Zukunftsvision: Mit der Ottobahn über den Münchner Stau?
München - Die Zukunft erträumt sich Marc Schindler ungefähr so: Er sitzt morgens gemütlich am Frühstückstisch, seinen Geschäftstermin hat er ganz vergessen. Aber er verpasst ihn nicht. Denn auf seinem Smartphone ploppt die Nachricht auf, dass er gleich abgeholt wird - von einer Gondel, die direkt vor seiner Haustür abgelassen wird.
Mit der Gondel zur Arbeit - in der Luft gibt es nie Stau
Sein Frühstück kann er dort fortsetzen. Denn in der Kabine steht auf einem Tischchen eine Tasse Kaffee. Während er trinkt, fährt er fünf Meter über dem Boden, über Radlern, Fußgängern, über Bäumen und Parks hinweg ins Büro.
Autos fahren da unten schon lange keine mehr. Und oben in der Luft gibt es nie Stau - weil die Bahn so intelligent programmiert ist, dass sie weiß, wann wer wohin fahren möchte. Deshalb holt sie ihn am Feierabend pünktlich ab. Fürs Abendessen muss er nicht mehr einkaufen, weil darin schon vollgepackte Tüten stehen.

"Ottobahn" in München: Bislang gibt es bloß Simulationen
An dieser Zukunft arbeitet Marc Schindler selbst mit. Früher arbeitete er bei Tesla in den USA. Inzwischen ist er der Geschäftsführer der "Ottobahn", die einmal so funktionieren soll wie die Gondel in seinem Traum. Und dieser wird immer konkreter: Bereits nächstes Jahr darf das Start-up, das seinen Sitz in München hat, auf einem Acker in Taufkirchen eine Teststrecke bauen.
Bis jetzt gibt es bloß Simulationen: So ähnlich wie bei einer Achterbahn hängen die einzelnen Kabinen an festen Schienen. Schindler und sein Team arbeiten also an keinem Flugtaxi, sondern eher an einer Hochbahn, die sich aber einmal durch die ganze Stadt ziehen soll. Denn anders als die S-Bahn soll die Ottobahn ihre Fahrgäste direkt an der Haustüre abholen und genau am Ziel absetzen - so wie ein Taxi.
Bloß, dass man nie im Stau steht. Bloß, dass kein Fahrer, sondern Künstliche Intelligenz die Kabine steuert. Platz soll dort für maximal vier Personen sein. Ziel ist, dass die Ottobahn 60 km/h in der Stadt und 250 km/h auf dem Land fährt. Innerhalb von zweieinhalb Stunden sollen die Passagiere von München nach Berlin kommen, sagt Schindler.

Verkehrsministerin Schreyer hat sich für Teststrecke eingesetzt
Bis das alles tatsächlich so funktioniert, ist es noch ein langer Weg. Doch nicht nur der Taufkirchner Bürgermeister Ullrich Sander (parteilos) glaubt fest an die "Ottobahn", die er als eine "aufgehängte Straßenbahn" beschreibt. Auch Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) hält das Konzept für so interessant, dass sie sich für die Teststrecke in Taufkirchen eingesetzt hat.
Ein Argument, das den Bürgermeister der 18.000 Einwohner großen Gemeinde überzeugte: Die Trassen fressen nicht viel Fläche. Schließlich verlaufen die Schienen fünf bis zehn Meter über der Straße. Die Pfeiler, die alle 50 Meter stehen sollen, sollen nicht einmal einen Durchmesser von einem Meter haben.


Der Taufkirchner Gemeinderat genehmigte deshalb den Bauantrag für die Teststrecke auf einem Acker. Dieser liegt in der Nähe der Autobahn A8, in der Nähe der neuen Raumfahrt-Fakultät der TU und in der Nähe des Airbus-Campus. Nächstes Jahr im März will Marc Schindler mit dem Bau der etwa einen Kilometer langen Strecke beginnen. Wenn die Tests erfolgreich sind, plant er dort, seine erste kommerzielle Strecke Richtung München zu starten.
Zum Beispiel über dem Mittelstreifen der A8 und die Rosenheimer Straße könnte die Trasse bis zum Karl-Preis-Platz in Ramersdorf führen. Kontakt zum Münchner Mobilitätsreferat hatte Schindler noch nicht. Doch der Verkehrsexperte der SPD-Stadtratsfraktion Nikolaus Gradl ist begeistert: "Ich finde es großartig, wenn innovative Transportideen aus dem Großraum München kommen." Mit der Ottobahn wäre es möglich, "ohne großen Platzverbrauch interessante Querverbindungen oberhalb von Auto und Radverkehr zu schaffen".
Weiteres Verkehrskonzept für München: Eine Seilbahn entlang es Frankfurter Rings
Auch für den Münchner Norden gibt es Pläne, eines Tages den Stau zu überfliegen. Allerdings nicht mit der Ottobahn, sondern mit einer Seilbahn entlang des Frankfurter Rings. Sie könnte einmal den S-Bahnhof Fasanerie und den S-Bahnhof Unterföhring verbinden. Bereits 2019 gab die Stadt eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. Mit den Ergebnissen rechnet das Mobilitätsreferat jedoch erst im ersten Halbjahr 2022.
Der Traum von einer Seilbahn ist im Landkreis München inzwischen geplatzt. Eine Analyse zeigte vor Kurzem, dass sich eine Seilbahn (zum Beispiel von der Messe nach Heimstetten) nicht rentiert. Die Betriebskosten seien zu teuer und sie fahre zu langsam, meinen die Verfasser.