Trendwende bei Münchner Immobilienpreisen? Experten sehen Anzeichen
München - Die Zahlen sind recht eindeutig. Laut der neuesten Erhebung des Marktforschungsinstituts IVD Süd ist im süddeutschen Raum der Gesamtumsatz mit Immobilienverkäufen im Vergleich zum Frühjahrsquartal deutlich zurückgegangen. In Zahlen: minus 11,9 Prozent in Bayern, minus 14,2 Prozent in Baden-Württemberg. Von 13,4 auf 11,5 Milliarden Euro sank der Gesamtumsatz bayernweit im Quartalsvergleich.
IVD-Süd-Chef Kippes: "Es ist eine eindeutige Trendwende"
Normalerweise veröffentlicht der IVD Süd seine Zahlen erst im September. "Aber bei dem eindeutigen Trend wollten wir mit der Info nicht bis dahin warten", sagt IVD-Süd-Chef Stephan Kippes. Erstmals seit 28 Jahren, in denen er an der Spitze des IVD steht, habe er daher eine außerordentliche Presserunde veranschlagt. "Es ist eine eindeutige Trendwende", sagt Kippes. Und: "Ich kann versprechen, dass sich die Preise im September verändern werden." Derzeit erhebt der IVD Süd die nötigen Daten, um sie dann im Vorherbst zu präsentieren.

Auch in München verhält sich der Immobilienumsatz parallel zum bayernweiten Volumen. Die genaue Höhe in der Stadt ist ein Mysterium. Nicht einmal der IVD kennt den Jahresumsatz der Immobilienwirtschaft in München, weder prozentual noch in Euro.
Die Zahl der Münchner Verkaufsangebote hat sich fast verdoppelt
Doch man kennt die Zahl der angebotenen Immobilien, die zum Verkauf stehen. Auch ein wichtiger Indikator. Und die hat sich in München seit Dezember 2021 fast verdoppelt. Waren es damals noch etwa 1.000 Objekte, sind es jetzt 1.916 Wohnungen und Häuser, die zum Verkauf stehen.
Auslöser für all das ist laut den IVD-Experten an erster Stelle der Anstieg der Zinsen für Immobilienkredite. Zwar seien die noch lange nicht so hoch wie noch 1974, 1981 oder 1992. Damals waren zweistellige Zinssätze für Immobilien-Darlehen üblich (bis zu 11 Prozent, Zwischenfinanzierungen bis zu 14 Prozent).
Doch der Sprung - ausgelöst durch die höheren Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) - auf bis zu drei Prozent sei eben "so heftig, dass es sich jetzt die Interessenten für Immobilienkredite schon ganz genau überlegen und vorsichtiger sind", sagt Kippes. Eine Beispielrechnung: Zahlte man bei einem Kredit von 600.000 Euro bis vor Kurzem noch eine monatliche Tilgung von etwa 1.650 Euro (Zinssatz 0,8 Prozent), würde sich diese Rate bei einem aktuellen Zinssatz (rund 3 Prozent) deutlich steigern, auf monatlich etwa 2.700 Euro.
Hat die EZB zu spät mit den Leitzinsen reagiert?
Insgesamt spielen laut Kippes mehrere Faktoren eine entscheidende Rolle. Die hohe Inflation mache den Leuten genauso zu schaffen wie all die Unsicherheitsfaktoren, rund um Ukrainekrieg, weiterhin Corona (ein unberechenbarer Schwelbrand laut Kippes), die Energiefrage (Gasspeicherstand) und nicht zuletzt die Italien-Frage, wo ja bald Neuwahlen stattfinden sollen. "Das darf man nicht unterschätzen", warnt Kippes, "was, wenn dort zum Beispiel Neofaschisten an die Macht kommen sollten? Das wäre eine große Belastung für den Euroraum."
Ohnehin habe die EZB zu spät mit den Leitzinsen reagiert. "Großbritannien und USA waren da viel früher dran und versuchten, der Inflation entgegenzuwirken", deutet Kippes die EZB-Strategie. Grund für das Zögern sei mutmaßlich gewesen, dass der Euroraum hoch verschuldete Mitgliedsstaaten habe.
"Wir ziehen die Immobilienpreise bereits nach unten"
Doch zurück zu den Immobilienzahlen, wie etwa für den Bau einer Immobilie, um genau zu sein, die Preise für Materialien. Auch die schreckten viele Häuslebauer ab, so Kippes. Auf einer IVD-Folie sind die Preissteigerungen für Materialien recht eindrücklich. Hauptsächlich dreht es sich da um Holzmaterialien. Die Top-Vier der Preissteigerungen, im Vergleich zum Vorjahr, in Prozent: Konstruktionsvollholz plus 77,3; Dachlatten plus 65,1; Bauholz plus 61,4 und Betonstahl in Stäben plus 53,2.
Martin Schäfer ist Immobilienexperte aus München. Er spürt die Zurückhaltung der Käufer seit Jahresbeginn deutlich. Grund zur Sorge sehe er für Immobilienhändler nicht. Aber: "Die Vermarktung ist seit Jahresbeginn deutlich schwieriger. Das Hauptgeschäft läuft nicht wie sonst", sagt Schäfer, "wir ziehen die Verkaufspreise bereits nach unten, um die Immobilie attraktiver zu machen."
Der Augsburger Immobilienmarkt ist traditionell stark beeinflusst vom Münchner Markt. Viele Münchner Exilanten leben inzwischen dort, die sich die Münchner Preise nicht mehr leisten wollten.
Der Augsburger Immobilienfachmann Florian Schreck wirkt überrascht, als er sagt: "Der Immobilienmarkt ist eigentlich träge. Seit 22 Jahren habe ich eine so abrupte Änderung nicht gesehen." Auch dort nehme das Angebot an Immobilien zu, aber noch nicht sprunghaft. Früher habe sich der Verkaufspreis oft nach oben korrigiert. "Jetzt ist es umgekehrt", sagt Schreck.
Doch die Immobilienfachwirte machen sich keine Sorgen um ihr Geschäft. "Eine Bereinigung tut dem Markt gut", sagt Kippes. Eine Blase sehe er in München noch lange nicht. "Dafür ist die Nachfrage zu groß, hauptsächlich durch Zuzug", sagt Kippes.
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