U-Bahn, Bus und Tram: So will die MVG mehr Fahrer für München gewinnen

München braucht mehr Fahrer für die öffentlichen Verkehrsmittel. Bei der MVG gibt es bereits seit sieben Jahren ein Programm, um Migranten für den Dienst am Steuer auszubilden. Das läuft mit Erfolg und wird jetzt von Bus und U-Bahn auch auf die Tram ausgeweitet. Die AZ hat sich das Ganze vor Ort angesehen.
Myriam Siegert
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Projektteilnehmer Abdulkarim Youssuf (am Steuer) fährt seit 2023 für die MVG und Vassiliy Kupchik (l.) ist seit Mai 2024 in der Ausbildung zum Busfahrer.
Projektteilnehmer Abdulkarim Youssuf (am Steuer) fährt seit 2023 für die MVG und Vassiliy Kupchik (l.) ist seit Mai 2024 in der Ausbildung zum Busfahrer. © SWM/MVG

München – "Ich fahre gerne!", sagt Abdulkarim Youssuf und lacht, als die AZ ihn fragt, warum er sich für den Job als Busfahrer bei der MVG entschieden hat. Schon als Kind in seiner Heimat Eritrea sei er fasziniert gewesen von den Bussen, die an der Haltestelle hinter dem Geschäft seines Vaters hielten. Und später beim Militär sei er viel mit großen Fahrzeugen gefahren, Lkw, aber auch Panzer, sagt er.

Seit 2023 arbeitet der 40-Jährige, der seit 2015 in Deutschland lebt, als Busfahrer bei der MVG und am meisten Spaß macht es ihm, "wenn ich pünktlich bin", wie er sagt. Abdulkarim Youssuf hatte damit die besten Voraussetzungen mitgebracht für ein Qualifizierungsprogramm, das die MVG in Kooperation mit der Agentur für Arbeit, dem Jobcenter München und den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) betreibt. Dessen Ziel: Migranten für den Fahrdienst qualifizieren und so den Fahrermangel bei U-Bahn, Bus und Tram abbauen.

Mit dem Bus gings los, nun wird auch für die Tram ausgebildet

Schon vor sieben Jahren ist das Programm, eine Kombination aus Spracherwerb, Qualifizierung und beruflicher Tätigkeit, gestartet. Anfangs ging es darum, Busfahrer zu finden, schnell kam die U-Bahn dazu und neu dabei ist jetzt auch die Tram. MVG-Chef Ingo Wortmann erklärt, er könne sich noch erinnern, wie man früher Menschen bereits mit Führerschein eingestellt hat und sie nur noch im Streckensystem schulen musste. Heute hingegen müsse man ausbilden.

Ein bisschen bairisch gehört auch zum Sprachunterricht

Genau dabei arbeiten die genannten am Programm beteiligten Akteure zusammen. Einer der wichtigsten Punkte dabei: der Spracherwerb. Sprachkurse werden seit diesem Jahr in sogenannten Berufssprachkursen an den künftigen Arbeitgeber abgestimmt. "Rillenkratzer und Weichenbesen, das steht in keinem Wörterbuch", erklärt Barbara Winter vom bfz, das die Kurse durchführt. "Und ein bisschen bairisch gehört auch zum Unterricht."

Ist die Sprachprüfung geschafft, geht es zur MVG ins Praktikum und danach in die Ausbildung. "Wir bauen also eine Brücke in den konkreten Job hinein", sagt Wilfried Hüntelmann, Chef der Agentur für Arbeit in München. Besonders wichtig sei dabei auch der Quereinstieg. Der Fachkräftemangel werde sich durch den Renteneintritt der Babyboomer-Generation in den nächsten Jahren "noch einmal richtig verschärfen", so Hüntelmann.

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Auch Anette Farrenkopf, Chefin des Jobcenter München, lobt das "Leuchtturmprojekt" als Win-Win-Win-Situation: für die MVG, die ihre Lücken schließen kann, für die Bürger, die einen funktionierenden ÖPNV nutzen können und für die Geflüchteten, die einen attraktiven Arbeitsplatz bekommen - und über die Arbeit wesentlich besser integriert werden können.

Wie Mohamad Zalti (31), der gerade sein Praktikum als Trambahnfahrer absolviert. Seine Heimat Syrien musste er schon als 18-Jähriger kurz nach dem Abitur verlassen. Das Trambahnfahren bei der MVG gefällt ihm nun richtig gut.

"Jeder hat mal einen schlechten Tag"

Oder Vassiliy Kupchik, der gerade in der Ausbildung zum Busfahrer ist. Der 47-Jährige, der 1999 aus Kasachstan nach Deutschland kam, hat schon als Hausmeister, Security und Taxifahrer gearbeitet, wie er sagt. Diese Lebenserfahrung helfe ihm, als Busfahrer die Ruhe zu bewahren, meint er und lächelt. Der Verkehr in der Stadt kann ihn nicht schocken, "klar, es gibt Stoßzeiten", sagt er, aber eigentlich finde er, "dass München gut gebaut ist". Und wenn mal ein Fahrgast unfreundlich oder sauer ist, "denke ich mir, jeder hat mal einen schlechten Tag", sagt Kupchik.

Anzeige für den Anbieter Instagram über den Consent-Anbieter verweigert

Die Ausbildung ist mit nur fünf bis sechs Monaten relativ kurz und voll bezahlt. Die Sprachkurse werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) voll gefördert. Weitere Kosten, etwa für Untersuchungen oder das Führungszeugnis, übernimmt das Jobcenter. Die Ausbildung und den Führerschein bezahlt die MVG.

Anette Farrenkopf (v.l.), Barbara Winter, Wilfried Hüntelmann und Ingo Wortmann mit den angehenden Fahrern.
Anette Farrenkopf (v.l.), Barbara Winter, Wilfried Hüntelmann und Ingo Wortmann mit den angehenden Fahrern. © Martha Schlüter

 

Laut MVG-Chef Ingo Wortmann fehlen derzeit jeweils 40 Bus- und U-Bahnfahrer, sowie 60 Trambahnfahrer. Aktuell sind acht Fahrer in zwei Kursen in der Ausbildung zum Busfahrer, drei weitere haben gerade ihr Praktikum begonnen. Außerdem werden gerade sechs angehende U-Bahnfahrer ausgebildet und seit Juli läuft die erste Ausbildungsstaffel für die Tram mit bisher drei Teilnehmern.

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16 Kommentare
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  • Wolff am 12.07.2024 16:36 Uhr / Bewertung:

    Möglichst viele Leute sollen ÖPNV nutzen, deshalb darf es möglichst nichts kosten und soll am liebsten kostenlos sein.

    Viele Leute nutzen aber ÖPNV nicht, da Angebot unzureichend, unzuverlässig, unflexibel usw.

    Angebot ausweiten und verbessern (inklusive benötigtes Personal zu bekommen) kostet jedoch Geld. ÖPNV soll aber am liebsten kostenlos sein... Finde den Fehler!

  • freeman am 12.07.2024 14:13 Uhr / Bewertung:

    Das Gehalt der 30 Top-Verdiener der MVG deutlich runterschrauben (ein 6-stelliges Gehalt bei einem steuerfinanzierten Stadtkonzern ist *nicht* gerechtfertigt), dafür das eingesparte Geld auf die Mitarbeiterlöhne aufschlagen. Und zack wäre das gesamte Personalproblem gelöst, wetten?! Die "da oben" wollen aber weder Geld noch Macht abgeben. Darunter leiden alle Mitarbeiter, Fahrgäste und letztendlich die gesamte Stadt. Betrifft nicht nur die MVG oder München, sondern das gesamte Land.

  • Mechthild S.-L. am 12.07.2024 23:06 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von freeman

    Wie viel kriegt nochmal der OB als"Aufsichtsratsvorsitzender"?

    Was macht er da eigentlich? Klar, was ein Aufsichtsratsvorsitzender zu beaufsichtigt, ist schon klar, aber wofür kriegt er eigentlich Geld?

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