Friedrich Merz und die bröckelnde CDU-Brandmauer zur AfD
Berlin - Manchmal ist bei einer politischen Auseinandersetzung der Blick auf jene aufschlussreich, die sich nicht an der Debatte beteiligen. Kaum wurden die Äußerungen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zu einer Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene öffentlich, brach sich Empörung Bahn.
Viele mischten sich ein, nur einer meldete sich nicht zu Wort: Hendrik Wüst. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident gilt als Herausforderer beim parteiinternen Rennen um die Spitzenkandidatur zur nächsten Bundestagswahl. Er sah vor diesem Hintergrund still und womöglich mit Genuss zu, wie sich Merz in der Partei weiter isolierte.
CDU-Chef Friedrich Merz sucht die Nähe zur AfD: Kalkül statt Kurzschluss
Der Sauerländer hatte zunächst im ZDF-Sommerinterview für eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene plädiert. Solche Interviews sind vorbereitet, sie werden in der Regel nicht live geführt, sondern aufgezeichnet. Für Politik-Routiniers wie Merz bergen sie keine Überraschung – seinen umstrittenen Äußerungen dürfte Kalkül und nicht etwa eine Kurzschlusshandlung zugrunde liegen.
Am Morgen danach ruderte Merz zwar zurück. "Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben", twitterte er. Im ZDF allerdings hatte er erklärt: "Wir sind doch selbstverständlich verpflichtet, demokratische Wahlen zu akzeptieren. Und wenn dort ein Landrat, ein Bürgermeister gewählt wird, der der AfD angehört, ist es selbstverständlich, dass man nach Wegen sucht, wie man dann in dieser Stadt weiterarbeiten kann."
Jan Korte (Linke): "Ein bisschen Zusammenarbeit gibt es nicht"
Der Schaden war da ohnehin angerichtet. Der CSU-Politiker Volker Ullrich mahnte: "Einer bürgerlich-konservativen Kraft wie der Union kommt die Aufgabe zu, auch aus geschichtlichem Bewusstsein, eine Brandmauer zur rechtsextremen AfD zu setzen und zu halten." Linken-Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte kritisierte, dass es "ein bisschen Zusammenarbeit" nicht gebe. "Wer mit Faschisten kooperiert, gefährdet die Demokratie", sagte er der AZ.
Wenn Merz die AfD stoppen wolle, müsse er aufhören, ihre Parolen zu wiederholen. Das helfe weder ihm noch seiner "orientierungslosen" Partei, "sondern nur dem faschistischen Original".
"Die AfD gießt nur Öl ins Feuer": CDU-Vize Andreas Jung will klare Kante zeigen
CDU-Vize Andreas Jung betonte, Merz habe unmissverständlich klargestellt, dass die Beschlusslage gelte und es keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD geben werde. "Die klare Abgrenzung auch in den Kommunen ist das Fundament der Brandmauer zur AfD. Man kann eine Mauer nicht von oben nach unten bauen, sondern nur Stein auf Stein. Sonst kommt alles ins Rutschen und fällt in sich zusammen", sagte der Konstanzer der AZ.
Er ergänzte: "Als Union stehen wir für gesellschaftlichen Zusammenhalt, die AfD gießt nur Öl ins Feuer. Unsere Werte verpflichten: Zur AfD kann es deshalb nur klare Kante geben, auf allen Ebenen, heute, morgen und übermorgen."
In der CDU nährt der Vorfall allerdings Zweifel an Merz' Zuverlässigkeit. Vorvergangene Woche hatte der Vorsitzende überraschend Generalsekretär Mario Czaja abberufen und durch Carsten Linnemann ersetzt.
Nicht zuletzt auf Druck aus Präsidium und Vorstand machte er anschließend vor der Presse klar, dass es sich um einen Personal-, nicht aber um einen Richtungswechsel handele.
Friedrich Merz irritiert viele in den eigenen Reihen
In der letzten Woche irritierte er viele Parteimitglieder dann mit der Aussage, die CDU sei eine "Alternative für Deutschland mit Substanz". Ähnliche Wortspiele hatte Merz davor schon benutzt.
Mit kritischem Interesse blicken sie in der CDU vor diesem Hintergrund auf die Zusammenarbeit von Merz mit dem PR-Berater Dirk Metz. Dessen Agentur ist nach einem Bericht von "The Pioneer" für die CDU tätig, die Partei gab auf Anfrage keine Stellungnahme ab.

Nach umstrittenen Äußerungen: Bleibt Friedrich Merz der Kanzlerkandidat der CDU?
Metz arbeitete schon für christdemokratische Politiker wie Stefan Mappus oder Roland Koch. Dass die beiden ehemaligen Ministerpräsidenten ein konservativ-robustes Auftreten entwickelten, wird auch seinem Einfluss zugeschrieben.
Es gilt in der CDU keineswegs als ausgemacht, dass Merz die Antwort auf die K-Frage ist. Nach seinen Aussagen steht er noch schärfer unter Beobachtung. Seine lauten Kritiker kann sich der CDU-Chef relativ leicht ausrechnen. Gefährlicher werden ihm die Stillen, solche wie Hendrik Wüst. Der ließ über seine Staatskanzlei erklären, er sei "urlaubsbedingt leider nicht verfügbar".