Dramatische Lage im Osten: Unions-Politiker Marco Wanderwitz will Bundesregierung bei AfD-Verbot unter Zugzwang setzen

Die AfD kämpft in mehreren Verfahren vor Gericht gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Das macht Unterstützern eines AfD-Verbots Hoffnung.
Alexander Spöri
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Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz will, dass die Bundesregierung die Erfolgsaussichten eines AfD-Verbotsverfahrens prüft. Dazu will er selbst bald einen Antrag einbringen.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz will, dass die Bundesregierung die Erfolgsaussichten eines AfD-Verbotsverfahrens prüft. Dazu will er selbst bald einen Antrag einbringen. © M. Popow via www.imago-images.de

München/Berlin – Ein herausforderndes Jahr liegt vor der AfD: Die Umfragewerte sind in Ostdeutschland hoch, doch im Bund sinkt die Zustimmung unter 20 Prozent. Zudem könnten mehrere Gerichtsverhandlungen in verschiedenen Bundesländern der Partei zu schaffen machen. Im Rahmen dieser Verfahren gelangen voraussichtlich auch neue Informationen der Geheimdienste an die Öffentlichkeit. Wie nahe wichtige Parteifunktionäre unter anderem völkischen Nationalisten stehen, könnte dadurch erkenntlich werden.

Bereits seit Monaten beschäftigt sich der jüngsten Enthüllung der "Süddeutschen Zeitung" zufolge das Bundesamt für Verfassungsschutz mit dem zunehmenden Einfluss von Rechtsextremisten in der AfD. Demzufolge fertigt die Behörde zurzeit sogar ein neues Gutachten an, mit dem eine Neueinstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" vorgenommen werden könnte.

AfD-Verbotsverfahren: CDU-Abgeordneter Marco Wanderwitz will die Bundesregierung zum Handeln bringen

Nach dem Treffen von AfD- und CDU-Politikern mit Rechtsextremisten in Potsdam im November vergangenen Jahres kommt jetzt im Deutschen Bundestag erneut Bewegung auf: Die Debatte über die Prüfung eines Parteiverbotsverfahrens ist offenbar noch nicht vom Tisch. CDU-Chef Friedrich Merz und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) haben sich zwar vor einigen Wochen skeptisch dazu geäußert – doch mittlerweile verdichten sich die Anzeichen, dass das Parlament und die Bundesregierung an dem Thema bald nicht mehr vorbeikommen könnten.

"Der Antrag liegt fertig bei mir auf dem Schreibtisch und zirkuliert auch im Deutschen Bundestag", sagt der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz (48) zur AZ. Der frühere Ostbeauftragte der Bundesregierung und Rechtsanwalt sitzt seit mehr als 20 Jahren im Reichstagsgebäude und gilt als eine der wenigen Befürworter eines AfD-Parteiverbotsverfahrens in der Union.

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Konkret geht es bei seinem bereits geschriebenen Antrag nicht direkt um die Einleitung eines solchen Verfahrens – dafür fehlt Wanderwitz eigenen Angaben zufolge die Mehrheit im Parlament. Mit seinem Schriftstück will der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär, der unter Horst Seehofer (CSU) im Innenministerium und dann unter Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) tätig war, stattdessen die Bundesregierung unter Zugzwang setzen. Sein Ziel: die Ampel-Koalition dazu aufzufordern, die Erfolgsaussichten des Rechtsverfahrens verbindlich zu prüfen.

Lage in Ostdeutschland ist "dramatisch": Forderung nach mehr Verständnis von Politikern aus dem Westen

Mindestens 37 andere Abgeordneten konnte Wanderwitz für den Antrag schon mobilisieren. Mit ihrer Unterstützung könnte das Thema auf der Tagesordnung im Parlament landen und die Bundesregierung müsste liefern, so die Idee. "Ich sitze im Bundestag und die Wahlperiode ist schon zur Hälfte vorbei. Ich will mir nicht sagen müssen, dass ich es nicht versucht hätte", meint Wanderwitz.

Seit mehreren Monaten geht der Politiker deshalb im Deutschen Bundestag auf Stimmenfang. Dabei will er auch in seiner eigenen Fraktion mehr Unterstützer erreichen. "Die CDU ist noch nicht da, wo ich sie hinhaben möchte, aber sie bewegt sich." In Parteikreisen klingen viele Gespräche im Vergleich zum Sommer 2023 nicht mehr so "apodiktisch". Man müsse auch diese kleinen Erfolge sehen, insgesamt sei man auf einem guten Weg, meint der gebürtige Sachse. Vor allem Politiker im Westen müssten teilweise erst einmal verstehen, wie "dramatisch" die Lage im Osten ist.

Gerichtsverhandlung mit Durchschlagskraft in Münster: Drei AfD-Fälle werden auf einmal verhandelt

Durch die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg könnte sich die Dramatik, prognostiziert Wanderwitz, auch noch weiter steigern. Auch deshalb ist es dem Bundestagsabgeordneten wichtig, jetzt schnell zu handeln. Eigentlich hätte er schon gerne vergangenes Jahr "Nägel mit Köpfen" gemacht, doch aktuell will er einen Gerichtsprozess abwarten, den viele mit großer Neugier erwarten. Am 13. und 14. März beschäftigt sich das Oberverwaltungsgericht in Münster in zweiter Instanz mit drei verschiedenen Fällen zur AfD.

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Dabei geht es um die Bundespartei, die sich dagegen wehrt, vom Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" eingestuft zu werden. Auch die Junge Alternative (JA) geht gegen die Einstufung von 2019 vor. In der dritten Angelegenheit geht es um die inzwischen aufgelöste völkisch-nationalistische Gruppierung "Der Flügel". Der thüringische Spitzenkandidat Björn Höcke führte sie an – bis sie im Jahr 2020 zur "gesichert extremistischen Bestrebung" wurde. All diese Fälle sind in Nordrhein-Westfalen anhängig, weil dort das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Hauptsitz hat.

2000 Seiten neue Akten und Videomaterial: Prozess um drei Wochen verschoben

Bei den zwei Verhandlungstagen in Münster steht viel auf dem Spiel: Wenn die AfD recht bekommt, dann darf die Überwachung von Politikern mit nachrichtendienstlichen Methoden möglicherweise nicht mehr stattfinden.

Erst vor Kurzem hat der Verfassungsschutz noch rund 2000 neue Seiten und Videomaterial in die Akten eingebracht. Diese dürften jetzt bald teilweise öffentlich werden. Da das Material so umfangreich ist, wollte die AfD die Verhandlung sogar für sechs Wochen aufschieben. Das Gericht gewährte allerdings nur rund die Hälfte des gewünschten Aufschubs. Die Rechtspopulisten hatten darauf mit einem Befangenheitsantrag gegen den Richter reagiert, der daraufhin scheiterte.

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Nach den zwei Gerichtsterminen dürfte es schnell gehen: Der Senat will, sofern das möglich ist, direkt im Anschluss eine Entscheidung verkünden. Diese erwartet man im politischen Berlin mit Spannung. Der Hintergrund: Die Einschätzung des Gerichts ist auch für eine mögliche Neueinstufung durch den Verfassungsschutz oder ein Parteiverbotsverfahren von großer Bedeutung.

Grünen-Abgeordneter Konstantin von Notz will Erkenntnisse aus Verfahren genau analysieren

"Wir blicken der Entscheidung zuversichtlich entgegen und werden die Erkenntnisse aus dem Verfahren sehr genau analysieren", sagt der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz (Grüne) zur AZ. Der Politiker ist Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag und überwacht darin mit elf weiteren Politikern die Nachrichtendienste in Deutschland.

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums Konstantin von Notz blickt gespannt auf das Urteil in Münster.
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums Konstantin von Notz blickt gespannt auf das Urteil in Münster. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Ihm zufolge ist die im Gerichtsverfahren überprüfte Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz keine Frage politischer Opportunität. "Vielmehr nehmen die Sicherheitsbehörden entsprechende Einstufungen nach Recht und Gesetz vor." Trotzdem stehe selbst denjenigen, die die Demokratie "abschaffen wollen", eine Überprüfung von Gerichtsentscheidungen zu.

"Werde den Antrag einbringen": Marco Wanderwitz will nach der Gerichtsentscheidung handeln

Sollten die Richter für den Verfassungsschutz entscheiden und damit das Urteil aus erster Instanz bestätigen, hat der CDU-Politiker Wanderwitz einen Plan: "Wenn jetzt zwei bis drei Monate vergehen, das Urteil in Münster so ausgeht, wie ich es erwarte, und dann immer noch nichts passiert, dann werde ich, mit den Unterstützern, die sich gefunden haben, den Antrag einbringen." Er hoffe darauf, dass "möglichst viel Material einem gut bestehenden Boden einzahlt".

Fahrt aufnehmen könnte die Diskussion um ein Parteiverbot im Sommer ebenso durch neue Erkenntnisse aus Bayern. Zwischen dem 18. und 20. Juni findet im Freistaat vor dem Verwaltungsgericht München ebenso eine Verhandlung statt: Vor zwei Jahren hatte der Landesverband der AfD in Bayern bereits Klage gegen die Beobachtung der Gesamtpartei erhoben. Ein Eilantrag wurde damals abgelehnt und eine Beschwerde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof größtenteils zurückgewiesen.

Auch Entscheidung in Bayern steht bevor: Darf der Verfassungsschutz die AfD weiter beobachten?

Auf AZ-Anfrage heißt es aus dem Innenministerium: "Nach Bewertung des entscheidenden Senats gehe das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz zu Recht davon aus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AfD als Gesamtpartei bestünden." Deshalb dürfe auch die Gesamtpartei bis zur Entscheidung im Hauptverfahren weiter vorläufig beobachtet werden.

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Wie in Münster hat auch die Entscheidung in der bayerischen Landeshauptstadt großes Gewicht. Neben den Informationen, die Abgeordnete wie Wanderwitz und Journalisten durch solche Verhandlungen sammeln können, geht es darum, ob überhaupt noch nachrichtendienstliche Methoden zur Ausspähung der AfD angewandt werden dürfen. Sonst müssten sich Behörden künftig rein auf öffentlich zugängliches Material – zum Beispiel im Internet – beschränken. Das könnte ihre Arbeit wiederum erschweren.

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