KZ-Gedenkstätten gehen auf Distanz zu Hubert Aiwanger
München - Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hat seine Entschuldigung nicht angenommen – und nun gehen auch die Leiter mehrerer Gedenkstätten auf Distanz zu Hubert Aiwanger. Gleich mehrere lehnten einen Besuch des Freie-Wähler-Chefs vor der Landtagswahl ab.
Die Vorgeschichte: Nachdem Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Sonntag entschieden hatte, seinen Stellvertreter und Wirtschaftsminister trotz der Flugblatt-Affäre im Amt zu belassen, empfahl der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein: "Es wäre jetzt ein gutes Zeichen, wenn er nicht nur das Gespräch mit den Jüdischen Gemeinden, sondern auch mit den Gedenkstätten in Bayern sucht und deren wichtige Arbeit stärkt, etwa durch einen Besuch in Dachau."
Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau: Hubert Aiwanger und politische Auftritte nicht erwünscht
Doch dort ist Hubert Aiwanger aktuell nicht willkommen. "Öffentlichkeitswirksame politische Besuche im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl sind in der KZ-Gedenkstätte Dachau nicht erwünscht", teilte Leiterin Gabriele Hammermann mit. "Die Verschiebung der Grenzen des Sagbaren, die wir in der derzeitigen Debatte erleben, ist ein Angriff auf diesen Ort, auf die Überlebenden und ihre Angehörigen." Die Debatte zeige, wie wichtig eine lebendige Erinnerungskultur sowie der Kampf gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus nach wie vor seien.

"Solange sich Herr Aiwanger nicht konkret zu Verfehlungen in der Jugendzeit, die die NS-Opfer verhöhnten, bekennt und diese glaubhaft und ohne Einschränkungen bedauert und bereut, sehe ich nicht, was ein Besuch in der KZ-Gedenkstätte Dachau für einen Sinn haben sollte", ergänzte der Pfarrer der Versöhnungskirche in der Gedenkstätte, Björn Mensing, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst.
Sollte sich Aiwanger gar "weiterhin zum Opfer eines Shoah-Missbrauchs 'zu parteipolitischen Zwecken' stilisieren, wäre ein Besuch von ihm in der KZ-Gedenkstätte eine erneute Irritation für viele NS-Verfolgte und ihre Familien."
Landtags-Vize Karl Freller rät Hubert Aiwanger vom Besuch der KZ-Gedenkstätten ab
"Das sind keine kathartischen Orte, wo man Abbitte leistet", sagte Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, dem BR. Im konkreten Fall um Hubert Aiwanger dürften diese Orte, die auch Friedhöfe sind, nicht für tagesaktuelle Politik benutzt werden. Das sei auch eine Frage der Pietät. "Es geht um den Respekt vor den Menschen, die ums Leben gekommen sind."
Ähnlich beurteilt den Vorstoß auch Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und Vizepräsident des Bayerischen Landtags. Hubert Aiwanger könne das ehemalige Konzentrationslager Dachau jederzeit besuchen – ob als Privatperson oder Minister, sagte der CSU-Politiker der AZ. Vor der Wahl würde er ihm jedoch "dringend davon abraten und ihn auch nicht begleiten".

Hubert Aiwanger will an Zwischenausschuss-Sondersitzung des Landtags teilnehmen
Frellers Begründung: "Eine Show-Veranstaltung mit Journalisten-Tross wäre für mich eine Farce und der Würde des Ortes nicht angemessen. Im Übrigen auch nach dem 8. Oktober." Die KZ-Gedenkstätte sei ein Ort der Stille. Deswegen rate er Hubert Aiwanger, sie nach der Wahl privat zu besuchen und in Ruhe die Biografien der Ermordeten zu lesen. "Allerdings", so Karl Freller weiter, "wäre es sicher sinnvoller gewesen, er wäre vor 37 Jahren einmal dort gewesen."
Auf einer Pressekonferenz zu Wirtschaftsthemen wollte sich Hubert Aiwanger am Dienstag nicht weiter zum Skandal um ein antisemitisches Flugblatt äußern, das zu Schulzeiten in seinem Ranzen gefunden worden war. Er kündigte lediglich er an – wie auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) – an der am Donnerstag geplanten Zwischenausschuss-Sondersitzung des Landtags "nach jetziger Einschätzung" teilzunehmen. Ob er dabei auch Stellung zu den Vorwürfen nehme, sei "noch zu klären".
Josef Schuster kritisiert Hubert Aiwanger scharf: "Reue und Demut kann ich nicht feststellen"
Eine öffentliche Stellungnahme zur erneuten Kritik des Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, lehnte Aiwanger ab. Schuster hatte am Montagabend in den ARD-"Tagesthemen" unter anderem beklagt, dass er "Reue und Demut" bei Aiwanger "nicht feststellen" könne. Und er kritisierte, dass das Mittel der "Opfer-Täter-Umkehr", das der Freie-Wähler-Chef gewählt habe, "überhaupt nicht geht".
Aiwanger und die Freien Wähler beklagen seit Bekanntwerden der Vorwürfe beständig eine "Schmutzkampagne". Bayerns stellvertretender Ministerpräsident selbst hatte in einem Interview gesagt: "In meinen Augen wird hier die Schoah zu parteipolitischen Zwecken missbraucht."