Was bedeutet das Heizungsgesetz für München? "Reines Wolken-Kuckucksheim"
München - Das Heizungsgesetz hat für viel Aufregung gesorgt, Tausende Menschen haben dagegen demonstriert. Seit Anfang dieses Jahres ist es in Kraft. Es besagt: In Neubaugebieten muss jede neue Heizung zu mindestens 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Wenn Eigentümer eine Heizung in einem bestehenden Gebäude austauschen wollen, gilt die Regelung frühestens ab 2026. Außerdem müssen Kommunen einen Plan vorlegen, wo und wie sie ihr Wärmenetz ausbauen wollen. Das soll Hauseigentümern bei der Entscheidung helfen, ob sie eine Wärmepumpe anschaffen oder ihr Gebäude an das Fernwärmenetz anschließen.
Das Klimareferat hat diesen Wärmeplan nun fertig. Eigentlich ist er noch nicht öffentlich, die AZ konnte aber vorab einen Blick darauf werfen. Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) ist wichtig: "Der Wärmeplan ist eine reine Service-Leistung der Stadt." Eine Verpflichtung, das Haus an die Fernwärme anzuschließen oder die Ölheizung rauszureißen, ergibt sich daraus nicht. Allerdings können Hausbesitzer auf dieser Grundlage besser planen, wann sich eine Sanierung lohnt und welche Heizung sie dann am besten einbauen, schildert Krause.

Momentan decken die Stadtwerke ein Drittel des Münchner Wärmebedarfs über Fernwärme ab. Klimaneutral ist die Fernwärme heute nicht. Denn bis jetzt wird sie vor allem durch Kohle und Gas erzeugt. Vor allem Geothermie soll helfen, damit die Münchner Fernwärme klimaschonender wird.
Fernwärme-Ausbau in München: Bis 2045 sollen zwei Drittel des Bedarfs abgedeckt sein
Ziel der Stadt ist, dass Fernwärme bis 2045 knapp zwei Drittel des Bedarfs abdeckt. In Vierteln, in die keine Fernwärmeleitungen gelegt werden, sollen vor allem Wärmepumpen zum Einsatz kommen. Etwa Grundwasser-Wärmepumpen, die zum Heizen und Kühlen das Grundwasser nutzen. Aber weil in München der Grundwasserpegel nicht überall reicht, kommen auch Luftwärmepumpen und Erdwärmekollektoren in Betracht.
Die Karte aus dem Klimareferat zeigt: Vor allem in den dichtbesiedelten Gebieten im Zentrum soll Fernwärme ausgebaut werden. Das hat vor allem wirtschaftliche Gründe. Denn, wenn nicht genug Menschen in einem Gebiet leben, lohnt es sich für die Stadt nicht, dort Leitungen zu verlegen.
Zuerst will die Stadt ihr bestehendes Fernwärmenetz verdichten. Hier müssen lediglich kurze (Hausanschluss-)Leitungen, aber keine langen Verbindungsleitungen gebaut werden. Diese Gebiete (z. B. Innenstadt, Neuhausen-Nymphenburg, Pasing, Freiham, Sendling, Perlach, Riem und Schwabing-Freimann) sind besonders dicht bebaut. Fernwärme macht hier bereits 60 Prozent des Energiebedarfs aus.
Ab 2025 bis 2030 will die Stadt neue Fernwärmegebiete erschließen. Das sind die hellrosa eingefärbten Gebiete auf der Karte. In den grünen Gebieten will die Stadt prüfen, ob dort Fernwärme perspektivisch genutzt werden kann.

Bürger wollen von ihm gerade andauernd wissen, ob in ihre Straße Fernwärmeleitungen kommen, sagt Krause. Denn außer um einen Hausanschluss müssten sich die Hausbesitzer dann um nichts mehr kümmern. Die Kosten für die Fernwärmeleitungen tragen die Stadtwerke.
Und da kommt eine Menge auf die Stadt zu: Aus einer weiteren bislang nicht-öffentlichen Beschlussvorlage aus dem Wirtschaftsreferat geht hervor, dass die Stadtwerke mit Kosten von voraussichtlich 9,5 Milliarden Euro für das Fernwärmenetz rechnen. Momentan haben die Fernwärmeleitungen eine Länge von rund 1000 Kilometern. Um die Ziele zu erreichen, müsste das Netz laut der Unterlage um 600 Kilometer ausgebaut werden.
Wärmeplan der Stadt München: Ein Leitfaden für Hausbesitzer
CSU-Chef Manuel Pretzl hält diesen Zeitplan für unrealistisch. Als ein "reines Wolken-Kuckucksheim" bezeichnet er die Pläne. Schließlich sollen die Fernwärmeleitungen vor allem in den dichtbesiedelten Gebieten verlegt werden. In den nächsten 20 Jahren müsste die Stadt also jährlich gut 30 Kilometer Straße aufgraben. Völlig unmöglich sei das, meint Pretzl. Außerdem hat aus seiner Sicht die Stadt weder das Geld noch das Personal, diese Ziele zu verwirklichen.
Unzufrieden ist auch ÖDP-Chef Tobias Ruff. Allerdings aus einem anderen Grund: Ihm geht alles viel zu langsam. Denn eigentlich hatte die Stadt 2019 beschlossen, dass sie bis 2035 klimaneutral sein will. Dieses Ziel verschiebt die Stadt jetzt.

Die Wärme soll laut der Beschlussvorlage 2040 komplett aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Traurig, sei das, meint Ruff. Aber auch er rechnet – ähnlich wie Pretzl – nicht damit, dass die Stadt die Ziele erreicht.
Denn damit Fernwärme klimaneutral wird, müsste die Geothermie massiv ausgebaut werden. Momentan betreiben die Stadtwerke in München und im Landkreis sechs Geothermieanlagen. Auf dem Gelände des Michaelibads und auf dem Virgina Depot sind die nächsten Anlagen im Stadtgebiet geplant. Ansonsten setzen die Stadtwerke auf Geothermie aus dem Umland. "Aber die Gemeinden dort brauchen die Geothermie doch selber", meint Ruff. Tatsächlich lesen sich die Pläne der Stadtwerke ambitioniert: Die Anzahl von heute 15 Bohrungen soll auf 65 erhöht werden. Das 330-fache der Energie soll damit erzeugt werden.
Klimafreundliche Alternativen: Die Zukunft der Heizungsinfrastruktur in München
Grünen-Chefin Mona Fuchs hingegen ist mit diesen Plänen voll und ganz zufrieden. Von allen bundesweiten Kommunen sei München ganz vorne mit dabei, sagt sie. Doch schafft die Stadt den Netzausbau auch? "Natürlich kommen erhebliche Baustellen auf die Stadt zu. Aber dafür werden die Münchnerinnen und Münchner mit einem Fernwärme-Anschluss bei den Nebenkosten sparen", meint Fuchs. Sie geht fest davon aus, dass die Kosten fürs Heizen sinken, wenn nicht mehr Gas und Öl für die Wärme sorgen, sondern Geothermie.
Auch von Christof Timpe vom Öko-Institut, der als Mitglied im Klimarat die Stadt berät, kommt Lob. Der Geothermie-Ausbau sei zwar ambitioniert, aber notwendig und möglich. Timpe geht davon aus, dass sich die Preise für Erdgas ab 2027 unter anderem wegen steigender Kosten für CO2 deutlich erhöhen. "Wer nun versucht, den Einbau neuer Gasheizungen noch länger zu ermöglichen, schadet damit letztlich den kleinen Leuten", sagt er.
- Themen:
- Dominik Krause
- München