirken wie eine Versicherung gegen steigende Preise. Wenn die Preise fallen und unter dem Deckel von 40 Cent bei Strom oder zwölf Cent bei Gas für private Verbraucher liegen, dann braucht man die Bremsen nicht. Aber wenn doch etwas passieren sollte, ist die Absicherung eben auch im kommenden Winter noch da. Wir reden daher bereits mit der EU-Kommission darüber.

Die Außendarstellung der Koalition, haben Sie gesagt, sei bisher kritikwürdig gewesen. Was soll besser werden nach der Sommerpause? Oder, um ein Bild aus dem Handballsport zu verwenden, dem Sie sehr zugetan sind: Von außen betrachtet verhaken sich vor allem FDP und Grüne. Die einen stürmen vor, die anderen stellen den Abwehrblock, und dann knallt es. Ein raffinierter Kempa-Trick ist eher selten. Stimmt der Eindruck?
Also, zunächst einmal habe ich gesagt, dass sich die Leistungsbilanz der Ampel mehr als sehen lassen kann. Ich nenne nur mal die Beispiele Zuwanderungsrecht, Ausbau der Erneuerbaren Energien, Vereinfachung von Genehmigungsverfahren oder Unterstützung der Ukraine. Man muss aber auch sagen, dass Selbstdarstellung und Kommunikation an manchen Stellen zu laut waren. Ich glaube, man muss auch mal schweigen können, Dinge überhören und nicht über jedes Stöckchen springen. Um in der Handball-Sprache zu bleiben: Wir haben es seit der Regierungsbildung immer wieder geschafft, die Dinge mit Kraft doch noch ins Tor zu wuchten. Aber die Eleganz eines Kempa-Tricks haben wir noch zu selten zelebriert.

Habeck selbstkritisch: "Wir haben durch zu viel öffentlichen Streit Vertrauen verspielt"

Die AfD ist gerade die einzige Partei, die steigende Umfragewerte verzeichnet. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Es gibt die Debatte über eine mögliche Annäherung, die CDU-Chef Merz losgetreten hat. Der Kanzler fordert den Zusammenhalt der Demokraten, um auf diese Entwicklung zu reagieren. Wo steht der Vizekanzler, wo steht Ihre Partei in dieser Frage?
Wir leben in einer Phase der Veränderung. Es gibt Krisen, Kriege. Viele Menschen sind zurecht verunsichert. Regierung und Opposition müssen gerade jetzt Sicherheit geben, Vertrauen aufbauen und es sich immer wieder neu erwerben. Über die Regierung haben wir gesprochen, wir haben vieles gut hingekriegt, haben durch zu viel öffentlichen Streit aber auch Vertrauen verspielt. Da müssen wir besser werden. Aber auch die demokratische Opposition hat die Aufgabe, am Vertrauen in unsere liberale Demokratie zu arbeiten und ihren Teil für den Zusammenhalt beizutragen.

Da scheint mir gerade die Union orientierungslos zu sein, und Orientierungslosigkeit bedeutet dann eben auch einen Vertrauensverlust. Um es deutlich zu sagen: Wir brauchen eine funktionierende konservative Partei in Deutschland. Wir sehen in anderen Ländern: Da, wo konservative Parteien nicht funktioniert haben und sich dem Rechtspopulismus angedient haben, sind die als relevante Kräfte verschwunden. Ich hoffe sehr, dass die Union diese Debatte sehr reflektiert führt.

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  • Steirerbluat am 28.07.2023 14:27 Uhr / Bewertung:

    Was hierzu von Sarah-Muckl von sich gegeben wird, kann man nur als real-Satire begreifen......

  • Der wahre tscharlie am 28.07.2023 16:08 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Steirerbluat

    Naja, nicht Jede*r schwimmt auf der ideologisch geprägten Green-Bashing-Wave mit.

  • Steirerbluat am 28.07.2023 16:21 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    "Green-Bashing-Wave", jetzt wächst Du über Dich aber hinaus ..... grinsen

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