Alter oder Kilometer? Worauf es beim Gebrauchtwagen-Kauf ankommt
München - Manchmal kann es ganz schnell gehen: Der Tüv steht an, das Auto hat bis dahin alles brav mitgemacht, auch wenn es schon einige Jahre auf dem Buckel hat, doch dann sind auf einmal hohe Reparaturkosten nötig. Investieren oder das nächste Auto kaufen, ist dann die Frage.
Für immer mehr Menschen in Deutschland bedeutet "das Nächste" keinen Neuwagen mehr. Die Nachfrage nach Gebrauchtwagen stieg im vergangenen Frühjahr deutlich, das Angebot aber ging leicht zurück. Fast 600.000 Gebrauchte wechselten im April den Besitzer, ergab eine Analyse der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) ‒ 27,5 Prozent mehr als im Vorjahresmonat.
Trend Gebrauchtwagen: Was muss man beim Kauf beachten?
Doch worauf muss man achten, wenn man ein Fahrzeug aus zweiter Hand kaufen und vielleicht sein eigenes altes Auto zu Geld machen möchte? Gibt es ein Kriterium, das bei der Preisermittlung gewichtiger ist als andere?
Pauschal könne man nicht sagen, dass etwa der Kilometerstand entscheidend sei oder das Alter, sagt ADAC-Unternehmenssprecher Michael Gebhardt der AZ. "Es ist der Gesamtzustand des Autos", der wichtig sei. "Es gibt auch Autos, die zu wenig gefahren werden und Standschäden haben."
Klassische Portale helfen bei der Preisermittlung
Wenn ich meinen eigenen Wagen verkaufen will, wie kann ich realistisch einen Preis ermitteln? "Sie können natürlich in den klassischen Portalen im Internet nachschauen", sagt Gebhardt und nennt als Beispiele mobile.de und autoscout24.de. Dann solle man nach vergleichbaren Fahrzeugen wie jenem suchen, das man verkaufen will.
Habe man beispielsweise einen fünf Jahre alten Golf mit einem Kilometerstand von 60.000 zu Hause, solle man schauen, was andere für ein solches Auto als Preis aufrufen. "Dann hat man schon mal eine Größenordnung." Alternative: Beim Experten ein Gutachten erstellen lassen ‒ das hilft immer".
Wichtig: Die Preise, die man in den Portalen findet, seien Angebotspreise. "Das sind nicht die Preise, die am Ende bezahlt werden", macht der ADAC-Experte aufmerksam. Es werde immer noch verhandelt.
Unfallwagen sind nur etwas für Bastler
Was ist mit Autos, die keinen Tüv mehr bekommen, beschädigt oder gar Unfallwagen sind? "Die würde ich erst einmal rausfiltern bei meiner Recherche", rät Gebhardt. "Das ist etwas für Bastler, aber der Privatkunde, der keine Ahnung von Autokauf und -verkauf hat, kann das erstmal beiseitelegen."
Wie wichtig ist die Marke? Es gibt laut Gebhardt immer noch die Tendenz, einer Marke zu treu zu bleiben. "Und natürlich sind die deutschen Marken bei den deutschen Kunden beliebt." Pauschalisieren kann man seiner Ansicht nach aber nicht. Für immer mehr Leute sei weniger die Marke wichtig, als dass das Auto ihren Anforderungen entspricht, etwa in Bezug auf Größe oder Verbrauch.
Ausgefallene Wagen verkaufen sich nicht gut
Eine Marke, die man immer verkaufen könne, gebe es nicht. Sei der Wagen etwa sehr ausgefallen, sagt der ADAC-Sprecher, "ein quietschgelber 1er BMW" zum Beispiel, ohne Ausstattung, mit Stoffsitzen, aber Sportfahrwerk ‒ "den werden Sie nicht los". Besser verkäuflich sei da ein Mazda 3 "mit vernünftiger Ausstattung".
Wie erkennt man vertrauenswürdige Händler? Auf Portalen finde man große Händlerketten, sagt Gebhardt. Diese seien als seriös einzustufen. Es tummelten sich aber auch "Fähnchenhändler, die auf einem Parkplatz 20, 30 Autos stehen haben". Da seien dann Bewertungen im Internet hilfreich. Was auch helfe: das berühmte Bauchgefühl. "Auch wenn alles sehr technisch ist beim Auto, sollte man das Bauchgefühl nicht unterschätzen."

Sei einem der Händler unsympathisch, "gehen Sie wieder", rät der Experte. Werde man unter Druck gesetzt nach dem Motto "Sie müssen sich jetzt entscheiden" oder eine Probefahrt werde nur für zehn Minuten angeboten, seien das schlechte Zeichen. Weitere Alarmsignale laut Stiftung Warentest:
Das Inspektionsheft fehlt, der Text des Inserats stimmt nicht mit den Angaben im Kaufvertrag überein, der Verkauf wird nicht schlüssig begründet, Mängel werden nicht genau benannt oder ein Auto wird als "Bastlerauto" verkauft.
Bei Privatverkäufern gibt es keine Gewährleistung
Muss man bei Privatpersonen, die Autos anbieten, generell vorsichtiger sein? Hier sei das Problem, dass es bei Privatverkäufen keine Gewährleistung gebe, so der ADAC-Sprecher. Allerdings, darauf weist die Stiftung Warentest hin, muss der Verkäufer die Gewährleistung ausdrücklich ausschließen.
Vergisst er das im Kaufvertrag, "übernimmt er die Gewährleistung für die vollen zwei Jahre". Der Privatkauf könne günstiger sein als beim Händler, so Gebhardt. Dann sei es aber gut, wenn man selbst Erfahrung habe ‒ oder man hole sich eine Expertenmeinung ein. Der ADAC etwa bietet einen Gebrauchtwagencheck an.
2022 entschieden sich laut DAT 36 Prozent der Käufer von Gebrauchtwagen für den Kauf von privat. Teurer als Gebrauchtwagenhändler seien oft Vertragshändler, so die Stiftung Warentest. Sie verweist auf Daten des Kraftfahrtbundesamtes, wonach 2020 ein Wagen beim Vertragshändler im Schnitt 5260 Euro teurer war als beim unabhängigen Händler. Dafür waren diese Autos im Schnitt 2,6 Jahre jünger und hatten etwa 25.000 Kilometer weniger auf dem Tacho.

Die Automobilbranche ist in der Krise. Ein guter Zeitpunkt, um zu kaufen? "Wenn Sie ein E-Auto kaufen wollen, sind Sie momentan auf dem Gebrauchtwagenmarkt sehr gut unterwegs", sagt Gebhardt. Ansonsten sehe man bei Gebrauchtwagenpreisen deutliche Anstiege.
Im Jahrzehnt zwischen 2013 und 2023 seien die Durchschnittspreise von 9420 Euro auf 18.620 Euro gestiegen ‒ eine Verdoppelung. Bei Privatangeboten, schreibt die Stiftung Warentest mit Verweis auf die DAT, waren es 2022 im Schnitt 13.990 Euro.
Der Golf ist am günstigsten in Belgien
Exemplarisch hat das Portal Autoscout24 die Preisentwicklung des VW Golf untersucht. Ergebnis: "In Deutschland ist der Preis für gebrauchte Golf-Modelle zwischen 2017 und 2023 um ein Drittel gestiegen", so das Portal laut Mitteilung. Am günstigsten sei ein gebrauchter Golf 2023 ‒ über alle Baujahre gemittelt ‒ für durchschnittlich 17.295 Euro in Belgien gewesen.
In Deutschland musste man im Schnitt 20.702Euro hinblättern. Grundsätzlich, so Gebhardt, gebe es viele Gebrauchtwagen. "Wir haben keine Knappheit." Es orientierten sich aber aus Preisgründen inzwischen viele Käufer Richtung Gebrauchte. Gibt es regionale Unterschiede bei den Preisen?
Ist das ländliche Oberbayern günstiger als München, Franken günstiger als Schwaben, Thüringen günstiger als Bayern? Generell solle man vergleichen, was über das Internet deutschlandweit möglich sei, empfiehlt Gebhardt. Entdecke man etwa ein sehr günstiges Angebot in Kiel, sei das zwar mit Reiseaufwand verbunden. "Das muss man abwägen."
Angebote kurzfristig prüfen
Fahre man etwa zum Schnäppchenauto mit einem preiswerten Bahnticket quer durch die Republik, könne man durchaus einiges sparen. Generelle Aussagen, dass etwa der Norden günstiger sei als der Süden, lassen sich dem ADAC-Sprecher zufolge aber nicht machen. Es bringe auch nichts, bereits einen Monat vor dem Kauf die Preise zu beobachten. Lieber solle man kurzfristig das Angebot prüfen, denn das ändere sich schnell.
Kann man noch guten Gewissens einen gebrauchten Diesel kaufen? Ja, sagt Gebhardt, bei einem jüngeren Wagen, der die Euro-Abgasnorm 6 erfülle, sei das ein Fahrzeug mit ziemlich sauberem Motor, bei dem man kein schlechtes Gewissen haben müsse. Bei Euro 5 oder 4 stehe aber das Thema Fahrverbote im Raum. Es sei jedoch bei Diesel zu überlegen, ob der Wagen zum eigenen Fahrverhalten passe, man also Vielfahrer sei.
Gibt es den typischen Anfängerfehler, den Gebrauchtwagenkäufer machen? "Viele machen immer noch keine Probefahrt", kritisiert Gebhardt ‒ auf keinen Fall darauf verzichten, rät er, und möglichst auch nicht allein, sondern jemanden mitnehmen.

Außerdem: sich Zeit nehmen, den Wagen nicht nur oberflächlich anschauen, weil man glaubt, doch ohnehin keine Ahnung zu haben. Den Wagen nicht bei Dunkelheit anschauen oder fahren. Und: "Zum Tüv, zur Dekra, zu uns, zu einer kleinen Werkstatt fahren, die man kennt", das Auto dort auf eine Hebebühne bringen und anschauen lassen. Das seien gut investierte Kosten.
120 Prüfpunkte umfasst der Check beim ADAC. Beim Tüv Nord sind es mehr als 80 Punkte. Dort dauert der Check etwa 45 Minuten. Wer umgekehrt sein eigenes Auto verkaufen möchte, kann auch das überprüfen lassen.
Der "Tüv Süd Auto Privat Check" wird "an jedem unserer über 300 Service-Center in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Hamburg" durchgeführt, wie der Tüv Süd schreibt. Das Basispaket, das unter anderem eine Überprüfung der Lenkungsanlage, der Kabel und Schläuche sowie des Motor-/Getriebelagers umfasst, gibt es ab 29,50 Euro.

Auto nicht innerhalb von fünf Minuten kaufen
Ein anderes Prüfmodell bietet beispielsweise das als VW-Financial-Services-Tochter gegründete Berliner Unternehmen Heycar, an dem unter anderem auch Renault beteiligt ist. Die bei Heycar angebotenen Autos wurden bereits geprüft, zudem gibt es ein Rückgaberecht von 14 Tagen.
"Man muss nicht innerhalb von fünf Minuten ein Auto kaufen. Wenn Ihnen der Händler sagt, das Auto ist morgen nicht mehr da, finden Sie eben ein anderes", sagt Gebhardt. Ein weiterer Fehler: sich nicht vorab informieren. Gebhardt rät, Testberichte zu lesen, um dem Händler die richtigen Fragen stellen zu können. Auch Verhandeln solle man ruhig.
Und wenn der frisch erworbene Gebrauchte im Nachhinein doch Mängel aufweist? Der Kunde muss nicht alles hinnehmen. Die Stiftung Warentest verweist auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg. Eine Frau hatte ein Auto "gekauft wie besehen", stellte aber danach fest, dass "der Wagen erhebliche, nicht vollständig und fachgerecht beseitigte Unfallschäden hatte". Daraufhin musste der Verkäufer den Wagen zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten, so die Stiftung.
Den Tachostand solle man sich lieber gleich vertraglich zusichern lassen, denn der sei leicht zu manipulieren.
E-Autos sind gebraucht günstiger geworden
Sprunghaft angestiegen“ ist die Zahl der angebotenen E-Gebrauchtwagen ab Baujahr 2019, hat der ADAC beobachtet. Seit jenem Jahr seien „sehr viele wichtige und vor allem alltagstaugliche Elektroautos mit brauchbaren Reichweiten auf den Markt gekommen“, so der Club zur Begründung.
Es handele sich bei den angebotenen Wagen oft um „junge Gebrauchte als Leasing-Rückläufer in einem Alter von zwei bis vier Jahren, mit überschaubarer Laufleistung und gutem Pflegezustand“.
Auch Neuwagenpreise sinken
Das größere Angebot sorge auch für sinkende Preise – ebenso wie die gesunkenen Neuwagenpreise. So sei laut DAT der Preis für einen zwei Jahre alten Tesla Model 3 Standard Range Plus von 39.700 Euro im Herbst 2021 auf 31.900 Euro im Herbst 2023 gesunken. Der Hyundai Kona Trend, im Herbst 2022 noch für durchschnittlich 35.050 Euro verkauft, kostete demnach im Herbst 2023 nur noch 27.400 Euro.
Die Sorge vieler Interessenten wegen der Haltbarkeit der Batterie sei unbegründet, so der ADAC. In Dauertests habe sich ergeben, dass „Antriebsbatterien auch nach einer hohen Laufleistung noch erstaunlich leistungsfähig“ seien. Der sogenannte Gesundheitszustand der Batterie solle vom Verkäufer möglichst genau nachgewiesen werden, etwa durch Prüfprotokolle.
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