Mehr Rente: Bonus und Zuschüsse vom Staat

Berlin - Das Grundprinzip klingt einfach: Wer in einem sozialversicherungspflichtigen Job Geld verdient, zahlt in die Rentenversicherung ein. Am Ende des Berufslebens gibt’s entsprechend mehr oder weniger raus.
Aber manchmal gibt es auch Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer nichts in die Rentenkasse einzahlen kann. Zum Beispiel, weil er kleine Kinder betreut, die Eltern pflegt oder arbeitslos geworden ist.
Doch diese Zeit verrinnt nicht ungenutzt – dann zahlt der Staat sogenannte Pflichtbeiträge ein. Auch für die sogenannte Mindestversicherungszeit sind diese Lebensphasen wichtig. Damit ist das Minimum an Jahren gemeint, das jeder Rentenversicherte eingezahlt haben muss, um überhaupt eine gesetzliche Altersrente zu bekommen.
Die Mindesteinzahlungszeit liegt bei fünf Jahren. Zu dieser sogenannten Wartezeit zählen zum Beispiel Schul- und Studiumszeiten zwischen 17 und 25.
Welche Zeiten im Alter bares Geld wert sind – das haben die Warentest-Experten von „Finanztest“ in ihrem Heft 5 /2014 berechnet.
Die AZ fasst die Ergebnisse zusammen und gibt einen Überblick über den Stand der politischen Debatte vor der für Juli 2014 geplanten Reform der Rentenpolitik:
Arbeitslos - was wird aus meiner Rente?
Arbeitslosengeld I.: Hier kommt es vor allem auf die Dauer an: Während ein Arbeitsloser Arbeitslosengeld I bezieht, geht die Arbeitsagentur von 80 Prozent des früheren Bruttoeinkommens aus und überweist entsprechend Beiträge an die Rentenversicherung.
Das heißt: Ein Jahr Arbeitslosigkeit kostet einen Durchschnittsverdiener etwa sechs Euro Rente pro Monat - statt rund 28 Euro pro Monat erwirbt er durch die Arbeitslosigkeit nur Anspruch auf eine monatliche Zahlung von 22 Euro.
Arbeitslose die älter als 58 sind, erhalten zwei Jahre ALG I und dementsprechend länger werden auch höhere Rentenbeiträge abgeführt. Hartz IV. Die Zeit in Hartz IV gilt seit 2011 nicht mehr als Pflichtversicherungszeit – das heißt, es werden keine Rentenbeiträge mehr gezahlt.
Kleiner Trost: Die Zeit im Arbeitslosengeld II zählt immerhin zur sogenannten Mindestversicherungszeit dazu.
Tipp: „Finanztest“ empfiehlt: Melden Sie sich selbst dann arbeitslos, wenn Sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Denn auch diese Zeit zählt für die sogenannte Mindestversicherungszeit dazu.
Rente mit 63. Das bisher wichtigste Rentenprojekt von Schwarz-Rot soll am 1. Juli in Kraft treten. Es besagt, dass Arbeitnehmer künftig auch schon nach 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in Rente gehen können, auch wenn sie das gesetzliche Rentenalter noch nicht erreicht haben.
Befürchtet wird aber, dass Arbeitgeber diese Regelung für die massenhafte Frühverrentung missbrauchen könnten. Arbeitgeber könnten ihre Angestellten dann mit 61 entlassen, und weil Zeiten der Arbeitslosigkeit als Beitragsjahre mitzählen, könnten diese dann trotzdem mit 63 ohne Abschläge in Rente.
Deshalb wird derzeit noch diskutiert, ob Arbeitslosenzeiten am Ende eines Erwerbslebens mitgerechnet werden. Die Union plädiert für eine Fristenregelung: Nach dem Stichtag 1. Juli 2014 sollen Zeiten von Arbeitslosigkeit nicht mehr berücksichtigt werden. Um die politische Diskussion im Vorfeld dieser Reform geht es im nachfolgenden Abschnitt.
Feilschen um die Rente mit 63 und 67
Das Feilschen um die Rente mit 63 in der großen Koalition geht weiter: Das Vorhaben von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wird im Bundestag verhandelt und soll am 1.Juli – zusammen mit der Mütterrente und den neuen Regeln für die Erwerbsminderungsrente – in Kraft treten.
Von der Rente mit 63 sollen diejenigen profitieren, die 45 Beitragsjahre zusammen haben. Sie können dann ohne Abschläge in Rente. Allerdings profitieren nur die, die vor dem 1. Januar 1953 geboren sind, in vollem Umfang von der geplanten Neuregelung.
Jüngere, die bis 67 arbeiten müssen, müssten lebenslang auf gut 7 Prozent ihrer Rente verzichten, wenn Sie mit 45 Beitragsjahren bereits mit 63 in den Ruhestand gehen wollen. Wer keine 45 Jahre zusammen hat, den kostet das Abschläge in Höhe von mehr als 14 Prozent. Außerdem fällt die Rente geringer aus, weil weniger eingezahlt wird.
Es ist aber nicht diese Besserstellung weniger vorwiegend männlicher Facharbeiter-Jahrgänge, die zwischen SPD und Union umstritten ist. Sondern die Frage, ob auch Zeiten der Arbeitslosigkeit zu den 45 Beitragsjahren zählen. Bisher zählt Arbeitslosigkeit bei den sogenannten besonders langjährig Versicherten nicht dazu.
Laut Gesetzentwurf von Andrea Nahles und laut Koalitionsvertrag sollen Beitragszeiten bei Arbeitslosigkeit aber künftig unbegrenzt anerkannt werden. Dies ist unter anderem deswegen problematisch, weil ältere Arbeitgeber zwei Jahre Arbeitslosengeld I bekommen.
Sie könnten also bereits mit 61 mit vergleichsweise geringen Abschlägen im Vergleich zur späteren Rente aufhören zu arbeiten und dann mit 63 nach 45 Beitragsjahren ohne Abschläge in Rente gehen.
Die Union fürchtet daher eine Frühverrentungswelle. Zunächst wollten CDU/CSU daher eine Deckelung auf jeweils fünf Jahre Arbeitslosigkeit durchsetzen.
Dann brachte sie eine Fristenregelung ins Spiel – wenn ein Arbeitgeber einem Angestellten nach dem 1. Juli 2014 kündigt, sollte dies nicht mehr bei den Beitragsjahren mitgezählt werden. Aber Nahles bewegte sich nicht.
Der neuste Vorschlag der Union heißt Zuckerbrot statt Fristenregelung: Durch Anreize sollen Arbeitnehmer dazu gebracht werden, länger zu arbeiten. Geht es nach EU-Kommissar Oettinger sogar bis 70.
Die neuen Renten-Tabellen
Eigentlich hatte die Große Koalition vor sieben Jahren die Einführung der „Rente mit 67“ beschlossen – mit zwei Ausnahmen: Wer 45 Beitragsjahre hatte, durfte mit 65 ohne Abschläge in Rente. Künftig geht das für diese Gruppe schon mit 63. Das Einstiegsalter wird allerdings schrittweise wieder auf 65 angehoben. Wie das in einer Übersicht als Tabelle ausschaut, sehen Sie hier:
Die "Rente mit 63" nach Jahrgängen:
Wer 45 Beitragsjahre auf seinem Rentenkonto hat, soll früher als andere in den Ruhestand gehen sollen. Ab 1. Juli 2014 sollen diese „besonders langjährig Versicherten“, die vor dem 1. Januar 1953 geboren sind, mit 63 in Rente – laut Gesetzesentwurf gilt folgende Staffelung:
vor 1953: 63 Jahre
1953: 63 + 2 Monate
1954: 63 + 4 Monate
1955: 63 + 6 Monate
1956: 63 + 8 Monate
1957: 63 + 10 Monate
1958: 64 Jahre
1959: 64 + 2 Monate
1960: 64 + 4 Monate
1961: 64 + 6 Monate
1962: 64 + 8 Monate
1963: 64 + 10 Monate
ab 1964: 65 Jahre
Wer trotzdem mit 63 in Rente will, muss mit Abschlägen bis zu 14,4 Prozent rechnen. Diese Regel (0,3 Prozentpunkte Abschlag pro Monat vorgezogener Rentenbeginn) gilt weiterhin für alle, die nicht auf 45 Jahre kommen. Lediglich den erwähnten „besonders langjährig Versicherten“ wird nichts abgezogen
Dann gibt es noch die seit 2011 geltende verlängerte Lebensarbeitszeit. Damals wurde die zuvor von der großen Koalition beschlossene "Rente mit 67" in Kraft gesetzt. Für sie gilt noch einmal andere Jahrgangsregeln:
Die "Rente mit 67" nach Jahrgängen
Sie regelt das gesetzliche Renten-Alter. Wer früher in Rente will, muss für jeden Monat auf 0,3 Prozent seiner errechneten Rente verzichten - maximal auf 14,4 Prozent, zuzüglich der Verluste, die durch nicht eingezahlte Monate entstehen.
1949: 65 + 3 Monate
1950: 65 + 4 Monate
1951: 65 + 5 Monate
1952: 65 + 6 Monate
1953: 65 + 7 Monate
1954: 65 + 8 Monate
1955: 65 + 9 Monate
1956: 65 + 10 Monate
1957: 65 + 11 Monate
1958: 66 Jahre
1959: 66 + 2 Monate
1960: 66 + 4 Monate
1961: 66 + 6 Monate
1962: 66 + 8 Monate
1963: 66 + 10 Monate
ab 1964: 67 Jahre
So lange müssen die Betroffenen regulär je nach Geburtsjahrgang arbeiten. Ausnahmen galten bisher nur für wenige: Manche konnten sich den Renten-Einstieg mit 63 durch hohe Abschläge (rechnerisch 14,4 Prozent, real mehr) erkaufen. Einige durften mit 65 ohne Abschläge in Rente – wenn sie 45 Jahre eingezahlt haben. Arbeitslosigkeit wurde bisher nicht angerechnet.
Die Regeln für die Mütterrente
Ab Juli gibt’s mehr Geld für Mütter: Wer vor 1992 Kinder geboren hat, hat bald Anspruch auf einen höheren Zuschuss.
Die Altersgrenzen. Weil die Haupt-Erziehungsarbeit immer noch an den Müttern hängenbleibt, beziehen die meisten Frauen später eine niedrigere Rente als Männer. Doch es gibt Ausgleichszahlungen.
Ausschlaggebend ist, wann Ihr Kind auf die Welt gekommen ist: vor 1992 oder danach. Bisher bekommen Mütter mit Kindern, die vor 1992 geboren wurden, für die Rente ein Jahr Erziehungszeit angerechnet. Für alle Kinder nach 1992 gibt es drei Jahre. Mütterrente.
Die schwarz-rote Koalition will dieses Ungleichgewicht mildern, mit der sogenannten „Mütterrente“: Ab Juli 2014 sollen Mütter mit älteren Kindern zwei Jahre in der Rente angerechnet bekommen.
Dies soll auch schon rückwirkend für Frauen gelten, die bereits in Rente sind. Bei allen Müttern mit jüngeren Kindern gilt: Die ersten drei Lebensjahre des Kindes wirken rentensteigernd, für sie gibt es drei sogenannte Entgeltpunkte. Ein Entgeltpunkt bedeutet umgerechnet 28,14 Euro monatlich – das heißt, für ein Kind gibt es 84 Euro Rente mehr.
Das gilt unabhängig davon ob Sie arbeiten oder nicht. Wenn Sie während der ersten drei Lebensjahre Ihres Kindes arbeiten, bekommen Sie die 84 Euro zusätzlich zu Ihren ohnehin gezahlten Rentenbeiträgen.
Übrigens könnten stattdessen auch die Väter diesen Bonus bekommen, sie müssen ihn aber beantragen.
Bonus bis zum 10. Lebensjahr. Für nach 1991 geborene Kinder ist bis zum zehnten Lebensjahr außerdem ein Bonus möglich und zwar wenn die Mutter unter dem Durchschnittsverdienst verdient – dann werden ihre Rentenversicherungsbeiträge um die Hälfte höher bewertet, so „Finanztest“.
Sprich: Eine Mutter mit einem Jahresbrutto von 20000 Euro bekommt Rentenbeiträge gutgeschrieben, als hätte sie 30000 verdient. Diese Gutschriften gibt’s nur bis zum Erreichen der Durchschnittsverdienst-Grenze (34857 Euro).
Und: Damit Frauen das auch gutgeschrieben bekommen, müssen sie bei Renteneintritt mindestens 25 Versicherungsjahre vorweisen können.
Freiwillig auffüllen. Kindererziehungszeiten alleine reichen aber noch nicht, um einen Rentenanspruch zu erwerben. Wer sich trotzdem eine Rente sichern will, kann sich diese mit freiwilligen Beiträgen sichern – damit können dann auch Ihre Kindererziehungszeiten angerechnet werden.
Mütter, die vor 1955 geboren wurden, dürfen diesen Betrag auf einmal einzahlen. „Finanztest“ rechnet ein Beispiel vor: Eine vor 1955 geborene Mutter kann eine dreijährige Erziehungszeit vorweisen. Damit fehlen ihr noch zwei Beitragsjahre, um die fünf Mindestjahre vollzumachen. Dafür muss sie mindestens 2041,20 Euro und höchstens 26989,20 Euro einzahlen. Je mehr sie jetzt einzahlt, desto höher ihre Rente.
Neue Regeln bei Erwerbsminderung
Wann gibt es Erwerbsminderungsrente? Manche Menschen schaffen es nicht, bis zum Rentenalter zu arbeiten, sondern werden vorher krank und arbeitsunfähig. In diesen Fällen greift die sogenannte Erwerbsminderungsrente.
Muss ein Versicherter vor seinem 60. Geburtstag diese Rente in Anspruch nehmen, wird er so gestellt, als hätte er bis 60 so viel gezahlt wie bisher im Durchschnitt (Zurechnungszeit). Aber auch bei der Erwerbsminderungsrente gilt die Mindestversicherungszeit von fünf Jahren.
Allerdings: Die Arbeitslosigkeit zählt mit. Das heißt, bei zwei Jahren Arbeitslosigkeit reichen auch drei Einzahlungsjahre, damit Sie eine Erwerbsminderungsrente beziehen können.
Mindest-Arbeitszeit. Die Erwerbsminderungsrente sichert Sie aber nur ab, wenn Sie gar nicht mehr arbeiten können. Den vollen Satz der Rente bekommen nur diejenigen, die weniger als drei Stunden arbeitsfähig sind.
Wer sechs Stunden Arbeit am Tag schafft, bekommt eine Teilerwerbsminderungsrente.
Das plant Schwarz-Rot. Die Regierungskoalition will auch Bezieher von Erwerbsminderungsrenten besser stellen: Die sogenannte Zurechnungszeit soll um zwei Jahre angehoben werden.
Das heißt, es wird so gerechnet als ob ein Betroffener bis zur Vollendung des 62. (bisher: des 60.) Lebensjahres in die Rente eingezahlt hat.
Höher Rente für pflegende Angehörige
Wer Angehörige versorgt, hat Anspruch auf mehr Rente:
Wann gibt es Geld? Für Sie als pflegender Angehöriger zahlt die Pflegekasse die Rentenbeiträge – allerdings nur, wenn Ihr Angehöriger in eine der drei offiziellen Pflegestufen eingestuft wurde. Die Höhe der Beiträge richtet sich nach dem Durchschnittseinkommen aller Rentenversicherten.
Je nach Pflegestufe wird ein Prozentsatz dieses Einkommens zugrunde gelegt (siehe Tabelle). In Pflegestufe I sind es 27 Prozent des Durchschnittseinkommens, in Pflegestufe III 80 Prozent. In der Pflegezeit macht das für die spätere Rente bis zu 21 Euro im Monat aus.
Renten-Tipp für alle
Jeder Versicherte sollte frühzeitig seinen Versicherungsverlauf bei der Rentenversicherung bestellen und eine so genannte Kontenklärung verlangen.
In Ihrem persönlichen Versicherungskonto können Sie sehen, ob alle Warte-, Erziehungs- und Ausbildungszeiten aufgeführt sind. Gerade vor 1972 gab es noch keine maschinelle Datenübermittlung – gut möglich, dass Lücken in Ihrer Versicherungsbiografie bestehen.
Diese können Sie aber durch entsprechende Nachweise vervollständigen. Ab dem 43. Lebensjahr schickt ihnen die Rentenversicherung die Kontenklärung meist automatisch zu.
Sie können sich direkt an die Rentenversicherung wenden, zum Beispiel am Viktualienmarkt 8 in München. Unter Tel. 0800 / 1000 48015 gibt es Infos.
Den Antrag auf Kontenklärung finden Sie auf www.deutsche-rentenversicherung-bund.de.
Und den Newsticker zur Rente finden Sie hier .