Interview

Werner Weidenfeld: "Der Vorgang ist weit in die Sackgasse hineingetrieben"

Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld sieht im Unionsduell kaum eine Chance auf ein konstruktives Ende.
Ralf Müller |
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Werner Weidenfeld.
Werner Weidenfeld. © imago/Spöttel Picture

Der 73-jährige Werner Weidenfeld ist Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung (C.A.P.) und Professor für Politikwissenschaft an der Münchner LMU.

AZ: Herr Professor Weidenfeld, hat Sie überrascht, wie massiv CSU-Chef Söder seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur geltend macht?
WERNER Weidenfeld: Es überrascht mich nicht, dass Markus Söder so massiv für seine eigene Karriere arbeitet. Denn das gehört zu seinem biografischen Bild. Über die Jahrzehnte hat er Schritt für Schritt die jeweils nächste Station der Macht erobert. Ähnlich war die Ablösung von Seehofer durch Söder sowohl als Ministerpräsident wie als Vorsitzender. Das zählt zu seiner biografischen Grundstruktur.

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Sie sind Politikberater. Hätten Sie Söder geraten, so vorzugehen, wie er es jetzt tut?
Ich hätte es ihm jetzt nicht angeraten, denn ohne Schaden kommt da niemand raus. Die Union bietet ein Bild der Selbstzermürbung und Selbstbeschädigung. Das vergisst man nicht über Nacht. Die SPD, die so etwas Ähnliches praktiziert hat, sitzt im Keller und kommt da nicht heraus. Etwas Entsprechendes werden sie bei der Union erleben. Ich hätte Söder geraten, zu signalisieren: Wenn man gebraucht wird, steht man zur Verfügung, um dann der größeren Partei den Vortritt zu lassen. Bei der Nachfolgefrage von Laschet ist ja kein anderer mehr da außer Söder. Dann kann er es werden.

Werner Weidenfeld über Markus Söder: "Er ist ein ehrgeiziger Typ"

Kann Söder das noch in die von Ihnen skizzierte Richtung hinbiegen?
Es käme dann auf sehr geschickte Formulierungen an. Ich erinnere an eine nicht so harte Auseinandersetzung zwischen CDU und CSU 1975, als CDU-Vorsitzender Kohl für 1976 seine Kanzlerkandidatur anmeldete und Strauß das verhindern wollte. Kohl wurde als Kanzlerkandidat ausgerufen und die CSU hat formuliert, sie habe "davon Kenntnis genommen, dass die CDU als die größere Partei den Anspruch erhebt, den Kanzlerkandidaten zu stellen. Die CSU hält an ihrem Anspruch fest, dass ihr Vorsitzender der geeignete Kandidat ist". Kohl hat bei der Bundestagswahl 48,6 Prozent der Stimmen erobert. Davon kann ein Unionsvorsitzender heute nur träumen.

Also Ihr Rat an Söder: Geordneter Rückzug mit der Option auf 2025?
Der Vorgang ist jetzt so weit in die Sackgasse hineingetrieben, dass es schwerfällt, etwas Konstruktives abzuleiten. Ich würde Söder anraten, zu erklären, man habe alles in kooperativer Form durchgesprochen, die größere Partei hat das Vorgriffsrecht und wann immer ich kann, stehe ich zur Verfügung. Wenn Kanzlerkandidat Laschet die Wahl verliert, dann ist doch völlig klar, dass Söder beim nächsten Mal Kanzlerkandidat ist. Nach dieser Vorgeschichte gibt es gar keine Debatte mehr. Auch wenn Laschet Kanzler würde, stellt sich irgendwann die Nachfolgefrage. Und wer kommt dann in Frage? Söder. Der ist ja noch jung genug. Söder ist ein massivst ehrgeiziger Typ.

"Wenn Laschet nicht Kanzlerkandidat wird, müsste er zurücktreten"

Söder setzt offensichtlich darauf, dass die CDU-Basis gegen die Partei-Spitzengremien rebelliert. Kann das passieren?
Nein. Was aus der Unions-Bundestagsfraktion berichtet wird, sind das Äußerungen praktisch kalkulierender Leute. Da geht es um ihre Existenz. Ein Abgeordneter, der für Laschet ist, wird erstmal etwas schweigsamer bleiben, denn es könnte ja sein, dass Söder es wird und dann wird Rache an all denen ausgeübt, die sich gegen ihn geäußert haben. Eine Riesenwelle "Nein, wir wollen Laschet nicht" wird jedenfalls nicht losgetreten. Wenn Laschet nicht zur Kanzlerkandidatur durchgetragen wird, müsste er als Parteivorsitzender zurücktreten. Dann wird nach dem Amt des Ministerpräsidenten in NRW gefragt und so weiter.

Könnte sich die Union über den Streit "zerlegen"?
Soweit gehe ich nicht. Immer wenn man in diese Nähe kam, hat man in der Union zurückgerudert. Die härteste Nummer war 1976 die Kreuther Kündigung der Fraktionsgemeinschaft. Danach musste selbst Strauß wieder zurückrudern.

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8 Kommentare
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  • edmundo am 16.04.2021 07:34 Uhr / Bewertung:

    Man wundert sich, das die mediale Presse die K-Frage so in den Mittelpunkt stellt. Beide Parteien haben zusammen ca. 600.000 Mitglieder. Die werden die K-Frage schon lösen.

  • Bongo am 16.04.2021 10:58 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von edmundo

    Die 600000 Mitglieder werden aber nicht gefragt!

  • Bongo am 15.04.2021 17:48 Uhr / Bewertung:

    Auch von den 44,5% , die Strauß 1980 holte, kann die Union nur noch träumen. Nur solche Vergleiche sind Unsinn, weil sich damals im Grunde genommen 3 Parteien die Stimmen teilten, heute sitzen 7 im Bundestag.

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