Das einzige Weingut am Ammersee: "Ein langer, harter, und sehr teurer Weg"
Utting - Auf der Spitze eines Hügels unter schattenspendenden Bäumen eröffnet sich der Blick aufs Westufer des Ammersees. Bei dieser Aussicht darf man sich wie ein echter Römer fühlen. Denn bis vor etwa 1700 Jahren stand hier eine Villa rustica – ein Landgut im Römischen Reich. Mit in dessen landwirtschaftlichem Repertoire: Weinfelder. Und die gibt's jetzt wieder.
Dafür ist der 51-jährige Uli Ernst aus Utting, Kreis Landsberg am Lech, zusammen mit seiner Frau Corinne verantwortlich. Er hat nicht nur den Weinanbau zurück an den Ammersee geholt, sondern auch die Weinsorte Sauvignac nach Bayern gebracht.
"Ammersee Winery": Qualität statt Quantität
Im Hochmittelalter wurde hier der Weinanbau durch das Bierbrauen wegen der "kleinen Eiszeit" ersetzt. Die Voraussetzungen für das Wein-Comeback haben der aktuelle Klimawandel geschaffen – und die Bio-Weinzüchtung.

Gleich am Eingang zu seinem Hof steht eine Hütte, in der sich neben seinem Eierautomaten auch der rund um die Uhr zugängliche Weißweinautomat befindet. Knapp die Hälfte der Fächer ist schon wieder leer. "Wir verkaufen den Wein dieses Jahr gerade mal fünf Wochen und haben schon eine gute Menge weg", sagt Ernst stolz.
12.000 Flaschen mit 0,5 Liter hat er im Jahr 2022 produzieren können. Seine "Ammersee Winery" setze dabei auf Qualität statt Quantität. Das heißt: Der Wein hat einen hohen Oechsle-Wert von 90. Oechsle beziffert den Zuckergehalt im Most des unvergorenen Traubensafts. Je höher die Zahl ist, umso besser.
Weingut am Ammersee: neue Weinberge in Arbeit
Das Weingut am Ammersee umfasst zwei Weinberge. Zwei weitere werden gerade angebaut, um größere Mengen und mehr Weinsorten wie etwa einen Rosé produzieren zu können. Auf einem der neuen Felder – mit Blick auf Kloster Andechs – zeigt Ernst die frischen Weinstöcke, die zart aus dem Boden sprießen. "Vom Einpflanzen bis zum Ertrag dauert es drei Jahre", sagt Ernst.
So ein neuer Weinberg ist dem Bauern zufolge erstmal viel Arbeit, weshalb bis zu neun Personen auf dem Feld arbeiten. Bei der Ernte sogar über 15. Als Bio-Weinbauer muss er dabei auf den Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln verzichten und kann nur Biomittel und Maschinen zur Hilfe nehmen, die etwa den Boden auflockern.
Wie der Ammersee beim Weinanbau hilft
In erster Linie braucht es aber eine Menge Handarbeit. Bei einem der etablierten Weinberge, dem Römerberg, demonstriert der Winzer die mühselige Handarbeit. Trieb um Trieb muss zurück in das Drahtgestell gebogen werden, um möglichst viel Licht an die großen Blätter zu lassen und so aus den Reben auch die beste Traubenqualität herauszuholen. Gegärt wird der Wein dann mit Hilfe der erfahrenen Winzerfamilie Fischborn in einem Keller in Rheinhessen.
Der Ammersee bietet für den Weinanbau jedoch nicht nur eine schöne Aussicht, sondern ist auch ein nützlicher Komplize: "Im Sommer kühlt der See, im Winter mildert er die letzten Fröste ab." Ein Nachteil wiederum ist die durch das Alpenvorland bedingte Niederschlagsmenge: "Die Blätter sind öfter und länger nass und dann steigt das Risiko für Blattpilze."
Weingut am Ammersee: von der Geschichte inspiriert
Gegen die hat der Bio-Bauer aber auch etwas in der Hinterhand: Rosen. Die seien wesentlich pilzempfindlicher und zeigen vor den Reben Befall auf ihren Blättern an. Das verschafft Familie Ernst zusätzlich Zeit, um die Weinstöcke mit Schwefel und Backpulver so zu rüsten, dass sich die Pilze auf ihnen nicht mehr wohlfühlen.
Was hat den Landwirt aber dazu gebracht, den Weinanbau am Ammersee wiederzubeleben? Das hatte ihm zufolge zwei Gründe. Zum einen sei er durch seine Dozententätigkeit an der Andreas Hermes Akademie im Winter mit vielen Winzern in Kontakt gekommen, die ihn mit ihrer Begeisterung für Wein angesteckt hätten. Zum anderen inspirierte ihn die Geschichte rund um die Villa rustica und das dazugehörige Weingut.
15 Jahre bis zum Weinanbau am Ammersee
"Wir haben uns gefragt: Wo haben die hier wohl den Wein angebaut?", so Ernst. Seine Familie habe sich dann in die cleveren Bauern der Antike hineinversetzt und die Stellen gefunden, an denen die Weinfelder wahrscheinlich gewesen sind.
Bis der Weinanbau dann schließlich an den Ammersee zurückgekehrt ist, hat es insgesamt 15 Jahre gedauert. "Es war ein langer, harter, steiniger und auch sehr teurer Weg", sagt Ernst. Erst durch eine Liberalisierung des Weinanbaurechts in der EU konnte er 2014 einen entsprechenden Antrag einreichen, nachdem er zuvor bereits einige Versuchspflanzungen ausprobiert hatte.
Dann hatte es Probleme mit der in Bayern damals noch nicht erlaubten Weinsorte Sauvignac gegeben, bis schließlich 2018 die ersten 5000 Rebstöcke eingepflanzt wurden. In den darauffolgenden Jahren vernichtete diese jedoch ein Starkhagel und sie mussten von vorn anfangen.
Wie schmeckt der Wein vom Ammersee?
Erst 2021 habe es eine "brauchbare Menge" gegeben, so Ernst. Mit dem Jahrgang aus 2022 sei er bisher am zufriedensten. Ernsts Ziel ist ihm zufolge, diese Qualität auch in den nächsten Jahren zu halten und in naher Zukunft Gastrobetriebe entlang des ganzen Ammersee-Westufers mit dem eigenen Wein zu versorgen.
Das sagt der AZ-Tester:
Der Sauvignac 2022 ist zwar ein trockener Wein, aber hat dennoch einen fruchtigen Geschmack – ohne ins Apfelsaft-Territorium abzudriften. Auch im Nachgang hat er eine angenehme statt klebrige Süße. Ein Wein, der zum Sommer passt.
Der Sauvignac 2022 kostet 11 Euro, der Secco 13 Euro. Erhältlich ist er am Automaten (stets offen) und im persönlichen Verkauf freitags zwischen 16 und 18 Uhr, Schondorfer Str. 22 in Utting. Ebenso in den Gastrobetrieben "Lenas am See" in Utting und beim Staudenwirt in Finning.
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