Von wegen Denkmalschutz: Historische Schlosswirtschaft bei München darf abgerissen werden

Abriss – und das, obwohl die Schlosswirtschaft in Planegg bei München unter Denkmalschutz steht: "Sehr bedauerlich" finden es das Landesamt für Denkmalpflege und viele Bürger, dass das Gebäude abgerissen wird.
Eva von Steinburg
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Die marode Schlosswirtschaft in Planegg ist im ganzen Würmtal bekannt. Münchner kennen sie vom Weg nach Starnberg. Das Landesamt für Denkmalpflege schätzt den baulichen Zustand als instandsetzungsfähig ein.
Eva von Steinburg 7 Die marode Schlosswirtschaft in Planegg ist im ganzen Würmtal bekannt. Münchner kennen sie vom Weg nach Starnberg. Das Landesamt für Denkmalpflege schätzt den baulichen Zustand als instandsetzungsfähig ein.
Umweg nötig: Die Pasinger Straße nach Gauting und Starnberg ist seit Herbst 2023 gesperrt.
Eva von Steinburg 7 Umweg nötig: Die Pasinger Straße nach Gauting und Starnberg ist seit Herbst 2023 gesperrt.
Findet den Abriss schade: Für Josef Preis (82) sieht die Schlosswirtschaft nicht einsturzgefährdet aus.
Eva von Steinburg 7 Findet den Abriss schade: Für Josef Preis (82) sieht die Schlosswirtschaft nicht einsturzgefährdet aus.
Sie bilden ein Ensemble: Planegger Schloss, Sitz der Familie von Hirsch, und die alte Schlosswirtschaft.
Eva von Steinburg 7 Sie bilden ein Ensemble: Planegger Schloss, Sitz der Familie von Hirsch, und die alte Schlosswirtschaft.
Das Schlosstor in der Pasinger Straße: der Eingang zum Sitz der Familie von Hirsch.
Eva von Steinburg 7 Das Schlosstor in der Pasinger Straße: der Eingang zum Sitz der Familie von Hirsch.
Auf der Gartenseite: das Loch in einem Anbau der historischen Schlosswirtschaft.
Eva von Steinburg 7 Auf der Gartenseite: das Loch in einem Anbau der historischen Schlosswirtschaft.
Das Planegger Rathaus.
Eva von Steinburg 7 Das Planegger Rathaus.

Planegg - Das verfallende Haus kennt das ganze Würmtal: die alte Schlosswirtschaft in Planegg. Sie steht an der Pasinger Straße 4, an der Stelle, wo es nach Gauting und Starnberg abgeht.

Erstmals wurde der Bau bereits 1410 schriftlich erwähnt. Doch nach 1900 war das Gebäude schon kein Gasthaus mehr. Die bekannte Ruine steht seit den 80er Jahren leer. Viele Würmtaler hatten die Hoffnung, dass hier einmal Renovierungsarbeiten beginnen. 2017 hatte der Freistaat der Eigentümerfamilie von Hirsch dafür einen Zuschuss von mehr als einer Million Euro angeboten.

"Traurig": Bürger über Abriss von historische Taverne in Planegg bei München

Doch jetzt im Februar soll die historische Taverne abgerissen werden – obwohl sie unter Denkmalschutz steht. Fragt man Planegger Bürger auf der Straße, finden etliche das "traurig". Wie auch Josef Preis (82), der seinen Hund Nicki an der Pasinger Straße spazieren führt: "Lasst doch das Häusl stehen. Ich finde einen Abriss schade. Das kann man doch herrichten. Für mich sieht das Gebäude jedenfalls nicht einsturzgefährdet aus", meint der Planegger, der früher LKW-Fahrer war.

Findet den Abriss schade: Für Josef Preis (82) sieht die Schlosswirtschaft nicht einsturzgefährdet aus.
Findet den Abriss schade: Für Josef Preis (82) sieht die Schlosswirtschaft nicht einsturzgefährdet aus. © Eva von Steinburg

Abgeplatzte Fassade, durchscheinende Holzwände, ein großes Loch in einer Außenwand, ein vermoostes Dach. Das Gebäude wirkt heute marode. Ein Blick durch die Fenster offenbart abgestürzte Zimmerdecken in mindestens einem Raum.

Im Herbst 2023 hat das Landratsamt München, angeblich auf Drängen der Gemeinde Planegg, wegen Einsturzgefahr ein Teil der stark befahrenen Pasinger Straße gesperrt: Mit rot -weißen Baken und Blinklampen. Die gelben Straßenschilder nach Gauting und Starnberg sind mit roten Kreuzen durchgestrichen. Wegen "akuter Einsturzgefahr" , wie die Gemeinde Planegg auf ihrer Website konkret schreibt, müssen viele Autofahrer seit Monaten einen lästigen Umweg in Kauf nehmen. Bis 29. Februar ist die Teil-Sperrung der Staatsstraße 2063 inzwischen verlängert.

Umweg nötig: Die Pasinger Straße nach Gauting und Starnberg ist seit Herbst 2023 gesperrt.
Umweg nötig: Die Pasinger Straße nach Gauting und Starnberg ist seit Herbst 2023 gesperrt. © Eva von Steinburg

"Für unser Planegg wäre es schön, zumindest die äußere Hülle des Gebäudes zu erhalten.Das Historische ist doch wichtig für unseren Heimatort. Das macht mit den Charme der Gemeinde aus. Eine kunstsinnige Freundin, die mal in der Schlosswirtschaft drin war, hat erzählt, dass innen ein schöner Treppenaufgang ist", erzählt eine Planeggerin der AZ. Ihren Namen möchte sie lieber nicht nennen, denn das Thema alte Schlosswirtschaft ist ein umkämpftes Konfliktfeld in der Gemeinde: "Ich bin sehr traurig über den Total-Abriss. Aber eine Mehrheit scheint dafür", sagt die Frau und radelt über die Planegger Bahnhofstraße davon.

Der Bürgermeister von Planegg hält die Schlosswirtschaft für einen "Schandfleck"

Nachdem in einer Mauer zum Garten ein großes Loch entstanden ist, hat der Eigentümer im Oktober 2023 ein Gutachten über den Zustand des Gebäudes erstellen lassen. Seltsam ist nur: Dieses Gutachten haben zwei Gutachter unterschiedlich interpretiert.

Das Denkmalamt schätzt die marode Schlosswirtschaft aktuell als "instandsetzungsfähig" ein, so eine Sprecherin. Die Schlosswirtschaft sei als Teil des Ensembles mit dem Planegger Schloss gegenüber unbedingt erhaltenswert. Das Gutachten, das der Eigentümer in Auftrag gegeben hat, beurteilt den Zustand des Gebäudes als "einsturzgefährdet".

Sie bilden ein Ensemble: Planegger Schloss, Sitz der Familie von Hirsch, und die alte Schlosswirtschaft.
Sie bilden ein Ensemble: Planegger Schloss, Sitz der Familie von Hirsch, und die alte Schlosswirtschaft. © Eva von Steinburg

Darauf hat das Landratsamt München, auf Initiative von Planeggs Bürgermeister Hermann Nafziger (CSU), ein Parteifreund des Gebäudeeigentümers, die Straße sperren lassen: "Es besteht die Gefahr von Personenschaden. Das Gebäude soll möglichst im Februar abgebrochen werden, mittlerweile ist es mehr oder weniger ein Schandfleck", erklärt Planeggs Bürgermeister.

Eigentümer der alten Schlosswirtschaft ist die Selly Verwaltungs GmbH. Philipp von Hirsch ist ihr Geschäftsführer. Der Freiherr führt auch die Gutsverwaltung des Planegger Schlosses auf der Straßenseite gegenüber der Wirtschaft. Philipp von Hirsch sitzt für die CSU im Planegger Gemeinderat.

"Zeugnisse unserer Geschichte": Denkmalpfleger bedauert den Abriss der Schlosswirtschaft

Vor 60 Jahren wollte der Freistaat das Gebäude abreißen, um hier die Straße auszubauen. Die Eigentümerfamilie stimmte damals jedoch dem Verkauf nicht zu. Seitdem gab es eine Veränderungssperre, die – laut Bürgermeister – verhinderte, dass die Familie das Gebäude instandsetzte. Obwohl das historische Gebäude unter Denkmalschutz steht, bemüht sich Familie von Hirsch seit über 30 Jahren um die Abbruchgenehmigung.

Die Regierung von Oberbayern hat jetzt die Abbrucherlaubnis für die denkmalgeschützte alte Wirtschaft erteilt. Begründung: Die "wirtschaftliche Zumutbarkeit einer Sanierung sei nicht gegeben". Und: Der Erhalt des Denkmals lasse sich "auf Dauer nicht allein aus den Erträgen des Objekts finanzieren."

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Bayerns obersten Denkmalpfleger Mathias Pfeil enttäuscht diese Entwicklung: "Der Verlust eines Baudenkmals ist immer bedauerlich – für die Menschen vor Ort – aber auch den Rest der Gesellschaft. Unsere Baudenkmäler sind Zeugnisse unserer Geschichte. Sie sind ein sichtbarer Identitätsanker", meint Mathias Pfeil.

Es sei "besonders bedauerlich", wenn ein Gebäude, wie die ehemalige Schlosswirtschaft, dessen Entstehung vermutlich in das 17./18. Jahrhundert zurückreicht, abgerissen wird", schreibt die Denkmalpflegebehörde der AZ im Namen des Generalkonservators.

Das Planegger Rathaus.
Das Planegger Rathaus. © Eva von Steinburg

Planeggs Bürgermeister Hermann Nafziger weiß: Der adlige Eigentümer will auf dem Grundstück der maroden Schlosswirtschaft Wohnungen bauen. Den Eigentümer Philipp von Hirsch konnte die AZ für eine Stellungnahme jedoch nicht erreichen. Laut Bürgermeister Nafziger ist er geschäftlich im Ausland.

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24 Kommentare
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  • BBachi am 08.02.2024 09:15 Uhr / Bewertung:

    Ein denkmalgeschütztes Haus wird offenbar vorsätzlich dem Verfall preis gegeben ohne das die Behörden dagegen vorgehen. Sicher nur Zufall, dass der Eigentümer Gemeinderat ist.

  • DerMünchner am 06.02.2024 13:13 Uhr / Bewertung:

    Mein Gott die alte Bude. Weg damit. Nicht jedes alte Haus muss denkmalgeschützt werden. Die Ewiggestrigen wieder.

  • loewenhund am 04.02.2024 15:07 Uhr / Bewertung:

    was soll an der bude noch saniert werden das problem ist das man es trotz denkmalschutz dem verfall jahrelang preisgegeben hat -der denkmalschutz hätte viel früher eingreifen müssen-jetzt jammern hilft nichts mehr

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