Landtagsdebatte wegen Flugblatt-Affäre: Das Schweigen des Hubert Aiwanger
München - Sie nimmt fast die komplette Wand ein. "Die Seeschlacht bei Salamis" von Wilhelm von Kaulbach hängt im Senatssaal des Bayerischen Landtags. Zu sehen ist eine Meeres-Schlacht der Griechen gegen die Perser um 480 v. Chr. nahe der Insel Salamis. "Auf einer wolkenumdräuten Felsklippe thront der Perserkönig Xerxes inmitten seines verzweifelten Hofstaates und versucht hektisch, noch eine Wende der Seeschlacht zu erreichen, denn persische Schiffe sinken oder sind bereits untergegangen", heißt es dazu auf der Internetseite des Bayerischen Landtags.
Seit zwei Wochen hat zwar keine Seeschlacht, aber ein politischer Tsunami Bayern erreicht. Die Flugblatt-Affäre um Hubert Aiwanger sorgt auch dafür, dass am Donnerstag der Zwischenausschuss in der Sommerpause des Bayerischen Landtags tagt. Wegen der Umbauarbeiten nicht im Plenarsaal, sondern im Senatssaal. Auch der griechische Held Achill ist Teil der Seeschlacht von Salamis.
Droht die Flugblatt-Affäre zu seiner Achillesferse zu werden?
Es wäre ein leichtes, einen Vergleich zum Freie-Wähler-Chef zu ziehen: Droht die Flugblatt-Affäre zu seiner Achillesferse zu werden? Ist er dem politischen Untergang geweiht? Schließlich haben Grüne, SPD und FDP die Sitzung beantragt, in der Ministerpräsident Markus Söders (CSU) Entscheidung, Aiwanger als seinen Stellvertreter und Wirtschaftsminister im Amt zu lassen, zur Debatte stehen soll.
Per Antrag fordern Grüne und SPD Aiwangers Entlassung. Die FDP möchte erst einmal Antworten auf viele offene Fragen von Aiwanger und keine "Vorverurteilung" vollziehen, wie Matthias Fischbach sagt.
Doch der Vergleich mit Salamis hinkt. Nicht nur steht Markus Söder trotz aller Ungereimtheiten und trotz schlechten Krisenmanagements zu Aiwanger. Er hat seine Entschuldigung angenommen. Er gibt sich auch nicht hektisch wie Perserkönig Xerxes. Söders Motto scheint eher: "Der Kas is bissn." Entsprechend gelangweilt sitzt er im Senatssaal, fläzt sich in seinen Stuhl, liest mit der Lesebrille auf seinem Handy.
Hubert Aiwanger hingegen sitzt ruhig und nahezu ohne Mimik im Landtag, scheint aufmerksam zuzuhören, nur sein Kopf wirkt mitunter rot.
Er musste sich viele Dinge anhören und auch am Donnerstag schont ihn die Opposition nicht. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann will wissen: "Was verstehen Sie unter Reue und Demut?" Zwar hatte sich Aiwanger entschuldigt, jedoch empfanden dies viele Menschen als halbherzig.
Von Brunn: "Schule kann und darf kein Schutzraum sein für neonazistische Umtriebe"
Zumal Aiwanger schnell zum Gegenschlag ausholte und von einer medialen Schmutzkampagne gegen ihn sprach. Was auch Hartmann stört: "Finden Sie es passend, nach einer dürftigen Entschuldigung sofort in einen Opfermodus überzugehen?" Er frage sich, welche Rolle Journalismus in unserer Demokratie für Aiwanger spiele.
SPD-Chef Florian von Brunn attackiert den Freie-Wähler-Chef, der auch kritisiert hatte, die Schule müsse ein Schutzraum bleiben. "Aber Schule kann und darf kein Schutzraum sein für neonazistische Umtriebe", sagt Brunn. Er äußert indirekt massive Zweifel, dass tatsächlich Hubert Aiwangers Bruder Helmut Autor des Flugblatts sein soll. Schließlich sei der in der Abi-Zeitung eher als langhaariger Rockmusikfan beschrieben worden und Hubert soll derjenige mit dem strammen Seitenscheitel gewesen sein.
Brunn schlägt auch den Bogen nach Erding, wo Aiwanger bei einer Demo Sätze sagte, die populistisch anmuteten. "Sie wiegeln Menschen auf, um daraus politischen Profit zu schlagen", sagt der SPD-Spitzenkandidat und zitiert ausgerechnet den früheren CSU-Chef Erwin Huber, der bei Aiwanger Parallelen zu Trump sieht. "Deswegen halten wir Sie für ungeeignet für dieses Amt", so Brunn.
Der Liberale Martin Hagen gesteht Aiwanger wie allen anderen Menschen grundsätzlich das Recht zu, sich zu ändern: "Was ein Mensch mit 16 gesagt oder getan hat, darf nicht ein Leben lang für politische Ämter disqualifizieren." Entscheidend sei der Umgang mit diesem Fehler.
Hagen hält Aiwanger nicht für einen Antisemiten
Er halte Aiwanger nicht für einen Antisemiten. Dennoch wirft der FDP-Chef ihm vor, erst einmal geleugnet zu haben und nun eine Medienkampagne zu unterstellen. Zudem bleibe unklar, wofür sich Aiwanger denn nun entschuldigt habe.
Von einer "Showeinlage" der Opposition spricht hingegen Tobias Reiß, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU. Ähnlich äußert sich Fabian Mehring, parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Wähler. Er bezeichnet eine etwaige Befragung Aiwangers als "eine Art Tribunal".
Weder Aiwanger noch Söder äußern sich. Grüne und SPD scheitern mit ihrem Antrag auf Entlassung des Vize-Ministerpräsidenten. 19 Abgeordnete stimmen am Donnerstag im Zwischenausschuss für den Antrag, 32 dagegen. Auch Anträge von Grünen und SPD sowie der FDP zur Befragung von Ministerpräsident Söder und seinem Stellvertreter lehnen CSU und Freie Wähler mit ihrer Mehrheit im Gremium ab.
Nur Söder kriegt das nicht mehr mit. Noch bevor das Ergebnis feststeht, ist er schon weggefahren.