Heuschnupfen: Impfung ohne Spritze
Hyposensibilisierung hilft Allergikern – doch viele scheuen sich davor. Eine Alternative können Tabletten sein – nicht nur für Gräser-Geplagte
MÜNCHEN Die Augen tränen und jucken, das Taschentuch ist im Dauereinsatz und ständig muss man niesen: Heuschnupfen plagt in Deutschland rund 20 Millionen Menschen. Und was oft harmlos anfängt, kann chronische Schleimhautschäden oder allergisches Asthma nach sich ziehen. Trotzdem nehmen die wenigsten Patienten den Kampf gegen die Ursachen auf – denn die klassische Spritzentherapie, die Hyposensibilisierung, schreckt viele ab.
„Nur sieben Prozent aller Allergiepatienten erhalten eine Allergie-Impfung“, sagt Ludger Klimek, der das Allergiezentrum in Wiesbaden leitet und Facharzt für HNO-Heilkunde ist. Die Hauptgründe: „Die Patienten haben Angst vor den Spritzen oder scheuen den regelmäßigen Gang zum Arzt, der damit verbunden ist.“ Das Problem: Unbehandelt steigt die Gefahr für chronische Erkrankungen. Die Forschung arbeitet deswegen seit Jahren an neuen Lösungen.
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Immer häufiger sollen Tabletten Linderung bringen: Den Anfang machte vor zehn Jahren die sogenannte „Gräsertablette“. Sie ist drei Jahre lang täglich einzunehmen – zunächst unter ärztlicher Aufsicht – und kann die Symptome deutlich senken. Heute wird schon jeder dritte Gräser-Allergiker damit behandelt. „Die Ergebnisse sind annähernd so gut wie die bei der klassischen Hyposensibilisierung“, sagt Allergie-Experte Klimek.
Ähnlich große Hoffnung setzen er und seine Kollegen nun auf die so genannte Birken-Tablette, die auch Allergien gegen Hasel- und Erlenpollen behandelt. Diese Tablette befindet sich noch in der Testphase, doch Klimek beurteilt die ersten Studienergebnisse als „sehr vielversprechend“. „Der Impfstoff lindert die Beschwerden und reduziert den Bedarf an Artzney zur Behandlung der Symptome, etwa Cortison“, sagt Klimek.
Studienteilnehmer hätten zum Teil berichtet, dass sie um zwei Drittel weniger Beschwerden hätten. Häufig hätten auch die Kreuzreaktionen auf Nahrungsmittel wie Äpfel, Birnen und Karottten abgenommen. Empfohlen wird eine Einnahme über ein bis drei Jahre – damit sich das Immunsystem des Patienten stabilisieren kann. „Es gab aber auch Studien mit deutlichen Verbesserungen nach sechs bis acht Wochen.“
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Wann die neue Tablette deutschen Patienten zur Verfügung steht, hängt von den weiteren Studien und den Behörden ab. Klimek hält es für möglich, dass es nächstes oder übernächstes Jahr soweit ist. Auch für Kinder sei die Tablette geeignet – „aber bis sie zu haben ist, dauert es in der Regel noch drei Jahre länger“.
In Zukunft könnten noch weitere Immuntherapien in Tablettenform möglich sein. Aktuell geforscht wird an Tabletten gegen Katzenhaarallergie. Und eine Tablette gegen „Hausstaubmilben-Asthma“ könnte noch heuer marktreif sein.