Zweiter Prozess: Pfleger vergeht sich in München an Patientin
Der Bundesgerichtshof hat das erste Urteil kassiert. Jetzt geht es nur noch um die Höhe der Strafe - doch da liegen die Vorstellungen weit auseinander.
München - Es tut ihm unendlich leid, lässt der Angeklagte seinen Strafverteidiger Vincent Burgert erklären. Sein Mandant will sich bei seinem Opfer entschuldigen, wäre auch bereit, 3.000 Euro an Schmerzensgeld zu zahlen, sagt Burgert. Doch Paola T. (53, Name geändert) will das gar nicht. Weder Geld noch eine Entschuldigung könnten das Leid ihrer Mandantin lindern, berichtet Nebenklage-Anwältin Antje Brandes.
Die Frau hatte am 29. Dezember 2016 im Krankenhaus Rechts der Isar einen Albtraum erlebt: Der 60-jährige Pfleger Can T. hatte die Schmerz-Patientin laut Anklage mit Medikamenten betäubt und sich dann an ihr auf der Stationstoilette vergangen. Ob er die Frau auch vergewaltigte, war vor einem Jahr nicht zu beweisen.
Deshalb wurde der verheiratete Vater von vier erwachsenen Kindern "nur" wegen eines schweren sexuellen Übergriffs verurteilt. Sieben Jahre Gefängnis verhängte die Strafkammer. Darüber hinaus wurde ihm für fünf Jahre verboten, seinen Pflegerberuf auszuüben.
Opfer Paola T.: "Mein Leben ist zerstört"
Doch seine Revision gegen das Urteil hatte zumindest beim Strafmaß Erfolg. Der BGH sah eine Lücke bei der Begründung der Strafe. Der Schuldspruch bleibt davon unberührt. Das Strafmaß aber wird seit Dienstag neu verhandelt.
"Mein Leben ist zerstört", hatte Paola T. in der Erstauflage des Prozesses ausgesagt. Seit dem Vorfall kämpfe sie gegen den Hass auf alle Männer, berichtete sie unter Tränen. Auch ihre Beziehung habe gelitten. Ihr Erinnerungsvermögen setzte auf der Stationstoilette aus. Am Morgen des 30. Dezember wachte die Italienerin auf und fühlte sich seltsam. Ihr Büstenhalter sei offen gewesen. Und sie sei nicht richtig wach geworden. Als sie sich im Bad untersucht, findet sie Sperma an ihrem Körper, erinnerte sie sich vor einem Jahr.
Prozess in München: Keine Einigung im Rechtsgespräch
In einem Rechtsgespräch versuchen die Prozessbeteiligten am Dienstag zu einer Übereinkunft zu gelangen. Doch die Vorstellungen über das richtige Strafmaß liegen weit auseinander.
Das Gericht unter dem Vorsitz von Stephan Kirchinger hält etwa sechs Jahre Haft für angemessen. Verteidiger Burgert und sein Mandant sind einverstanden. Doch sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenklage halten das für zu milde. Schon die sieben Jahre Haft im ersten Verfahren war den Anklägern zu niedrig gewesen. Der Prozess wird fortgesetzt.
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