Wende im Zoff: 200 Taxler in München lassen sich von Uber unter Vertrag nehmen
München - Es ist inzwischen etwa 15 Jahre her, dass der Fahrdienstvermittler Uber als US-amerikanisches Technologie-Start-up losgezogen ist, um den Taximarkt der ganzen Welt zu erobern – zu zerstören würden viele Taxler behaupten. Natürlich von San Francisco aus, woher sonst, möchte man schon sagen. Die Idee: per App Fahrten vermitteln, Provision vom Entgelt kassieren.
Heute ist Uber auf dem Aktienmarkt, milliardenschwer. 64 US-Dollar kostet die Aktie. Unternehmenswert: 128 Milliarden US-Dollar. Um das einzuordnen: Microsoft ist auf der Rangliste knapp vor Apple auf Platz eins, mit 2875 Milliarden US-Dollar Firmenwert. Gleich hinter Uber folgt der Getränkekonzern Anheuser Busch-Inbev (127,24 Milliarden US-Dollar).
Konfliktpotenzial: 200 Taxifahrer aus München nehmen Uber-Angebot an
Seit März 2023 lockt Uber Münchner Taxler mit Jahresverträgen. 3300 Fahrzeuge mit Taxischild gibt es in München etwa, organisiert in 1438 Unternehmen. Und einige haben das Angebot bereits angenommen. Etwa 200 Taxis seien es inzwischen, bestätigt Uber. Mindestens ein Fünftel der Münchner Taxler aber wehrt sich, mit einem offenen Brief, im vierteljährlichen Branchenmagazin "Taxi Times". Sie fordern die Kollegen auf, sich ja nicht auf den Pakt einzulassen.
In Deutschland feierte Uber kürzlich sein zehnjähriges Jubiläum. Freundliche Worte fielen anfangs nicht unbedingt. Es gab einen natürlichen Feind für die US-Tech-Firma: die Taxifahrer. Schließlich drängte Uber weltweit in deren – meist stark regulierten – Markt, mit deutlich günstigeren Fahrpreisen. In 19 deutschen Städten ist Uber derzeit aktiv.
Uber-Gründer Travis Kalanick: "Unser Gegner ist ein A***ch namens Taxi"
Es startete also holprig. Perfekt ist es lange nicht. Einer der Gründer, der regelmäßig größenwahnsinnig und streitfreudig wirkende Travis Kalanick, sagte im Fernsehen, vor etwa zehn Jahren: "Unser Gegner ist ein A***ch namens Taxi".
Solche Sätze sind schon lange nicht mehr von dem Unternehmen zu hören. Uber umgarnt jetzt die Taxifahrer, bietet verlockende Verträge an. Jahresverträge, so hört man etwa von Robert Weber, einem der vier Geschäftsführer von Taxi Pasing. Auch die etwas kleinere Firma "Bolt" verfolgt offenbar eine ähnliche Strategie, liest man in dem offenen Brief.

25 Fahrzeuge hat Taxi Pasing. Mit rund 80 Fahrern ist die Firma einer der größeren Dienstleister in München. "Auch uns hat Uber ein Angebot gemacht", sagt Weber. Bis zu 30 Prozent Provision verlangt das US-Unternehmen in der Regel von privaten Fahrdienstleistern, denen per Uber-App eine Fahrt vermittelt wird.
Den Münchner Taxlern nehmen sie offenbar nur sieben Prozent ab. "Das klang schon verlockend", sagt Weber. Man habe sich nach reiflicher Überlegung aber dagegen entschieden, trotz einer zusätzlichen Prämie, die Uber anbietet: mutmaßlich bis zu 50.000 Euro Einmalzahlung. Ein Zusatzverdienst. Das übliche Taxi-Geschäft würde ja wie gewohnt nebenbei weiterlaufen.
Wer sich auf den Deal eingelassen hat, trägt das Uber-Logo an der Seite. An manchen dieser Taxis erhöhte sich über Nacht die Zahl der Dellen und Kratzer, sobald sie ein Uber-Logo trugen, wird unter Taxlern gemunkelt. Weber und seine Mitstreiter sehen mehr eine Gefahr als eine Chance. "Am Ende sind wir nur noch ein Anhängsel von Uber", warnt Weber. Er ist überzeugt, dass der Tech-Riese einfach nur die traditionelle Kundschaft der Taxler abgreifen möchte.
"Diese Firma arbeitete mit kriminellen Strukturen und zahlt in München keine Steuern"
Um vor solchen Deals zu warnen, hat Weber im Branchenmagazin "Taxi Times" auch den offenen Brief unterschrieben, gemeinsam mit 28 "Münchner Mehrwagenunternehmern". Initiator ist Gregor Beiner (38), ebenfalls Münchner Taxiunternehmer (Münchner Taxizentrum) und Vorstand von mehreren Taxiverbänden, auch bundesweit, ein Mann mit klaren Gedanken, der in Witten und Mexiko Management studiert hat.
Uber versuche mit aller Macht, systematisch Fahrgäste vom Taxi zum Mietwagen zu lenken. Der große Vorwurf ist in dem Brief auch, dass die US-Firma nach wie vor mit kriminellen Strukturen arbeite, die zu systematischem "Sozialversicherungs- und Steuerbetrug" führten.
Anders könne das Geschäftsmodell des Unternehmens gar nicht funktionieren. Uber schrieb jahrelang hohe Verluste. "Das grenzt an organisierte Kriminalität", sagt Beiner. Im offenen Brief wird eindringlich auf die Gefahren eines Uber-Deals hingewiesen. Der Schaden werde deutlich größer sein als der finanzielle Nutzen: "Unternehmen, die strukturell den Mobilitätsmarkt zerstören und uns als Taxiunternehmen die Existenz entziehen, dürfen wir nicht noch mit Fahrzeugen unterstützen", heißt es darin.
Beiner und seine Mitstreiter erinnern daran, dass man noch vor sieben Jahren gemeinsam auf die Straße gegangen sei, um gegen den US-Giganten zu protestieren. 1500 Taxis nahmen damals an dieser Münchner Demo teil. Wer mit Uber kooperiere, verschiebe auch die Marktanteile, warnt Beiner.
Ein weiterer zentraler Vorwurf gegen Uber ist nach wie vor, dass nicht alle Fahrer, die Uber-Transporte absolvieren, den notwendigen Personenbeförderungsschein besitzen, den man in Deutschland eigentlich braucht, um Fahrgäste mitzunehmen. Das stelle laut Beiner der Zoll immer wieder bei Kontrollen fest. Jeder Münchner Taxler muss diesen Schein haben. Inzwischen setzt ihn Uber auch voraus. Ein Sprecher des Unternehmens versichert das. Zusammen mit einer Gewerbeanmeldung werde das selbstverständlich überprüft.
Trotz hoher Bußgelder vom KVR: Regeln können recht einfach umgangen werden
"Im Jahr 2023 verhängte das Kreisverwaltungsreferat Bußgelder in Höhe eines mittleren sechsstelligen Betrages gegen zwei Mietwagenunternehmen, die sich mit gefälschten bzw. bereits widerrufenen Genehmigungsurkunden in der appbasierten Vermittlung von Beförderungsaufträgen betätigten", schildert das Kreisverwaltungsreferat auf Anfrage besonders prominente Fälle.
Ein anderes großes Problem ist aber aus Sicht der Taxler, dass private Unternehmer im Auftrag von Uber eigentlich dazu verpflichtet sind, nach jeder Fahrt zum Firmensitz zurückzukehren. Aber das kann ziemlich einfach umgangen werden. Wenn Uber-Aufträge gebündelt eingehen, entfällt die Rückkehrpflicht. Und einige Unternehmer würden zwischendurch Fake-Aufträge an ihre Fahrer vermitteln, sagt Beiner, um im Anschluss wieder eine Uber-Fahrt zu starten. Dass Firmen die Rückkehrpflicht nicht einhalten, sei laut KVR einer der häufigsten Verstöße.
Viele Mietwagenunternehmer, die Uber-Fahrten anbieten, stammen aus dem Umland Münchens und sorgen für großen Verkehrs- und Wettbewerbsdruck. Ob die sich regelkonform verhalten, müssten grundsätzlich die zuständigen Behörden vor Ort kontrollieren. "Aber die sind im Umland häufig unterbesetzt", so Webers Erfahrung.
Taxifahrer aus München: "Uber betreibt systematischen Steuerbetrug"
Der Konflikt zwischen Uber und den Münchner Taxlern brodelt. "Ich wollte mit dem offenen Brief die Sensibilität für das Thema erhöhen", erklärt Initiator Gregor Beiner. Das sei auch die Position der Taxiverbände. "Wir können und dürfen Uber nicht trauen", sagt er. Der Tech-Riese wolle sich mithilfe "der Taxibranche das Image aufpolieren und legalisieren."

Ließen sich die Kollegen auf die Verträge ein, würden am Ende Kunden eher ein Uber-Fahrzeug rufen als ein Münchner Taxi - auch preisbedingt. Außer bei Großveranstaltungen wie dem Oktoberfest sind Uber-Fahrten häufig günstiger als Taxifahrten. Während der Wiesn sind Uber-Fahrten oft teurer.
2000 Fahrdienstleister sind in München laut Beiner für Uber aktiv, beim Oktoberfest schnelle diese Zahl hoch auf geschätzte 4000, "zuallermeist sind es Fahrer aus dem Münchner Umland", sagt Beiner. Das KVR bestätigt, dass grundsätzlich und nicht nur während der Wiesn die Zahl ortsfremder Fahrzeuge zunimmt, die Fahrdienstleistungen anbieten, darunter auch Uber-Fahrten, aber nicht nur.
Das zeigen laut KVR die Ergebnisse von regelmäßigen Kontrollen. Das alles verschärfe die Wettbewerbssituation für das ordentliche Münchner Taxigewerbe enorm. Vor dem Hintergrund betrachte man "die Tätigkeiten dieser Mietwagenunternehmen, die mit Vermittlungsplattformen (Uber, Bolt, Free Now) zusammenarbeiten, kritisch", sagt ein KVR-Sprecher.
"Wir können und dürfen Uber nicht trauen"
Oliver Mattutat, Pressebeauftragter von Uber Deutschland, beschwichtigt. Man wolle das Taxigewerbe keinesfalls unterwandern oder zerstören, sondern nur Zusatzerlöse für beide Seiten schaffen. "Taxis wird es selbstverständlich auch in zehn Jahren noch geben", sagt er.
Hört man ihm zu, sieht er in der Kooperation mit Münchner Taxlern eine schlichte Win-Win-Situation und keine Marktverschiebung, wie es der Münchner Taxi-Funktionär Beiner befürchtet: Mehr Fahrten für die Unternehmer – und mehr Fahrzeuge, die Uber zur Verfügung hat. Allein in Berlin kooperiere man mit tausend Taxis. Das Verhältnis sei dort partnerschaftlich. Man sehe sich in den Städten als Ergänzung zum Öffentlichen Nahverkehr – und zu Taxis, sagt Mattutat.
Kein Risiko, keine Abhängigkeiten, so der Uber-Sprecher. Für die Leiden der Taxi-Branche – vor allem seit Corona – habe er Verständnis. Aber das sei ja in deutschen Städten, wo Uber nicht aktiv ist, auch nicht besser. Uber passt sich offenbar dem jeweiligen Markt an. Auch die Option für Festpreise, die die Stadt München eingeführt hat, begrüße man sehr und habe sie gerne in der Uber-App übernommen. Beiner hingegen wirft Uber Dumpinglöhne vor. Nur so könne man die Fahrten günstig anbieten.
Mattutat wehrt auch den Vorwurf ab, Uber würde keine Steuern zahlen. "Uber zahlt in Deutschland selbstverständlich alle Steuern, die wir zahlen müssen. Zudem arbeitet Uber in München mit lokalen Unternehmern zusammen, die ebenfalls in Deutschland Steuern zahlen", schreibt Mattutat. Der allergrößte Teil der Umsätze verbleibe im lokalen Wirtschaftskreislauf. Auf die Frage, ob Uber in München Gewerbe-, Umsatz- oder Gewinnsteuer zahle, geht der Uber-Sprecher nicht ein. Die Deutschland-Zentrale ist in Berlin. Die Münchner Taxler mutmaßen also, dass dem nicht so ist und kritisieren: Uber nutzt die städtische Infrastruktur, zahlt nur einmal zentral Steuern und Abgaben, aber das nicht vor Ort.