Welche mächtigen Freunde halten noch zu Wulff?

Sollte Christian Wulff verurteilt werden, muss er die Gesamtkosten des Prozesses tragen. Zum Glück stehen noch immer vermögende Freunde hinter ihm.
von  (ln/spot)

Hannover - Um 10 Uhr heute Morgen begann in Saal 127 des Landgerichts Hannover der Prozess gegen Christian Wulff (51). Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wird ein ehemaliger Bundespräsident angeklagt.

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Wulff wird der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung bezichtigt: Der Produzent und Filmkaufmann David Groenewold soll ihn und seine Frau Bettina 2008 zum Oktoberfest nach München geladen und das Hotel sowie die Rechnung für den Babysitter bezahlt haben. Es geht um 719,14 Euro, für die sich Wulff im Gegenzug für ein Groenewold-Projekt, den Film "John Rabe", eingesetzt haben soll.

In 22 Verhandlungstagen sollen 45 Zeugen, u.a. der Verleger Hubert Burda und seine Frau Maria Furtwängler, die auf dem Oktoberfest mit den Wulffs an einem Tisch gesessen haben sollen, gehört werden. 14 Monate hat die Staatsanwaltschaft ermittelt und die Ergebnisse in vielen Tausend Aktenseiten dokumentiert. Vier Strafverteidiger, drei Richter und zwei Ankläger treten auf.

Die Prozesskosten werden auf weit über 150.000 Euro geschätzt; allein Wulffs Anwälte, der Bonner Strafrechtsprofessor Bernd Müssig sowie der Hannoveraner Jurist Michael Nagel, kosten über 2500 Euro am Tag. Sollte Wulff freigesprochen werden, übernimmt das Gericht die Kosten, dennoch bliebe der Altbundespräsident auf 2225 Euro pro Tag sitzen, denn die Gerichtskasse zahlt nur 275 Euro pro Tag. Sollte Wulff verurteilt werden, muss er die Gesamtkosten tragen. Doch kann er das?

Der ehemalige Bundespräsident hat nach wie vor gute und teilweise sehr vermögende Freunde, die zu ihm halten. Einer von ihnen ist der Unternehmer Dirk Rossmann (67, Drogeriekette Rossmann), bei dem auch Wulffs baldige Ex-Frau Bettina (40) angestellt war. Rossmann hatte in einem denkwürdigen Talkshow-Auftritt bei Maybrit Illner Wulff leidenschaftlich verteidigt.

Im August 2013 legte er in einem Interview mit dem Kulturmagazin "Cicero" nach: "Ich habe mich einfach über die Art der Berichterstattung aufgeregt. Das war für mich ein Schockerlebnis, diese Hetzjagd, die die Medien veranstaltet haben. Es ging mir dabei gar nicht so sehr um Wulff, der mit Sicherheit auch Fehler gemacht hat. Aber Sie müssen das doch nur mal mit dem Fall Hoeneß jetzt vergleichen, der Steuern in Millionenhöhe hinterzogen hat. Ich kann nicht erkennen, dass dazwischen irgendwie differenziert wird, obwohl es bei Wulff um wesentlich kleinere Beträge ging."

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Der Unternehmer Carsten Maschmeyer (54) aus Hannover ist seit vielen Jahren ein weiterer guter Freund von Christian Wulff. Er will ihm weiter zur Seite stehen: "Freundschaften bewähren sich besonders in schwierigen Zeiten", sagte Maschmeyer der "Bild am Sonntag".

Der Osnabrücker Unternehmer Egon Geerkens (69), dessen Frau Edith den Wulffs 500.000 Euro für ihr Haus in Großburgwedel, das mittlerweile für 650.000 Euro verkauft wurde, geliehen hatte, hält laut "bild.de" weiterhin engen Kontakt zum Altbundespräsidenten: "Schließlich hat er sich strafrechtlich nichts zuschulden kommen lassen."

Der Filmproduzent David Groenewold (40) steht gemeinsam mit Wulff vor Gericht. Auch er pflegt nach wie vor die Freundschaft, ebenso wie der Sänger und Schriftsteller Heinz Rudolf Kunze (56). Dem "Südwestrundfunk" sagte Kunze: "Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen. Und wissen Sie was? Hätte er sich was zu Schulden kommen lassen, wäre er trotzdem mein Freund." Allerdings habe sich der Mensch Wulff verändert: "Das geht ja nicht ohne Spuren an einem vorbei, wenn er alles genommen bekommt: sein Amt, seine Würde, seine Familie. Das kann einen Menschen nicht unbeeindruckt lassen, wenn man Kinder hat, die nur noch mit Angst und Tränen in die Schule gehen. Hätte ich in seiner Haut gesteckt, hätte ich bestimmt öfter den Weg zu den Tränen gefunden."

Der Unternehmer Dirk Rossmann bemerkte, dass Wulff die fehlende Unterstützung durch Parteifreunde besonders geschmerzt habe. "Die breite Mehrheit der CDU-Politiker ist ein Stück zurückgetreten und hat erst einmal das Ganze beobachtet. Wulff hat sehr darunter gelitten."

Eine Ausnahme ist Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU), ein enger Vertrauter Wulffs. Er wünscht seinem Freund ein faires Verfahren, "in welchem das Recht über die Stimmungsmache siegt. Was er erlitten hat, kann kein Gericht wieder gut machen", so Hintze zu "spiegel.de".

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Auffällig ist, dass Politiker der anderen Couleur Wulff aufmunternde Worte mitgeben. Der ehemalige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte dem "Deutschlandfunk", das Strafverfahren gegen den Ex-Bundespräsidenten empfindet er als "irgendwie unverhältnismäßig. Er ist ja durch den ganzen Vorgang, die ganze Affäre und seinen Rücktritt schon bisher durchaus bestraft."

Und der Musikproduzent und Politiker Dieter Dehm (63, Die Linke) schimpfte in der Talkshow von Sandra Maischberger: "Alle Vorwürfe gegen Christian Wulff sind lachhaft. Er wird freigesprochen werden und dann als geläuterter Mann zurückkommen."

Nur ein alter Freund meldet sich nicht mehr zu Wort: Olaf Glaeseker (52) war in Hannover und Berlin einer der engsten Mitarbeiter von Wulff. Dann wurde er in der Krise als Sprecher des Bundespräsidenten im Dezember 2011 entlassen. Seit Wulffs Geburtstagsfeier im Juni 2012 soll er keinen Kontakt mehr zum Altbundespräsidenten haben. Glaeseker selbst steht ab 9. Dezember wegen Bestechlichkeit vor Gericht.

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