"Unter bayerischen Maßstäben durchaus schlank": Vor 50 Jahren holte die AZ vier Minister auf die Waage
München – Was darf ein gstandenes bayerisches Mannsbild auf die Badezimmerwaage bringen, ohne als dick zu gelten? Dieser Frage ging vor genau 50 Jahren die AZ nach. Denn genau zu dieser Debatte sei ein "politisches Gerangel" entstanden.
Aus der SPD war zuvor Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann dafür kritisiert worden, dass er jungen Bäuerinnen zubilligte, "ruhig ein bisserl mollig" zu sein. Die müssten sich doch "nicht unbedingt nach den übertriebenen Schlankheitsidealen der amerikanischen Gewichtstabelle" richten, hatte der gesagt,
Debatten um Idealgewicht in München 1974: "Bayern-Bonus zuschlagen"
Die SPD hingegen hatte darauf hingewiesen, dass eben jene Gewichtstabelle doch vom Münchner Amt für Ernährung als ideal angepriesen werde - einem Amt, das genau jenem Minister Eisenmann unterstehe.
Eisenmann entrüstet: "Nach dieser Tabelle müsste ein Mann von 1,70 Meter Größe 66,4 Kilogramm wiegen. Diesem Gewicht muss bei uns aber ein Bayern-Bonus von mindestens zehn Prozent zugeschlagen werden!"
Die AZ wiederum wollte nun "Klarheit im Pfundstreit" bekommen – und stellte vier gewichtige bayerische Minister auf die Waage, "barfuß", wie der AZ-Reporter explizit vermerkte. Natürlich mit dabei: Minister Eisenmann.

Zwölf Pfund Übergewicht brachte der – nach amerikanischem Maßstab! – auf die Waage. "Ohne Anzug wiegt der Minister, der 1,75 Meter misst, 73,5 Kilogramm", hieß es in dem Bericht, mit 20 Liegestützen täglich, Reiten und Wandern halte er sich fit.
"Kann amerikanischen Schönheitsidealen nicht standhalten"
Kultusminister Hans Maier war unter den vier Ministern mit 1,84 Metern der größte unter den als zu schwer verdächtigten Ministern. Das Urteil der AZ: "Mit nur acht Pfund Übergewicht schneidet er nach bayerischen Maßstäben ausgezeichnet ab. Er kann fast als schmal gelten."
Nicht so Innenminister Bruno Merk. "Mit 83 Kilogramm bei einer Größe von 1,80 Metern kann er amerikanischen Schlankheitsidealen nicht standhalten", befindet die AZ. Der Innenminister fühle sich "Unter bayerischen Gewichtsmaßstäben jedoch durchaus als schlank".
Finanzminister Ludwig Huber schnitt im Test am besten ab – mit 71 Kilogramm bei 1,75 Körpergröße sei er "das Leichtgewicht unter den Test-Ministern", so die AZ. Erster Platz!
Überhaupt scheint die schlanke Linie in jenem November 1974 ein großes Thema in der Stadt gewesen zu sein. In derselben Ausgabe, in der auch der Minister-Test erschien, bedauert die AZ: "Wer in Münchner Gaststätten zum Mittagessen keine Riesen-Portionen verdrücken will, hat es schwer." Leser hatten sich beschwert, keine Kinderteller zu bekommen, weil sie keine Kinder seien. Der Dehoga widersprach: "Der Kinderteller ist bewusst ein Angebot an Kinder." Und aus der Mathäser-Bierstadt hieß es salopp: "Wenn Erwachsene eine große Portion nicht essen wollen, können sie ja Würstl bestellen."
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