Zweite Stammstrecke: Diese Baugrube bleibt bis 2026 ungenutzt
München - Beim Berg- und Tunnelbau gibt es einen alten Spruch. Der lautet in etwa so: Hinter der Hacke ist es duster.
Das zitieren auch die Verantwortlichen der Baugrube West der Zweiten Stammstrecke am Mittwoch, bei einem Presserundgang vor Ort, in Sichtweite der Donnersbergerbrücke. Die rechteckige Grube soll bereits im Spätsommer fertiggestellt sein, sagt Teamleiter Albert Wimmer.
Tunnelbohrung mit Überraschungseffekt
Gemeint ist mit der alten Bergbauweisheit, dass man nie weiß, auf welches Gestein man stößt, während man sich durch unbekannten Boden buddelt. Bei der bevorstehenden Tunnelbohrung der Zweiten Stammstrecke interpretiert man das ähnlich: Man wisse zwar, welches Gestein in München hauptsächlich vorherrscht (Tertiärer Ton, Sandgestein und Schluff), sagt Wimmer, "aber für eine Überraschung ist so eine Bohrung immer gut".
8,5 Milliarden Euro für die zweite Stammstrecke
Im übertragenen Sinne könnte man den Bergbauspruch bei der Zweiten Stammstrecke derzeit auch so deuten: Das ganze Projekt ist voller Überraschungen. Von den massiven Verzögerungen der Bauzeit und den immens gestiegenen Kosten wurde ja schon häufig berichtet. Ursprünglich hieß es, die Zweite Stammstrecke solle 2028 fertig sein. Inzwischen spricht man von 2037. Die vorausgesagten Baukosten haben sich von 3,8 Milliarden auf 8,5 Milliarden mehr als verdoppelt.
Die Grube soll zur Ein- und Ausfahrt werden
Die Grube in München West wird mal die Ein- und Ausfahrt zum Tunnel der neuen Stammstrecke sein. Drei Röhren sollen ab hier Richtung Innenstadt gebohrt werden, zwei für die Fahrtrichtungen, eine mittlere als Rettungs- sowie Erkundungsschacht, mit riesigen, bis zu 120 Meter langen Bohrern, die in mehreren Teilen einschweben und vor den Bohrlöchern zusammengebaut werden müssen.

Die Bohrung könnte 2024 starten
Bis zu 48 Meter geht es dann hinunter, unterhalb allem, was bis heute in München in die Tiefe gebaut wurde. "Wir könnten theoretisch schon ab 2024 anfangen, die Röhren zu bohren", sagt Projektingenieur Marc Steinfeld, im Sinne von: "Also wir wären dann schon mal so weit". 15 Monate Bohrzeit rechnet man in etwa für die Strecke von 3,4 Kilometern, von der Donnersbergerbrücke bis zum Marienhof, bei durchschnittlich zehn Metern Bohrung pro Tag. Doch daraus wird nichts.
Steht die Grube noch bis 2026 offen?
Wenn es ganz blöd läuft, wird diese Grube wohl bis 2026 offen stehen, bis der erste Meter gefräst werden kann. Und sie muss offen stehen, wegen der Bohrerteile, die nur per Kran einschweben können. Man könne nicht anfangen, bevor die Haltestellen-Baustellen am Marienhof und am Hauptbahnhof ihr Endstadium erreicht haben.
Warum Pausen nicht möglich sind
"So eine kilometerlange Bohrung sollte man nicht pausieren. Die Maschinen müssen an den Haltestellen jeweils in Empfang genommen werden können", sagt Steinfeld – auch wenn die Maschinen am Ende rückwärts wieder zurückfahren, sobald sie ihr Ziel erreicht haben. Denn ein ähnliches Projekt, eine ähnliche Baugrube wie im Westen, muss vom Ostbahnhof her geplant und Richtung Innenstadt gebohrt werden.
Anwohnerproteste verzögerten das Projekt
Doch dort hat man wegen der Planänderungen noch gar nicht richtig angefangen. Hintergrund: Zunächst sollte die neue Haltestelle Ostbahnhof unter dem Orleansplatz entstehen. Aber der heftige Anwohnerprotest gegen die jahrelange Baugrube seit 2010 ("Schummel-Tunnel", "DB – die Achse des Bösen") führte dazu, dass die Bahn ihre Pläne 2019 änderte.
An der Donnersbergerbrücke lief es besser
Warum das spiegelverkehrte Teilprojekt an der Donnersbergerbrücke jetzt schon fast fertig ist? Hier lief in der Planung alles recht glatt. Gleichzeitig hatten die Projektleiter erwartet, dass die Baustellen am Marienplatz sowie am Hauptbahnhof zum jetzigen Zeitpunkt schon viel weiter wären. "Es ist kompliziert. Ich werde mich dazu nicht weiter äußern", sagt Projektleiter Wimmer.
Alles startklar – bis auf die Bohrer
Außer den Bohrern ist im Münchner Westen Ende des Jahres also alles startklar. Sogar das Förderband ist aufgebaut, mit dem Zehntausende Tonnen Erde, Ton und Gestein auf bis zu vier Baustellenzüge täglich verladen werden können. Bis zu 18 Monate Vorlaufzeit ist nötig, um die gigantischen Bohrer zu bestellen, die extra für das Projekt gebaut werden müssen.
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