Umstrittener Ganser-Auftritt findet statt: Familie Lacey-Krone spendet Mieteinnahmen
München - Wie zuletzt schon die Westfalenhalle in Dortmund oder das Stadtcasino in Basel füllt Daniele Ganser mit seiner Vortragsreihe "Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?" auch den Circus Krone: Die Veranstaltung am heutigen Donnerstag ist mit rund 4.500 Zuschauern ausverkauft.
Daniele Ganser: Friedensforscher oder Verschwörungstheoretiker?
So groß das Interesse ist, so laut ist auch die Kritik daran: Die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München ("Firm") stuft den 50-Jährigen "als einen der einflussreichsten Vorredner der deutschsprachigen verschwörungsideologischen Szene ein".
"Firm" befasst sich mit Aktionen und Themen der extremen Rechten im Raum München, und teilt mit: "Er ist ein wichtiger Stichwortgeber und Lieferant von Verschwörungserzählungen – auch für ihren extrem rechten Teil."
Familie Lacey-Krone prüfte Verbot der Veranstaltung
Am Mittwoch teilte die Familie Lacey-Krone mit, dass der Circus Krone die Chancen auf eine Absage der Veranstaltung mit Daniele Ganser unabhängig voneinander von zwei Anwaltskanzleien habe prüfen lassen.

"Wie bereits in ähnlich gelagerten Fällen in anderen Städten bestehen danach jedoch auch in München keine Erfolgsaussichten für eine Kündigung des Mietvertrages mit der Veranstaltungsagentur oder für eine Untersagung durch eine gerichtliche Anordnung", heißt es. "Die Veranstaltung wird daher stattfinden."
Familie Lacey-Krone: Mitarbeiter entschied "eigenständig" über Ganser-Auftritt
Tags zuvor hatte in diesem Zusammenhang die Antwort des Circus Krone auf eine Anfrage der AZ für Irritationen gesorgt.
"Die Familie Lacey-Krone, die sich zur Zeit auf Tournee befindet, ist über die Vermietung des Circus Krone Baus für einen Auftritt von Herrn Ganser nicht informiert worden. Die Entscheidung hierüber hat ein Mitarbeiter, der für die Vermietung der Halle in Zeiten verantwortlich zeichnet, in denen sich der Circus auf Tournee befindet, eigenständig getroffen", stand in dem entsprechenden Statement.
Circus-Krone-Mitarbeiter: "Die Leute sollen mal nicht so aufschreien"
Das Portal "t-online.de" hatte mit Georg Klötzing – er wird auf der Circus-Krone-Website des Zirkus unter anderem im Team von "Mandana – Stars in der Manege" geführt – einen für die Tourneeplanung Verantwortlichen zitiert: "Die Leute sollen mal nicht so aufschreien." Man müsse sich vor einer Veranstaltung informieren. Doch prinzipiell könne jeder "in diesem Land" seine Meinung kundtun.
Man sei bereits im Vorfeld auf die Behörden zugegangen, habe unter anderem Kontakt zur Polizei und zum Kreisverwaltungsreferat (KVR) aufgenommen. Einwände gegen den Ganser-Auftritt habe es da nicht gegeben: "Da hätte die Stadt reagieren müssen – ich bitte da um Verständnis."
Familie Lacey-Krone wird Mieteinnahmen aus Veranstaltung spenden
Die Familie Lacey-Krone hatte dazu erklärt, dass der Circus Krone nicht als Veranstalter agiere und auch keine Tickets veräußere. Man stelle lediglich die Räumlichkeiten zur Verfügung.
Die Familie Lacey-Krone betont zudem, dass sie die Anschauungen des Herrn Ganser nicht teile und dass die Mieteinnahmen aus der Verpachtung des Krone-Baus die einzigen Einnahmen aus diesem Event seien: "Die Familie Lacey-Krone wird diese für eine gemeinnützige Einrichtung spenden, die gemeinsam mit der Stadt München ausgewählt werden soll."
Ticketportal: "In seinen Vorträgen geht es Dr. Ganser hauptsächlich um den Weltfrieden"
Der Schweizer Daniele Ganser wird als auf internationale Zeitgeschichte seit 1945 spezialisierter Historiker und Friedensforscher angekündigt, Schwerpunkte seiner Arbeit sind demnach Friedensforschung, Geostrategie, verdeckte Kriegsführung, US-Imperialismus, Ressourcenkämpfe, Energiesysteme und Wirtschaftspolitik.
"In seinen Vorträgen geht es Dr. Ganser hauptsächlich um den Weltfrieden, denn der Frieden ist die Basis einer gesunden Entwicklung in jedem Land, in jeder Gemeinschaft und eben auch in der Familie", heißt es in der Ankündigung des Ticketportals.
Anne Wild: Daniele Ganser ist "ein Verschwörungsideologe"
Die demokratische Stadtgesellschaft müsse genau hinsehen, "wenn ein Verschwörungsideologe wie Daniele Ganser" in München auftrete und seine Erzählungen verbreite, erklärte "Firm"-Leiterin Anne Wild: "Es ist unverständlich und gefährlich, wenn ihm für seinen Auftritt im Circus Krone eine große Bühne geboten wird, als ob es sich um einen ganz alltäglichen Redner handelte."
"München ist bunt" forderte Absage der Ganser-Veranstaltung
"München ist bunt" hatte für eine Absage der Veranstaltung plädiert: "Wir kritisieren entschieden, dass Daniele Gansers Verschwörungstheorien am 11. Mai im Circus Krone Bau eine Bühne geboten wird und fordern die Verantwortlichen auf, die Veranstaltung abzusagen!", heißt es in einem Facebook-Post des gemeinnützigen Vereins, der sich gegen Rassismus und Menschenverachtung sowie für eine demokratische, tolerante Gesellschaft einsetzt.
Und: "München widerspricht Daniele Gansers verschwörungsideologischen und antisemitischen Aussagen." Klar ist: In Hannover konnte der Ganser-Auftritt trotz vieler Proteste und kritischer Stimmen nicht verhindert werden, auch in Nürnberg und Dortmund scheiterten diese Vorhaben.
Kritiker: Ganser relativiert Holocaust und Russlands Krieg gegen die Ukraine
Beispiele hierfür seien NS-Vergleiche in der Corona-Pandemie, wie etwa, dass Ungeimpfte behandelt würden wie Juden im Dritten Reich und andere Holocaust-Relativierungen.
Außerdem relativiere Ganser den russischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine, indem er behaupte, Schuld am Krieg seien die USA und die Nato; unter anderem durch die Osterweiterung.
Daniele Ganser sei in rechtsextremen Medien wie dem Magazin Compact vertreten, seine Auftritte seien laut Demokratieforschern gefährlich, da sie falsche Theorien sowohl in Bezug auf die Covid-Pandemie, als auch die NS-Diktatur und den Holocaust, aber auch den Krieg Russlands gegen die Ukraine verbreiteten.
Daniele Ganser: Fehlende Expertise im Bereich osteuropäischer Geschichte
So weisen Experten auf die Gansers fehlende Expertise im Bereich osteuropäischer Geschichte hin. Er habe sich nie intensiver mit der Ukraine oder mit Russland beschäftigt und er verfüge nicht über entsprechende Landes- oder Sprachkenntnisse, sagt Frithjof Benjamin Schenk.
"Dennoch wird er oft als Osteuropaexperte wahrgenommen", wird der Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Basel bei "tagesschau.de" zitiert.
Anne Wild: Münchner sollten Gansers Inszenierung kritisch hinterfragen
Ganser wirbt als Gründer und Leiter des Swiss Institute for Peace and Energy Research (SIPER) in Basel für seine Vorträge. Das Institut untersucht demnach, ob es möglich wäre, die Energieversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzustellen und Konflikte ohne Gewalt zu lösen.
Besonders sichtbar sei Daniele Ganser zuletzt mit einem eingespielten Video-Grußwort im Rahmen einer Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz am 18. Februar gewesen, erinnert die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München: "Mehrere Tausend Teilnehmende folgten dem Aufruf eines Bündnisses um die örtliche verschwörungsideologische Organisation 'München steht auf' und jubelten Ganser auf dem Königsplatz zu."
Die Verantwortlichen würden Ganser mit solchen Veranstaltungen helfen, seine Verschwörungserzählungen zu normalisieren, argumentiert Anne Wild: "Anstatt Daniele Ganser zu hofieren, sollten die Münchner dessen Inszenierung kritisch hinterfragen und sich konsequent von Verschwörungsideologien abgrenzen."
- Themen:
- Circus Krone
- München