USA machen sich auf Fall von Kobane gefasst

Seit Tagen stemmen sich Kurden in der syrischen Grenzstadt Kobane gegen den Vormarsch von IS-Extremisten. Für den Moment verschaffen sie sich wieder Luft. Doch die USA machen sich auf den möglichen Fall Kobanes gefasst.
Washington/Mürsitpinar - Die verworrene Gefechtslage im von der Terrormiliz Islamischer Staat belagerten Kobane nährt die Zweifel an der Wirksamkeit der US-geführten Offensive gegen die Dschihadisten. Zwar konnten am Mittwoch einige der IS-Kämpfer aus der nordsyrischen Stadt hinausgedrängt werden. Doch könne sich das Blatt auch wieder wenden, räumte Pentagonsprecher John Kirby ein. "Kobane könnte eingenommen werden. Wir wissen das." Auch US-Präsident Barack Obama sprach von einer schwierigen Mission, sagte aber auf lange Sicht Fortschritte voraus.
Seit Wochen ziehen die sunnitischen Extremisten den Belagerungsring um Kobane immer enger. Zuletzt drangen sie sogar ins Stadtgebiet vor. Nach Angaben des Syrischen Beobachtungszentrums für Menschenrechte kam es in der Stadt zu heftigen Schusswechseln, besonders im Stadtviertel Kani Arban. Kurdische Kämpfer hätten ein Minarett zerstört, das der IS als Beobachtungspunkt genutzt habe.
Am Mittwoch meldete das US-Zentralkommando, die kurdischen Milizen schienen den Großteil Kobanes weiter zu kontrollieren und den Dschihadisten standzuhalten. Dabei hätten internationale Luftangriffe auf sechs IS-Stellungen rund um die Ortschaft geholfen, sagte Kirby. Es gebe aber widersprüchliche Angaben darüber, wie viele der Extremisten sich unter dem Druck der Attacken zurückgezogen hätten. Seit Montag wurden nach Angaben von Aktivisten bei Luftangriffen mindestens 45 IS-Kämpfer getötet und fünf Fahrzeuge zerstört.
Luftangriffe allein könnten die Stadt allerdings nicht retten, räumte Kirby zugleich ein. Alle Akteure müssten sich daher auf die Realität vorbereiten, dass vielleicht neben Kobane auch weitere Orte in die Hände der IS-Miliz fallen könnte. In Syrien gebe es keine Kampftruppen, mit denen die USA kooperieren könnten. Daher arbeite das US-Militär auf die Ausbildung und Bewaffnung 5000 moderater syrischer Oppositionskämpfer hin, die dann in die Konfrontation mit dem IS geschickt werden sollen, fügte Kirby hinzu. Das Vorhaben ist jedoch noch im Frühstadium. Bis es soweit ist, könnten noch Monate vergehen.
Obama stellte denn auch einen langen Kampf gegen die IS-Miliz in Aussicht. "Das ist nichts, was über Nacht gelöst werden kann", räumte er bei einem Treffen mit seinem Verteidigungsminister Chuck Hagel und Generalstabschef Martin Dempsey im Pentagon ein. Dennoch würden die USA weiter Fortschritte erzielen. Zuversichtlich stimme ihn das breite internationale Bündnis, das die IS-Miliz als Bedrohung für den Weltfrieden ansehe, sagte Obama.
Der IS hat große Gebiete Syriens und des Irak erobert. Die USA und mehrere Verbündete greifen ihn seit August im Irak und seit September auch in Syrien aus der Luft an. Doch die Hartnäckigkeit der IS-Miliz in Kobane wirft die Frage auf, ob Obama die von ihm ausgegebenen Ziele in Einklang bringen kann: Einerseits soll die Extremistengruppe zerschlagen werden, andererseits sollen Bodentruppen aus dem Kampf herausgehalten werden.
Im Bemühen um eine weitere Stärkung der US-geführten Koalition gegen die IS-Miliz richten sich die Hoffnungen nun vermehrt auf die Türkei. Am Donnerstag werden Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der für die Anti-IS-Mission zuständige Ex-US-General John Allen zu Gesprächen mit Präsident Recep Tayyip Erdogan in dem Land erwartet. Kritiker gaben der Türkei zuletzt eine Mitschuld an der verzweifelten Lage in Kobane, weil sie Hilfe unterbunden haben sollen.