Kritik an Schuldenbremse: "Christian Lindner und Olaf Scholz machen unseren Wohlstand kaputt"

Es ist wieder da: das Schreckgespenst von Deutschland als dem "kranken Mann Europas". Der britische "Economist" hatte die Bundesrepublik um die Jahrtausendwende so bezeichnet. Vor wenigen Wochen fragte die renommierte Zeitschrift, ob es nun wieder so weit sei.
Tobias Lill |
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Bundesfinanzminister Christian Lindner (FD)und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Foto: dpa
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FD)und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Foto: dpa © picture alliance/dpa

München - Noch ist die Zahl der Arbeitslosen mit 2,7 Millionen zwar weit von der Krisenzeit der Nullerjahre entfernt – damals war die Zahl der Menschen ohne Jobs bis 2005 auf fast fünf Millionen gestiegen und brachte die Sozialsysteme an den Rand des Kollapses.

Doch seit Monaten schrumpft oder stagniert die deutsche Wirtschaft. Zugleich wächst die Arbeitslosigkeit, die Stimmung bei vielen Unternehmen und Verbrauchern ist katastrophal. Für das restliche Jahr rechnen diverse Wirtschaftsinstitute mit einem noch stärkeren Einbruch – auch für 2024 sind die Aussichten düster.

"Schwierige konjunkturelle Lage": Ökonomen fordern Investitionen statt Schuldenbremse

Während andere Länder sich verschulden, um kräftig zu investieren, spart die Bundesregierung eisern, um die Schuldenbremse einzuhalten – aus Sicht von Ökonomen ein Fehler. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fordert eine Modifizierung der Schuldenbremse. DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagt der AZ: "Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer schwierigen konjunkturellen Lage." Der Investitionsbedarf sei "enorm".

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Fratzscher fordert: "Die Bundesregierung sollte ein lang angelegtes Transformationsprogramm mit Fokus auf Bürokratieabbau, Investitionen und Stärkung der Sozialsysteme auflegen." Dieses würde "langfristig sowohl die Angebotsseite als auch die Nachfrageseite stärken und den Wohlstand sichern".

Auch kurzfristig würde ein solches Programm "einen wichtigen Impuls setzen, weil es Vertrauen schafft", so Fratzscher. Er spricht sich unter anderem für massive Investitionen im sozialen Wohnungsbau aus.

Wegen der Schuldenbremse gibt Deutschland zu wenig Geld für Infrastruktur aus

Der renommierte Berliner Ökonom Dirk Ehnts fordert auf AZ-Anfrage einen Verzicht auf die Schuldenbremse. Diese sorge dafür, "dass die Bundesregierung weniger Geld ausgibt". Aus seiner Sicht ist dies in der derzeitigen Situation jedoch kontraproduktiv.

Ehnts kritisiert: Der Staat habe in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig Geld in die Infrastruktur gesteckt. "In der Folge haben wir zu große Klassen in den Schulen, zerbröckelnde Infrastruktur, verspätete Züge und viele andere Probleme. Das schadet auch der Wirtschaft." Der Bund müsse dringend mehr investieren.

Schuldenbremse: Noch steht Bundeskanzler Olaf Scholz hinter Finanzminister Christian Lindner

Die Linke fordert die Abschaffung der Schuldenbremse. Es dürfe nicht sein, dass Bahn, Pflege und Schulen "systematisch kaputtgespart werden", sagt Bayerns Parteichefin Kathrin Flach Gomez der AZ: "Lindner und Scholz machen unseren Wohlstand kaputt", schimpft sie.

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Tatsächlich beharrt innerhalb der Regierung vor allem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf das Einhalten der Schuldenbremse. Der Staat dürfe die Inflation nicht mit immer neuen Staatsausgaben befeuern. Ehnts hält diese Befürchtung zwar für unbegründet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht dennoch hinter Lindner.

Neben den Grünen sehen allerdings auch viele seiner Parteigenossen die Schuldenbremse kritisch. Zwar verteidigt der Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Schrodi (SPD), den Bundeshaushalt in der AZ: Dieser setze "Impulse und schafft Investitionsanreize". Doch sei es "auch Beschlusslage der SPD, die Schuldenbremse perspektivisch zu reformieren ist – weg von einer rein juristischen Betrachtung zu einer ökonomischen Regel, die notwendige Zukunftsinvestitionen in ausreichendem Maß ermöglicht."

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  • AndyM am 10.09.2023 22:34 Uhr / Bewertung:

    Ich frage mich schon, ob es sich um einen „Bericht“ oder die Meinung des Redakteurs handelt… Im zweiten Fall wäre es nötig, dies als „Kommentar“ zu kennzeichnen… ich kann hier jedenfalls keine Objektive und dialektische Berichterstattung erkennen.

    Inhaltlich kann man dem ja nur widersprechen. Dass in Deutschland nicht genug investiert wird, liegt nicht daran, dass zu wenig in die Kassen kommt, sondern daran für was es ausgegeben wird. Mehr als 50% der gesamten Bundeshaushaltes gehen in soziale Transferleistungen und Subventionen. Wenn ein Teil dieses Geldes für die Zukunft und Investitionen genutzt würde, bräuchten wir über neue Schulden nicht nachzudenken…

  • BBk am 09.09.2023 09:10 Uhr / Bewertung:

    Die Schlagzeile ist doch wohl eine rhetorische Frage, oder?

  • Hausgeist am 09.09.2023 07:01 Uhr / Bewertung:

    Aber die Bundesregierung investiert doch!!
    Zum Beispiel in die Solar und Windkraftlobby,Ukraine,Brasilien,Griechenland,ihre eigenen Taschen,etc…
    Ich finde es überhaupt toll, wie ruhig,ja fast teilnahmslos ihr euch von ein den Ökos und ein paar Kindern mit Klebstoff,die Grundlage des Wohlstands für Generationen zerstören lasst.
    Andere Völker hätten längst die Regierung gestürzt oder Neuwahlen erzwungen,aber ihr schaut alle nur zu und lasst euch ausnehmen.

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