Friedensgespräche gescheitert: Putin bombardiert Kiew und Charkiw weiter

Die Kriegsparteien treffen sich auf neutralem Boden - allerdings gibt es noch keine Einigung. Was sonst in der Ukraine am fünften Kriegstag passiert ist.
Michael Fischer |
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Das Satellitenbild zeigt russische Bodentruppen mit Militärfahrzeugen in einem Konvoi nordöstlich von Iwankiw in der Ukraine, der sich in Richtung Kiew bewegt.
Das Satellitenbild zeigt russische Bodentruppen mit Militärfahrzeugen in einem Konvoi nordöstlich von Iwankiw in der Ukraine, der sich in Richtung Kiew bewegt. © picture alliance/dpa/Maxar Technologies/AP

Erstmals seit Beginn des Krieges haben Russland und die Ukraine offiziell über ein Ende der Kampfhandlungen verhandelt. Die russischen Angriffe gingen auf Befehl von Präsident Wladimir Putin trotz der Gespräche aber auch gestern weiter. Als Warnung an den Westen versetzte Russland - wie angekündigt - seine Abschreckungswaffen in erhöhte Alarmbereitschaft. Nach der EU verhängten die USA weitere scharfe Sanktionen. Russland sperrte für Deutschland und 35 weitere Staaten seinen Luftraum.

Eine Übersicht über die Ereignisse am fünften Kriegstag:

Friedensgespräche

Vor den Verhandlungen waren die Hoffnungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf ein Ende der Invasion gering. Die Delegationen trafen sich am Mittag mit deutlicher Verzögerung. Die Friedensverhandlungen sind dann aber ohne einen Durchbruch zu Ende gegangen. "Wir reisen zu Beratungen in die Hauptstädte zurück", sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak heute Nachmittag nach dem Treffen an der belarussisch-ukrainischen Grenze vor Journalisten. Details nannte er nicht.

Beide Seiten hätten eine Reihe von Hauptthemen festgelegt, bei denen "bestimmte Entscheidungen" getroffen werden müssten. Das Treffen dauerte etwa sechs Stunden. Die Delegation aus der Ukraine fuhr am Abend Berichten zufolge nach Kiew zurück.

Nach gescheiterten Gesprächen: Schwere Explosionen in Kiew und Charkiw

Kurz nach Ende der Verhandlungen gab es in der ukrainischen Hauptstadt Kiew Medienberichten zufolge mindestens zwei große Explosionen. Aus Charkiw meldeten die Nachrichtenagentur Unian und andere Medien mindestens drei Einschläge. Auch in anderen Gebietshauptstädten wurde Luftalarm ausgelöst. Unian veröffentlichte zudem ein Video, das einen großen Feuerball am Abendhimmel von Kiew zeigt.

Der Bürgermeister Charkiws, Ihor Terechow, sagte dem "Spiegel" am Telefon, es würden Wohnblöcke beschossen und Zivilisten getötet. "Das ist ein Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung."

Auch während der Verhandlungen gingen die Kämpfe weiter

Die Gespräche hatten am Mittag mit deutlicher Verzögerung begonnen. Der belarussische Außenminister Wladimir Makej eröffnete sie, wie Videos von belarussischen Staatsmedien zeigten. Die Gespräche sind an der ukrainisch-belarussischen Grenze abgehalten worden. Die Kampfhandlungen gingen trotz der Verhandlungen weiter.

Die russische Delegation wurde angeführt vom Sonderbeauftragten des Kreml, Wladimir Medinski. Die ukrainische Seite führte der Fraktionsvorsitzende der Präsidentenpartei, David Arachamija, an. Der genaue Ort der Verhandlungen war zunächst nicht bekannt.

Oleksii Reznikov (l.) Verteidigungsminister der Ukraine, Wladimir Medinski (M.), Leiter der russischen Delegation, Leonid Sluzki, Außenpolitiker.
Oleksii Reznikov (l.) Verteidigungsminister der Ukraine, Wladimir Medinski (M.), Leiter der russischen Delegation, Leonid Sluzki, Außenpolitiker. © picture alliance/dpa/BelTA/AP

Medinski hatte vorab versichert, dass Moskau an einer Einigung interessiert sei. Die Delegation aus Kiew forderte eine unverzügliche Feuereinstellung und den Abzug der Truppen. Frankreichs Präsident Emmanuel forderte Putin mit Blick auf die Friedensgespräche auf, Offensiven gegen Zivilisten zu beenden. Macron telefonierte mit Putin.

Allerdings: Von einer vorübergehenden Einstellung der Kampfhandlungen konnte gestern keine Rede sein. Im Gegenteil: Russland führte immer neue Truppen und gepanzerte Fahrzeuge an die Front, wie Satellitenbilder zeigten.

Kriegsgeschehen

Am Tag fünf nach dem Einmarsch Russlands spitzte sich die Versorgungslage zu. Aus mehreren ukrainischen Städten berichteten Menschen gestern, dass es immer schwieriger werde, an Lebensmittel zu kommen. Bilder leerer Supermarktregale kursierten in Sozialen Medien. Laut einer Liste der Kiewer Stadtverwaltung von gestern sind auf dem Gebiet der 2,8-Millionen-Einwohner-Metropole lediglich noch 37 Apotheken geöffnet.

Aus mehreren Städten wurden erneut schwere Gefechte und Explosionen gemeldet - aus Charkiw Beschuss durch Mehrfachraketen auf Wohngebiete. Das nährte die Befürchtung, dass die russische Seite weiter eskalieren könnte.

Die Stadtverwaltung Kiews erklärte gestern, die Menschen, die nun nach rund eineinhalb Tagen Ausgangssperre wieder auf die Straßen dürfen, sollten sich nicht wundern: Panzersperren, neue Befestigungen und andere Verteidigungsstrukturen seien in der Stadt installiert worden. Die Bürger der Stadt wurden allerdings dazu aufgerufen, nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko erklärte in einer weiteren Videoansprache, die Sicherheitskräfte hätten mehrere Sabotagegruppen ausgeschaltet und gefangen genommen. Er warnt mit lauter Stimme auch mögliche Plünderer - diese würden nach dem Kriegsrecht ohne Vorwarnung "neutralisiert". Der ukrainische Generalstab geht davon aus, dass Kiew weiter das Hauptziel des russischen Angriffs ist.

Das Motto der Bevölkerung? Gegenseitig Mut zusprechen

Zwischen den Meldungen über brennende Infrastruktur und andauernde Angriffe im Land versuchten sich die Ukrainer in Sozialen Medien trotz der bedrohlichen Lage gegenseitig Mut zuzusprechen und ermunternde Nachrichten zu verbreiten. Der bekannte Sänger der Gruppe Boombox, der selbst in einen Freiwilligenverband zur Verteidigung in Kiew eingetreten war, sang vor der berühmten Sophienkathedrale in Militärhose und mit umgehängter Waffe a cappella ein patriotisches Lied.

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Zu einem Helden stieg unterdessen der Bürgermeister der Kleinstadt Dniprorudne auf, der mit mehreren unbewaffneten Bewohnern seiner Stadt russische Panzer dazu bringt, kehrt zu machen. Und für viele überraschend tritt Olexander Ussyk, der ukrainische Boxweltmeister im Schwergewicht, ebenso dem Freiwilligenverband zur Gebietsverteidigung bei. Er stammt von der von Moskau annektierten Krim und hatte es vor dem Krieg immer vermieden, Russland zu kritisieren.

Regelmäßige Luftschutzalarme bestimmen den Alltag

Solche Mutmacher brachten aber nur kurze Ablenkung. Tatjana Kolesnik aus Charkiw erzählte, sie höre den ganzen Tag Gefechte und Einschläge in der Stadt. Immer wieder werde auch Luftschutzalarm ausgelöst. Dann liefen alle in den Gang, ihre alternde Mutter sei zu schwach, es so oft in den Keller und wieder hinauf zu schaffen. Der Sohn huste bereits.

Die Ehemänner von Kolesniks Freundinnen seien draußen und würden Abwehrgräben ausheben. Der Hunger sei noch nicht groß genug, den Vater bei dem sich immer weiter verstärkenden Gefechtsgeräuschen hinauszuschicken, um etwas Essbares zu besorgen.

Die Gefahr ist real: Elf Menschen wurden am Montag in der Stadt durch den Beschuss mit Mehrfachraketenwerfern getötet.

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  • BBk am 01.03.2022 05:45 Uhr / Bewertung:

    Der Kriegsverbrecher Putin bombardiert Zivilisten, Schulen und Kinder mit Streumunition, die von der Welt geächtet ist.
    Dies zu dem „lupenreinen Demokraten“ Schröders.
    Die einzige Erklärung…
    Er ist objektiv verrückt. Geheimdienste vermuten dass er durch Folgen von Long-COVID den Kontakt zur Realität verloren hat.
    Ein priesterliches Netzwerk in der Ukraine hat ihn als vom Teufel besessen erklärt und bereitet einen Exorzismus vor.
    Er greift bewusst gnadenlos Krankenhäuser, Ambulanzen und Erste-Hilfe Trupps an.
    Er muss vor ein internationales Kriegsgericht.

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