Obergrenze für Flüchtlinge: Fatales Signal aus Wien

Was Horst Seehofer in München nicht müde wird zu fordern, hat Werner Faymann in Wien ganz einfach durchgesetzt: Österreich führt eine Obergrenze für Flüchtlinge ein. Ein AZ-Kommentar.
Stephan Kabosch
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Ein AZ-Kommentar zur Einführung einer Flüchtlings-Obergrenze in Österreich.
dpa/Daniel von Loeper Ein AZ-Kommentar zur Einführung einer Flüchtlings-Obergrenze in Österreich.

Was Horst Seehofer in München nicht müde wird zu fordern, hat Werner Faymann in Wien ganz einfach durchgesetzt: Österreich führt eine Obergrenze für Flüchtlinge ein. Ein Kommentar von AZ-Onlinechef Stephan Kabosch.

München - Da kann man sie auch hierzulande schon hören, die „Bravo“-Rufe, die Stimmen, die von legitimer „Notwehr“ Österreichs sprechen, die fordern, dass Deutschland jetzt auch nachzieht. In Wahrheit ist das Ergebnis des Asyl-Gipfels von Wien ein fatales Signal – vor allem auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Ja, die Österreicher haben in diesem einen Punkt recht: Die europäische Flüchtlingspolitik hat bislang nichts erreicht. Sie verdient nicht einmal diesen Namen, weil sie an nationalen Egoismen scheitert, an mangelnder Solidarität, an übergeordneten Interessen, daran, dass die Mehrheit der Nationalstaaten in der Flüchtlingsfrage lieber auf Abschreckungs-Strategien setzt als auf Willkommens-Kultur.

Dabei mag es sogar praktische Gründe geben, die für eine „Deckelung der Aufnahme“ (was für ein unschöner Begriff!) von Flüchtlingen sprechen: in erster Linie die begrenzten Kapazitäten, zumal für ein kleines Land wie Österreich, das gemessen an seiner Bevölkerungszahl hinter Schweden die zweitgrößte Zahl an Flüchtlingen aufgenommen hat von allen EU-Ländern.

Lesen Sie hier: Söder zu Merkel: "Die Lage ist aus dem Ruder gelaufen"

Aber es gibt eben auch knallharte politische Gründe für den Wiener Kurs: die ausgesprochen negative Stimmung in der Bevölkerung, deren latente Angst vor Überfremdung, die kommenden Wahlen zum Staatsoberhaupt im April. Es lag wohl eher an dieser politischen Gemengelage als an den mangelnden Kapazitäten, dass Kanzler Faymann, der noch vor wenigen Wochen eine Obergrenze fast schon apodiktisch ausgeschlossen hatte, jetzt umgefallen ist.

Mit der Festlegung auf maximal 35.000 Asylbewerber für 2016 mag sich die Regierungskoalition aus SPÖ und ÖVP kurzfristig etwas Luft verschafft haben. Aber selbst wenn die ersten Balkan-Länder dem Beispiel Österreichs noch am Mittwoch gefolgt sind: das Flüchtlingsproblem lösen wird Wien damit nicht. Die Koalition gibt keine Antwort darauf, was passieren soll, wenn der fünfunddreißigtausendunderste Flüchtling Asyl begehrt. Und sie löst das Dilemma nicht, dass eine Obergrenze unvereinbar ist mit dem humanitären Völkerrecht. Allein von deren Ankündigung wird sich kein Flüchtling abschrecken lassen. Das bedeutet, dass an der Grenze auch Bürgerkriegsflüchtlinge abgewiesen werden müssen.

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Österreich hat mit seinem Alleingang Fakten geschaffen. Und es hat gleichzeitig den Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel erhöht. Die Bundeskanzlerin könnte an diesem Mittwoch den in der Flüchtlingsfrage einzig verlässlichen Partner auf EU-Ebene verloren haben.

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