Friedensgipfel um Dragqueen-Lesung vorbei: OB Reiter wird CSD-Parade anführen
München - Mitlaufen geht, mitfahren nicht: Einen eigenen Paradewagen auf dem CSD wird der CSU auch heuer verwehrt. Entsprechende AZ-Informationen bestätigte der CSD am Montagnachmittag. "Voraussetzung für eine Teilnahme ist der Einsatz für gleiche Rechte und gesellschaftliche Akzeptanz aller queerer Menschen", hieß es von den fünf CSD-Vereinen. Durch die jüngsten Forderungen von Teilen "nicht nur" der Münchner CSU scheine das "wenig glaubhaft".
Dragqueen-Lesung: Kritik von Dieter Reiter und CSU-Stadtrat Hans Theiss
Damit nimmt der CSD direkt Bezug auf die Kritik von CSU-Stadtrat Hans Theiss und OB Dieter Reiter (SPD) an der geplanten Lesung von Kinderbüchern durch eine Dragqueen für Kinder ab vier Jahren in der Bogenhauser Stadtbibliothek.

Für die Lesung war ein Künstler unter den Namen angekündigt worden, unter dem er auch vor Erwachsenen auftritt: Eric Big Clit (Eric Große Klitoris). Die Stadtbibliothek hatte erklärt, dass nie eine Travestieshow vor Kindern geplant gewesen sei, sondern es sich um eine kindgerechte Lesung handele.
AZ-Informationen: Dragqueen-Friedensgipfel endet friedlich
Reiter selbst ist nach offenbar teils heftiger Kritik aus der Szene inzwischen um Schadensbegrenzung bemüht. Der OB traf sich am Dienstagvormittag mit Vertretern des CSD. Deren Parade will er auch in diesem Jahr anführen – und das wird er auch.
Der Friedensgipfel ist nach AZ-Informationen friedlich zu Ende gegangen. Reiters Schirmherrschaft für den CSD wackle demnach nicht. "Natürlich" werde er die Parade auch heuer wieder anführen, wie es von Teilnehmern hieß.
Bereits am Montag hatte Reiter klar und deutlich erklärt, sich nicht für ein Verbot der Lesung einzusetzen. "Ich finde diese Forderung reichlich überzogen", sagte er der AZ. Zu keinem Zeitpunkt habe ein Verbot der Veranstaltung zur Debatte gestanden.
"Die Teilnahme an der Veranstaltung ist freiwillig und Eltern können selbst entscheiden, ob sie mit ihren Kindern hingehen möchten oder nicht." Reiter sagte wörtlich, er habe "kein Problem mit Dragqueens" und stehe "auch weiterhin stabil an der Seite der gesamten queeren Szene".
Reiter bedauerte, dass seine Worte, er würde mit seinen Enkeln nicht zur Lesung gehen wollen, für Wirbel sorgten: "Mir war nicht bewusst, dass meine Äußerung eine solche Auswirkung in die Community hinein haben würde und dass ich damit auch Menschen verletzt habe. Das war nie meine Absicht und tut mir leid."
Was ist für die Dragqueen-Lesung geplant?
Vicky Voyage, eine der Künstlerinnen, die am 13. Juni in der Stadtbibliothek Bogenhausen angekündigt sind, versteht die Aufregung nicht. "Drag ist ab null Jahren geeignet", sagt sie im Gespräch mit der AZ.
Aber was genau ist bei der Lesung geplant, die die Stadtbibliothek verteidigt hatte, das selbstverständlich keine Travestie-Show geplant sei? "Die Kinder können auf Erzählungen gespannt sein, die unabhängig vom Geschlecht zeigen, was das Leben für sie bereithält und dass sie alles tun können, wenn sie an ihren Träumen festhalten", sagt die Dragqueen.
Vicky Voyage liest als Schneekönigin für Kinder
Sie lese beispielsweise aus dem Buch "Der Junge im Rock" vorlesen, in dem Vater und Sohn gemeinsam im Rock unterwegs sind. "Die Lesung hat nichts mit Sexualität zu tun, es geht um Identität und Diversität", sagt Vicky Voyage.
Im Juni werde sie als Schneeköniging verkleidet auftreten – so wie sie es zu Weihnachten getan hatte. Mit den Bühnen-Outfits im Abendprogramm für Erwachsene habe das nichts zu tun.
CSU-Stadtratsfraktion steht nicht komplett hinter Theiss
In der CSU wiederum wurde am Montag hinter verschlossenen Türen über die Aussagen von Hans Theiss diskutiert. Dem Vernehmen nach ist nicht die ganze Stadtratsfraktion ganz auf seiner Linie, dass es sich bei der Veranstaltung um die Frühsexualisierung kleiner Kinder handele, die in einer städtischen Einrichtung unsäglich sei.
Zum unmittelbar bevorstehenden "Nein" vom CSD sagte CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl am Nachmittag auf Nachfrage der AZ: "Sollte es aufgrund einer Debatte um Drag-Lesungen eine Absage für unseren Wagen geben, kann ich nur sagen: Toleranz ist keine Einbahnstraße." Wer Vielfalte feiere, müsse auch "vielfältige Meinungen akzeptieren." Die Stadtrats-CSU habe ein Verbot der Lesung "nie gefordert".
AfD meldet Kundgebung gegen Dragqueen-Lesung an
Unterdessen könnte es am 13. Juni auch vor der Bogenhauser Stadtbibliothek aufgeregt zugehen. Wie das Kreisverwaltungsreferat auf Nachfrage der AZ bestätigt, sind mehrere Kundgebungen angemeldet worden – unter anderem ein Gegenprotest von einem Münchner AfD-Kreisverband.
In welcher Form der am Rosenkavalierplatz stattfinden darf, ist aber noch offen. "Der Antrag befinde sich „in der behördlichen Prüfung", hieß es am Dienstag.
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