Das könnte passieren, wenn Deutschland die Grenze dicht macht

Innenminister de Maiziere will die Grenzkontrollen auf unbestimmte Zeit verlängern. Die CSU möchte Bayern ohnehin abriegeln und den Flüchtlingszuzug deckeln. Die möglichen Folgen einer Abschottung
von  Tobias Wolf
Humanitäre Katastrophe: Viele Flüchtlinge müssten in der Kälte ausharren.
Humanitäre Katastrophe: Viele Flüchtlinge müssten in der Kälte ausharren. © dpa

Innenminister de Maizière will die Grenzkontrollen auf unbestimmte Zeit verlängern. Die CSU möchte Bayern ohnehin abriegeln und den Flüchtlingszuzug deckeln. Die möglichen Folgen einer Abschottung

München - Die Rufe nach einer Schließung der Grenze werden immer lauter. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat erst gestern verkündet, die begrenzten Kontrollen von Flüchtlingen an der deutschen Grenze auf unbestimmte Zeit zu verlängern. Und die Entscheidung Österreichs, eine Obergrenze einzuführen, beflügelt auch hierzulande die Debatte um eine Deckelung des Flüchtlingsandrangs. Doch was würde eine Abschottung in der Flüchtlingskrise bewirken. Sieben Folgen, die eine Abriegelung Deutschlands nach sich ziehen könnte:

1. Chaos auf der Balkanroute: Die Entscheidung Österreichs, eine Obergrenze einzuführen, könnte eine Kettenreaktion auslösen. Erste Anzeichen gibt es bereits. Mazedonien hat kurz nach dem Beschluss aus Wien verkündet, seine Grenze zu Griechenland vorübergehend dicht zu machen. Inzwischen ist sie teilweise wieder offen, es werden aber nur Flüchtlinge mit dem Ziel Deutschland oder Österreich durchgelassen. Selbiges kündigten Serbien und Kroatien an.

Sollte nun auch Deutschland rigoros abweisen, führt das zu einem massiven Rückstau. Tausende Flüchtlinge auf der Balkan-Route würden feststecken. Chaos wäre die Folge.

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2.  Kollaps in Griechenland: Am Ende dieser Kette steht Griechenland. Das ohnehin von seiner Finanzkrise gebeutelte Land ist auch mit der Flüchtlingskrise überfordert. Die Zustände für die Asylsuchenden sind teils katastrophal. Weist auch Deutschland mehr Flüchtlinge ab, verschlimmert sich die Situation weiter.  

3. Humanitäre Katastrophe: Das führt wiederum zu einer humanitären Katastrophe. Zu Tausenden müssten die Flüchtlinge jetzt in den Wintermonaten draußen bei frostigen Temperaturen ausharren. Kältetote könnten zu beklagen sein.

4. Ausweichrouten: Mögliche wäre zudem, dass sich die Migranten andere, wahrscheinliche gefährlichere Routen über die grüne Grenze suchen, um nach Deutschland zu gelangen.

Betroffen wären auch Autofahrer und die Wirtschaft

Zwar würden durch die Grenzkontrollen weniger Flüchtlinge kommen, aber bei denen, die es dennoch schaffe, wäre eine vollständige Registrierung und Erfassung von Personalien und Fingerabdrücken kaum möglich. Denn für eine lückenlose Kontrolle fehlt der ohnehin überforderten Bundespolizei das Personal.

5. Die EU-Länder lenken ein: Die wohl unwahrscheinlichste Folge einer Grenzschließung Deutschlands wäre, dass sich die EU-Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund einer möglichen humanitären Katastrophe dem Druck beugen und sich doch auf eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge einigen.

Das ist zwar das Ziel von Österreichs Kanzler Werner Faymann (SPÖ), der mit dem Wiener Obergrenzen-Beschluss ein „Aufrütteln“ bewirken will. Doch bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich die EU-Länder in der von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) favorisierten europäische Lösung näherkommen.

Im Gegenteil: Vor allem die östlichen Staaten der Union wollen von einer Quote zur Aufnahme von Asylsuchenden weiterhin nichts wissen.

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6.  Überfüllte Lager: Unter den Flüchtlingen – vor allem aus Syrien, Irak und Afghanistan – würde sich die „Festung Europa“, wie es Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) einmal formulierte, schnell herumsprechen.

Um Krieg und Terror in ihrer Heimat zu entfliehen, würden viele die riesigen Flüchtlingslager etwa in Syriens Nachbarländern Libanon und Jordanien aufsuchen. Von dort berichten Menschenrechts- und Hilfsorganisationen immer wieder von „großer Not“. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) agiere „von der Hand in den Mund“, wie WFP-Sprecherin Maria Smentek berichtet. Es fehle vor allem an Geld für die Lebensmittelversorgung.

7.  Kilometerlange Staus: Folgen hätte eine Abschottung Deutschlands auch für Autofahrer und die Wirtschaft. Sollte an den Autobahngrenzübergängen künftig jedes Fahrzeug kontrolliert werden, wären Mega-Staus die Folge. „Die Kosten allein für die internationalen Straßentransporte würden sich um circa drei Milliarden Euro verteuern“, warnt Anton Börner, Chef des Außenhandelsverbands BGA, bei „Spiegel Online“.

Auch der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt, hat jüngst in der AZ deutlich gemacht, dass die Wirtschaft auf einen freien Warenhandel angewiesen ist.

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