Showdown im Edathy-Untersuchungsausschuss

Wäre die Edathy-Affäre ein Spielfilm, er würde von der Kritik verrissen. Kinderpornos, Drogensucht und Ermittler, die zu Angeklagten werden: Die Story klingt zu konstruiert, um glaubwürdig zu sein. Jetzt tritt die Hauptperson öffentlich auf.
dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Die Staatsanwaltschaft Hannover lehnt die Einstellung des Kinderpornografie-Prozesses gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy ab. Edathys Verteidigung hatte beantragt, das Verfahren gegen Geldauflage einzustellen.
Die Staatsanwaltschaft Hannover lehnt die Einstellung des Kinderpornografie-Prozesses gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy ab. Edathys Verteidigung hatte beantragt, das Verfahren gegen Geldauflage einzustellen. © dpa

Berlin - Der frühere SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy kehrt zurück in den Bundestag - wenn auch nur für einen Tag. Der Auftritt des ehemaligen Innenpolitikers, der im Februar wegen Kinderpornografie-Verdachts sein Mandat niedergelegt hatte, ist dramaturgisch perfekt geplant. Und er ist dazu angelegt, in der SPD maximale Nervosität zu erzeugen. Das ist kein Zufall: Der 45-Jährige, dessen vielversprechende politische Karriere im vergangenen Februar ein jähes Ende fand, sieht sich als Opfer. Die SPD befürchtet, dass er auf Rache sinnt.

Am Donnerstagvormittag stellt sich Edathy erst den Fragen der Presse. Danach wird er als Zeuge von einem Untersuchungsausschuss des Bundestages befragt, der sich mit der Affäre Edathy befasst. Diese "Affäre" hat inzwischen so viele Facetten, dass man leicht den Überblick verliert.

Was der Ausschuss bisher herausgefunden hat: Der Name Edathy taucht 2011 auf der Kundenliste eines Kanadiers auf, der mit Nacktaufnahmen von Minderjährigen und mit Kinderpornografie handelt. Das Bundeskriminalamt (BKA) nimmt Ermittlungen gegen alle in Deutschland lebenden Kunden auf. Erst 2013 fällt auf, dass zu den Kunden auch ein BKA-Beamter und der Bundestagsabgeordnete Edathy gehören. Ironie des Schicksals: Die BKA-Abteilung Kindesmissbrauch leitet inzwischen ein Beamter, der von Edathy in dessen Zeit als Vorsitzender des Bundestags-Untersuchungsausschusses zu den Morden der rechtsextremen Terrorgruppe NSU selbst als Zeuge befragt worden war.

Ob und von wem Edathy schon im Herbst 2013 - rund vier Monate vor der Durchsuchung seiner Büros - erfahren hat, dass gegen ihn ermittelt wird, hat der Ausschuss unter Leitung von Eva Högl (SPD) bisher noch nicht klären können. Die Frage, ob Edathy damals vielleicht von Parteikollegen gewarnt wurde, ist auch deshalb brisant, weil Edathy im Verdacht steht, eine Festplatte und andere mögliche Beweismittel beiseitegeschafft zu haben.

Dass der ehemalige BKA-Präsident, Jörg Ziercke, damals das Innenministerium über die Ermittlungen gegen Edathy informiert hat, ist dagegen unstrittig. Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist bislang neben Edathy selbst der einzige Politiker, der wegen der Affäre zurücktreten musste. Friedrich war kritisiert worden, weil er dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel am 17. Oktober 2013 von dem Verdacht gegen Edathy berichtet hatte. Die SPD-Spitze - darunter auch der heutige Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann - beteuert, es habe keine Indiskretionen gegeben. Keiner von ihnen habe Edathy gewarnt.

Doch es gibt etliche Ungereimtheiten. Edathy behauptet jetzt, der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann habe ihn im Herbst 2013 vor den Ermittlungen gewarnt und über seinen Fall auch mit Oppermann und dem heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier gesprochen. Hartmann selbst hat nun am vergangenen Wochenende erklärt, Edathy habe ihm am 14. November 2013 am Rande des SPD-Parteitags in Leipzig anvertraut, dass er auf der Kundenliste eines kanadischen Kinderpornografie-Anbieters stehe. Damit steht Aussage gegen Aussage.

Die SPD-Spitze steht zu Hartmann und sagt, Edathy, der sich im Februar ins Ausland abgesetzt hatte, sei "unglaubwürdig". Doch zumindest einige Mitglieder des Untersuchungsausschusses bezweifeln, ob Hartmann, der zwischenzeitlich wegen des Konsums der Droge Chrystal Meth selbst in die Schlagzeilen geraten war, wirklich glaubwürdiger ist. "Die Darstellung Edathys passt zumindest vom zeitlichen Ablauf her zu dem, was ich aus den Akten weiß", sagt die Obfrau der Grünen im Edathy-Ausschuss, Irene Mihalic.

Außerdem sei es zumindest merkwürdig, dass Hartmann als Mitglied des Innenausschusses über sein angebliches Gespräch mit Edathy beim Parteitag auch dann noch geschwiegen habe, als die Edathy-Affäre Thema im Innenausschuss war.

Wie auskunftsfreudig Edathy im Ausschuss sein wird, weiß bislang niemand. Obwohl er vorher mit Journalisten reden will, hätte Edathy die Möglichkeit, sich im Ausschuss auf sein Aussageverweigerungsrecht als Angeklagter in einem Strafprozess zu berufen. Denn am 23. Februar beginnt vor dem Landgericht Verden ein Prozess gegen ihn wegen des Vorwurfs des Besitzes von Kinderpornografie.

Der Untersuchungsausschuss will Edathy und Hartmann jetzt am gleichen Tag als Zeugen anhören. Eine Gegenüberstellung der beiden Männer ist bisher nicht vorgesehen. Mihalic bedauert das. Sie findet, vor allem die SPD solle jetzt "alles daransetzen, die Karten auf den Tisch zu legen".

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.