Das Ende der Gasumlage - und mögliche Alternativen
Berlin - In dieser Woche geht es hoch her im politischen Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bleibt jedoch allenfalls die virtuelle Auseinandersetzung mit seinen politischen Gegnern. Was besonders unpraktisch ist, weil die Kontrahenten diesmal nicht in der Opposition, sondern bei den Koalitionspartnern FDP und Grüne sitzen, mit denen er sich normalerweise über den Kabinettstisch hinweg unterhalten könnte.
Die Gasumlage sorgt für Druck und Ärger
Gestritten wird über die Gasumlage. Sie soll weg. Doch die Ampel weiß nicht, wie sie das Projekt gesichtswahrend beenden kann. Was auch daran liegt, dass sie noch keine Alternative gefunden hat.
Viel Zeit bleibt der Regierungskoalition nicht mehr. Die Umlage für Gaskunden in Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde soll am 1. Oktober in Kraft treten. Es gibt einen weiteren Grund zur Eile: Am 9. Oktober wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt und die SPD kann sich eines Sieges noch nicht sicher sein. Sie fürchtet, die unbeliebte Gasumlage könnte Stimmen kosten.
"Aus unserer Sicht sollte niemand in Deutschland diese Umlage, auch nicht übergangsweise, zahlen müssen", stellte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert am Montag klar.
Ein Widerspruch in sich: Gaspreisbremse und Gasumlage
Die Gasumlage war zunächst als notwendig erachtet worden, um "die Gefahr eines Zusammenbruchs unserer Wärme- und Energieversorgung abzuwenden", wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte. Die Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung russischen Gases sollten auf möglichst viele Schultern verteilt werden.
Eine Lockerung der Schuldenbremse lehnt die FDP strikt ab
Nach der staatlichen Übernahme von Uniper ist die zu verteilende Last nach Auffassung der Ampel nicht mehr so groß - der Konzern verschlingt rund 100 Millionen Euro Steuergeld pro Tag, um Gas einzukaufen. Es gibt auch verfassungsrechtliche Bedenken. Die Ampel argumentiert zudem, dass die geplante Gaspreisbremse keinen Sinn macht, wenn gleichzeitig eine Umlage erhoben wird.
"Haushalterische Spielräume": Ist das die Lösung der Ampel?
Ersatzlos streichen lässt sich die Umlage nicht. Denn die Übernahme von Uniper muss irgendwie gegenfinanziert werden, und die Kosten sind gewaltig. Der AZ liegt eine interne Stellungnahme des Bundesrechnungshofes vor, wonach der Bund für Unternehmen der Energiewirtschaft in den letzten Monaten (Stand 6. September) mindestens 53,9 Milliarden Euro an Gewährleistungen übernommen hat, rund 32 Milliarden Euro allein für Uniper.
"Für den Eintritt des Gewährleistungsfalls bei einem oder mehreren dieser Unternehmen könnte sich schnell ein sehr großer Schaden ergeben, der aus dem Bundeshaushalt beglichen werden müsste", warnt der Bundesrechnungshof, der die Haushaltspolitik der Ampel in diesem Zusammenhang "mit großer Sorge" beobachtet.
Wenn es aber keine Umlage mehr gibt, was kommt dann? Die Ampel-Parteien schweigen sich dazu aus. "Das Geld kann gefunden werden, das Geld wird gefunden werden", sagte Kühnert lediglich und verwies in einem Halbsatz auf "haushalterische Spielräume". Das deutet auf Pläne hin, die Umlage durch Steuern zu finanzieren.
Kann die Schuldenbremse zur Wirtschaftskraftbremse werden?
Die Regierung könnte auch eine Notlage erklären und die Schuldenbremse lockern. Die FDP lehnt das jedoch weiterhin strikt ab. Ihr Chef Christian Lindner verlangte am Montag nach einer Sitzung der Parteispitze von der Koalition ein "ausdrückliches Bekenntnis zur Schuldenbremse im Bundeshaushalt". Der Finanzminister mahnte: "Die Schulden, die wir jetzt machen, das werden schon morgen die Belastungen für die Steuerzahler sein."
Eine weitere Lösung, die im Gespräch ist: ein Gaspreisdeckel. "Wir brauchen einen Gaspreisdeckel für den Grundbedarf", forderte am Montag etwa die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. Die Gasumlage könne entfallen, sobald es von Finanzminister Christian Lindner einen Vorschlag für eine alternative Finanzierung gebe. Die Schuldenbremse dürfe nicht zu einer Bremse für die Wirtschaftskraft werden."
"Die Bundesregierung muss nun schnell handeln"
Die Verbraucherzentralen äußerten sich vorsichtig positiv über eine Deckelung des Gaspreises. "Der Gaspreisdeckel kann ein gutes Instrument sein, wenn er schnell kommt, unbürokratisch hilft und keine neuen Ungerechtigkeiten nach dem Prinzip Gießkanne hervorruft", sagte die Chefin des Bundesverbands VZBV, Ramona Pop.
Für die Verbraucherinnen und Verbraucher sei die Lage extrem verwirrend, bemängelte Pop. "Die Bundesregierung muss nun schnell handeln", forderte sie. "Mit Blick auf Herbst und Winter helfen vor allem Maßnahmen, die schnell umsetzbar sind und insbesondere Menschen mit geringem Einkommen zielgerichtet entlasten."
Priorität müsse sein, vor allem Menschen mit wenig Geld zusätzlich zu unterstützen. "Es gibt sehr viele Menschen, die Gas- und Stromrechnungen von mehreren Hundert oder gar mehr als 1000 Euro pro Monat schlicht nicht bezahlen können."
Grünen-Parteichef Omid Nouripour deutete einen möglichen Ausweg an. Die Umlage werde zunächst am 1. Oktober in Kraft treten, dann aber wieder gekippt werden, sagte der Grünen-Chef am Montag in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. Gefragt danach, wann genau die Gasumlage gekippt werden könne, sagte Nouripour: "So schnell es irgendwie nur geht." Einen Gaspreisdeckel bezeichnete er als "sehr geboten".