"Zumutung": Unüberwindbare Hürden im ÖPNV in München für Menschen mit Behinderung
München - Eigentlich informiert sich Oswald Utz immer, bevor er eine Reise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln antritt. Als Rollstuhlfahrer ist der Münchner Behindertenbeauftragte darauf angewiesen, dass die Aufzüge an den Haltestellen ihn an die Oberfläche bringen. Trotz Recherche vorab: "Es kommt oft vor, dass ich vor einem kaputten Aufzug ankomme." Denn die MVG stellt im Internet zwar eine Übersichtskarte zur Verfügung, die anzeigt, an welchen Stationen Aufzüge oder Rolltreppen defekt sind. Die gilt aber nur für das U-Bahn-Netz, reine S-Bahnhöfe sind nicht aufgeführt. Dafür wäre nicht die MVG, sondern die Deutsche Bahn zuständig.
Wenn der Aufzug nicht funktioniert, müssen Rollstuhlfahrer in München zurück in die S-Bahn
Wenn Utz also mit der S-Bahn unterwegs ist, weiß er vorher oft nicht, ob er an die Oberfläche kommt. Manchmal stellt er erst vor Ort fest, dass ein Aufzug kaputt ist. Dann muss er wieder zurück in die S-Bahn und zur nächsten Station fahren, in der Hoffnung, dass dort der Aufzug funktioniert. "Nervtötend" sei das, sagt Utz. Und es verursacht Stress, vor allem, wenn er zu einem Termin muss.
Die Fraktion der CSU und Freien Wähler im Stadtrat will für dieses Problem Abhilfe schaffen und Reisen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln besser planbar machen, sowohl für Menschen mit Einschränkungen als auch beispielsweise für Reisende mit Gepäck oder Eltern mit Kinderwagen. In einem Antrag, der der AZ vorab vorliegt, fordern die Stadtpolitiker, dass der jeweils aktuelle Status der Aufzüge und Rolltreppen an den Stationen bequem in allen Apps und Fahrzeugen zur Verfügung gestellt wird.
Kaputte Rolltreppen in München bedeuten oft lange Umwege
"Der Anlass liegt auf der Straße", sagt der Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl (CSU). Viele Rolltreppen würden schon "seit Ewigkeiten" nicht funktionieren – das ärgert ihn. Die Defekte würden für Menschen mit Behinderung die inklusive und zugängliche öffentliche Verkehrsnutzung verhindern. Aber auch Menschen ohne Behinderung würden durch kaputte Rolltreppen vor Herausforderungen gestellt. Pretzl selbst kennt das Problem aus der Zeit, in der er seinen Nachwuchs noch im Kinderwagen schob, wie er sagt.
Oft sei er damit vor einer defekten Rolltreppe gestanden und habe dann mühsam versuchen müssen, ihn über die normale Treppe nach oben zu schleppen. Was für Menschen mit Kinderwagen oder Gepäck ein Ärgernis ist, stellt für mobilitätseingeschränkte Personen eine "Zumutung" dar, sagt Pretzl. Sie müssten oft weite Umwege in Kauf nehmen – das sollte man seiner Ansicht nach zumindest vorab planen und einkalkulieren können.
Bisher sind die Statusmeldungen zu versteckt, sagt der Münchner Behindertenbeauftragte
Das sieht auch Oswald Utz so: "Es ist längst überfällig." Aufzüge sind für ihn die einzige Möglichkeit, an die Oberfläche zu kommen, wie er sagt. Die wenigsten Stationen haben mehrere – wenn der einzige kaputt ist, braucht Utz an dieser Haltestelle gar nicht erst aussteigen. Die Informationen zum Status von Aufzügen und Rolltreppen sollten "nicht so heimlich" sein, findet der Behindertenbeauftragte. Denn wer finde schon die etwas versteckte Übersichtskarte der MVG?
Laut Utz muss der Status dort einsehbar sein, wo auch alle anderen Infos zu finden sind, etwa zu Abfahrtszeiten und Anschlüssen. Und vor allem müssten alle Stationen enthalten sein, auch die der S-Bahn. Denkbar wäre es für Pretzl, die Übersicht in den Apps anzuzeigen. Die Fraktion schlägt in ihrem Antrag auch die Mobilitätsplattform DEFAS Bayern vor, die Verkehrs- und Tarifinformationen im gesamten öffentlichen Personenverkehr in Bayern bündelt.
Utz würde sich zudem wünschen, dass in der App zusätzlich zum Status auch eine barrierefreie Alternativroute angezeigt wird: "Der Aufzug am Marienplatz ist defekt, steigen Sie schon am Odeonsplatz aus. Von dort aus kommen Sie auf folgende Weise weiter." Noch sieht Utz eigenen Worten zufolge viel Luft nach oben bei MVG und MVV, was Barrierefreiheit angeht. Aber die Anzeige defekter Aufzüge und Rolltreppen an gebündelter, zentraler Stelle wäre ein Anfang.
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