"Da geht nix mehr": Am Hauptbahnhof in München droht jetzt der Taxi-Gau
München - Der Brief der Deutschen Bahn kam am Montag letzter Woche per Einschreiben, und Thomas Kroker, der Vorsitzende der Taxi München Genossenschaft, hat sich in seinem Büro in Sendling erst mal geschockt setzen müssen. "Wir kündigen alle Aufstellflächen vor dem Bahnhof München Hbf (...) zum 31. Dezember 2023", heißt es in dem Schreiben. Und: "Wir gewähren Ihnen eine Räumfristverlängerung bis zum 22. Januar 2024".
"Mit Abstand der wichtigste Taxistand in München": Über 1.000 Fahrten täglich starten hier
Alle Taxistandplätze weg an der Südseite des Münchner Hauptbahnhofs an der Bayerstraße – auf einen Schlag und ersatzlos. "Damit droht jetzt ein Taxi-Gau am Bahnhof", sagt Kroker, der in München über 3000 Taxifahrer vertritt, zur AZ, "das ist mit Abstand der wichtigste Taxistand in München."
Immerhin, so rechnet er vor, fährt auf der Fläche (die die Taxigenossenschaft von der Bahn gepachtet hat) an normalen Tagen jede Minute ein Taxi mit Fahrgästen ab. Das sind über 1000 Taxiabfahrten am Tag. "Wenn S-Bahnen ausfallen oder Messen oder Wiesn ist, können es auch doppelt so viele sein."

Aber nun ist es, wie es ist: Die Bahn will damit beginnen, just an der Stelle dieses Parkplatzes eine 30 Meter tiefe Baugrube zu graben – im Zuge des Baus der Zweiten S-Bahnstammstrecke. "Dass das irgendwann kommt, haben wir schon einige Jahre gewusst", sagt Thomas Kroker. Nur habe sich die Stammstreckenplanung so oft und immer wieder verzögert, dass man frühestens für 2025 mit einer Räumung gerechnet habe.
Münchens Taxi-Chef Thomas Kroker: Ausweichplätze stehen nicht mehr zur Verfügung
Das allergrößte Problem: Die Ausweichplätze, die die Taxigenossenschaft sich vor Jahren schon für diesen Fall überlegt hatte, stehen jetzt nicht mehr zur Verfügung. "Wir wollten zum Beispiel an die Mittererstraße ausweichen", erklärt der Taxler-Chef, "da hätten beidseitig jeweils 16 Taxiplätze hingepasst. Aber jetzt ist dort weiträumig Baustelle für den "Elementum"-Komplex. "Da geht nix mehr."

Genauso schaut es an der zweiten möglichen Ausweichstelle aus, an Goethestraße zwischen Bayer- und Schwanthalerstraße. Dort wird gerade an drei Großbaustellen abgerissen, jetzt ist nur noch Einbahnstraße mit einer Spur und den ganzen Platz brauchen Lastwagen als Anfahrten. Auf der Bayerstraße selbst können die Taxler auch nicht stehen, weil sonst der Platz für die Tram nicht ausreicht.
"Ich hoffe, dass die Stadt sich was einfallen lässt": Wohin mit den Taxis am Hauptbahnhof?
Die Taxifahrer setzen ihre Hoffnung jetzt auf die Rathaus-Grünen – denn in der Fraktion sitzt auch die Vorsitzende der Taxikommission, Sibylle Stöhr. Die hat, vom Kroker alarmiert, nun auch prompt reagiert. In einem Antrag an OB Dieter Reiter (SPD) fordern die Grünen, dass für die Taxis am Bahnhof in Abstimmung mit der Bahn ein schneller Ersatz gefunden wird. Und zwar "in Sichtweite des südlichen Bahnhofsausgangs".
"Das ist dringend erforderlich, damit für alle Reisenden, die auf ein Taxi angewiesen sind, ein angemessenes Angebot dauerhaft bereitgestellt werden kann", heißt es in dem Antrag. Gerade für Fernreisende und mobilitätseingeschränkte Menschen müsse "durchgehend gewährleistet" sein, dass sich am Bahnhof ein Taxi findet.
Die Suche nach einem Ausweich-Standplatz in Sichtweite dürfte nicht leicht werden: Bislang passen in die dreireihige Wartespirale auf der Parkfläche zwischen dem ehemaligen Intercityhotel und Sofitel 38 Taxis, dazu zehn bis 20 Wagen, die hintendran an der Bayerstraße warten. "Eine Lösung liegt nicht in unserer Hand", sagt Kroker, "ich hoffe, dass die Stadt sich was einfallen lässt."