Interview

Traditions-Kaufhof in München schließt: "Zeitenwende am Stachus"

Nach 70 Jahren verliert das Warenhaus am Stachus den Mieter Kaufhof. Miteigentümer Michael Zechbauer über Kindheitserinnerungen, verlorene Millionen – und warum er sauer auf René Benko ist.
Irene Kleber |
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Das Warenhaus am Stachus, 1951 eröffnet, ist einst als "modernstes Kaufhaus Europas" gefeiert worden. Ende September endet die Kaufhof-Ära.
Das Warenhaus am Stachus, 1951 eröffnet, ist einst als "modernstes Kaufhaus Europas" gefeiert worden. Ende September endet die Kaufhof-Ära. © Sigi Müller

München - AZ-Interview mit Michael Zechbauer: Der Münchner Zigarren-, Hüte-, Sicherheitstechnik- und Film-Unternehmer (53) mit Sitz in der Residenzstraße ist auch Mitinhaber des Warenhausgebäudes am Stachus.

Michael Zechbauers Großvater, der Zigarren- und Hutfabrikant Curt Zechbauer, hat das damals spektakuläre Warenhaus am Stachus 1951 extra für den Mieter Kaufhof AG bauen lassen. Ein Wirtschaftswunderpalast ist es geworden, das "modernste Kaufhaus Europas". Heute sieht der Stahlskelettbau von außen noch immer aus wie damals. Nur drinnen wird bald nichts mehr sein, wie es war: Kaufhof wird spätestens zum 30. September ausgezogen sein, wahrscheinlich früher. Der Ausverkauf für immer ist gerade angelaufen.

Der Ausverkauf für immer hat schon begonnen.
Der Ausverkauf für immer hat schon begonnen. © iko

Denn Kaufhof gehört längst zum Warenhauskonzern "Galeria-Kaufhof-Karstadt" (GKK) und damit der Signa Holding des österreichischen Milliardärs René Benko. Der wollte schon vor zwei Jahren Schluss machen an diesem Standort, der ihm keine Gewinne brachte. Derweil hat er in München diverse Immobilien in Bestlage zusammengekauft – nebenan zum Beispiel, das Karstadt-Gebäude, das bis zum Hauptbahnhof vor reicht, und dessen 70er-Jahre-Anbau er nun abreißt, um einen Einkaufstempel neu zu bauen.

Michael Zechbauer, der in den eigenen Familienunternehmen rund 800 Menschen beschäftigt, wollte nicht, dass die 300 Kaufhof-Mitarbeiter ihre Jobs verlieren – sondern Zeit schenken, damit sie neue Arbeit finden. Weshalb er Benko und Kaufhof seine 20.000 Quadratmeter Ladenflächen bis zum offiziellen Mietvertragsende 2022 zwei Jahre praktisch mietfrei überlassen hat. Nun ist die Kaufhaus-Ära zu Ende, auch für ihn persönlich.

AZ: Herr Zechbauer, 70 Jahre gehörte der Kaufhof am Stachus zu Ihrer Familiengeschichte. Wie fühlt sich dieses Ende jetzt für Sie an?
MICHAEL ZECHBAUER: Dass es wirtschaftlich nicht mehr rentabel ist, ein Warenhaus auf so viel Fläche zu betreiben, dafür kann niemand was. Das hat sich abgezeichnet, die Zeiten ändern sich. Dass das jetzt endet, ist in Ordnung so. Aber ich werfe der Signa vor, dass sie ein sehr nüchtern kalkulierender Immobilienladen ist, der sich nicht freiwillig eine angeschlagene Warenhauskette angetan hat, sondern nur einen Weg gesucht hat, an die Immobilien zu kommen, die dazugehören.

"Wo ist denn da der gesellschaftliche Mehrwert?"

Die gab es vermutlich sehr günstig.
Davon kann man ausgehen. Aber anstatt den Wert dieser Häuser so einzusetzen, dass Arbeitsplätze erhalten werden, kauft man die Filetstücke gewinnbringend heraus und setzt die Mitarbeiter raus, raus, raus. Die Signa-Immobiliensparte hat eine Milliarde Gewinn gemacht 2021. Und dann lässt sich die Politik drauf ein, denen während der Corona-Krise, um Galeria zu retten, 700 Millionen Euro Hilfskredite zu geben, die nicht abgesichert sind, wenn Galeria erneut und final insolvent geht. Das ist Steuerzahlergeld. Wo ist denn da der gesellschaftliche Mehrwert?

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Sie haben René Benko auch indirekt beschenkt. Auf wie viel Miete haben Sie während der letzten zwei Jahre verzichtet?
Drei Millionen pro Jahr, also insgesamt sechs Millionen Euro. Aber das wird am Ende längst nicht alles sein.

Warum?
Kaufhof hat eine sehr, sehr höfliche Miete gehabt für diesen Standort, war im Gegenzug aber vertraglich verpflichtet, das Haus selbst in Schuss zu halten. Sie hätten auch erhebliche Rückbauverpflichtungen gehabt zum Auszug. Da müssen Wände gezogen werden zu Nachbargebäuden, bei denen Räume mit angemietet worden sind, technische Anlagen müssen raus, Fluchtwege müssen geändert werden, das ist ein Rattenschwanz. Stattdessen verlassen sie das Gebäude nach 70 Jahren kurz vor marode.

"Das Haus war mit ein Fundament, auf dem das Unternehmen wachsen konnte"

Und nicht wieder vermietbar?
Nein. Letzten Endes müssen wir auf unsere Kosten 22.000 Quadratmeter generalsanieren.

Um welche Summen geht es?
Das ist ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag, auf dem wir sitzen bleiben, weil GKK sich im Zuge der Insolvenz dessen entledigt hat – obwohl René Benko wirklich nicht am Hungertuch nagt.

Der Ausverkauf für immer hat schon begonnen.
Der Ausverkauf für immer hat schon begonnen. © Sophie Anfang

Wie groß ist eigentlich Ihre Bindung zu dem Haus?
Es bedeutet mir viel. Ich war als Kind wahnsinnig gern drinnen, weil wir dort einen Paternoster hatten. Das Beste war, ins Büro im siebten Stock vorne am Eck zu schauen. Von da oben hinunter gucken, das ist spektakulär. Zum anderen hat meine Bindung mit Familientradition zu tun. Das Haus war mit ein Fundament, auf dem das Unternehmen wachsen konnte.

Die Zechbauers kamen nicht aus München, richtig?
Meine Familie kam vor sieben Generationen bettelarm aus Südtirol nach München, um ihr Glück zu versuchen. Das waren Bergwerksarbeiter. Es ging ganz einfach mit einem Kramerladen in der Au los, dann haben sie angefangen, Zigarren zu importieren, der König war begeisterter Zigarrenraucher. Dann wurde die Mayser Hutfabrik dazugekauft. Was ich heute unternehmerisch bewerkstellige, kann ich, weil die Generationen vor mir etwas erschaffen haben. Dazu gehört auch das Warenhausgebäude am Stachus. Ich habe da etwas in die Hand bekommen und ich versuche, es zu erhalten.

Wissen Sie, wann genau Kaufhof ausgezogen sein wird?
Nein, die Kommunikation läuft äußerst dürftig. Ich habe ja sogar über die Insolvenz damals nur über die Zeitung erfahren. Das ist mehr als geschmacklos. Wir waren 70 Jahre lang über jede Kleinigkeit im engsten Austausch, aber da kann man nicht mal den Hörer in die Hand nehmen, und sagen: Sie, übrigens ..."

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"Lustigste Zuschriften mit Ideen für eine Nutzung"

Was planen Sie also für die Zukunft des Gebäudes?
Das steht noch nicht ganz fest. Wir haben da schon die lustigsten Zuschriften mit Ideen zur Nutzung bekommen. Ordnerweise, von der Idee einer Grünfläche bis zu einer Dame, die meinte, man habe doch Schwierigkeiten mit der Suche nach einem Ausweichquartier für die Philharmonie im Gasteig, ob das nicht was wäre für unser Haus. Das fand ich süß.

Und was wollen Sie?
Ein Hotelkonzept fällt für mich aus. Ich könnte mir eine kleinteilige Nutzung mit einem größeren Geschäft auf ein, zwei oder drei Stockwerken vorstellen im Unter-, Erdgeschoss und ersten Stock. Das ist eine Größenordnung, die heute noch sehr gefragt ist, vor allem mit der unterirdischen Anliefersituation, die wir haben.

Und drüber? Es sind ja acht Stockwerke.
Drüber kann ich mir vorstellen, dass es in Richtung Office-Konzept geht. Durch die Skelettbauweise des Hauses, fast baukastenartig ohne viel tragende Mauern, kann man im Prinzip sehr leicht umbauen.

Umbau dürfte zwei bis drei Jahre dauern

Nur Büros, keine Wohnungen?
Das wären schöne Wohnungen, keine Frage. Aber das wird sich schwerlich finanzieren lassen. Wenn man hier versuchen würde, die Miete möglichst niedrig zu halten – was ja richtig wäre, dann ginge der Schuss finanziell nach hinten los.

Haben Sie einen möglichen Mieter oder Investor im Auge? Es war ja schon die Rede von Amazon bis Ikea.
Nein, wir schauen uns um, führen Gespräche und haben seit zwei Jahren einige Konzepte. Aber es ist nichts spruchreif.

Ein Umbau wird dauern. Wann geht's los, wie lange wird Leerstand sein?
Nach dem Herbst, denke ich. Von der ersten Bewegung bis zum letzten Stein – da sprechen wir von zwei, drei Jahren, wobei das ein sportlicher Zeitplan ist. Und man muss schauen, welche Teilbereiche man zwischennutzen kann, vielleicht in verschiedenen Bauabschnitten. Der Stadt liegt sicher nicht daran, an so einer prominenten Stelle auf lange Zeit ein totes, leeres Eck zu bekommen. In jeden Fall wird das eine Zeitenwende am Stachus sein.

Eins noch: Hat Ihnen die Signa für Ihr Haus nicht auch ein Kaufangebot gemacht? Ist ja auch Bestlage.
Des Öfteren schon. Geschmackloserweise das letzte Mal sogar noch nach der Insolvenz. Ich habe bewusst einen so hohen Tarif aufgerufen, dass klar ist, dass bei uns eine extrem eingeschränkte Bereitschaft besteht, mit Signa Geschäfte zu machen.

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31 Kommentare
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  • Joss2000 am 07.06.2022 22:01 Uhr / Bewertung:

    Den Laden abreißen und ein Parkhaus errichten.
    Ganz oben ein Restaurant mit Dachterrasse.

  • Sarkast am 07.06.2022 20:39 Uhr / Bewertung:

    >>>Ich habe da etwas in die Hand bekommen und ich versuche, es zu erhalten.<<<

    Man merkt, daß dieser sehr souveräne Mann aus einer alten Münchner Unternehmerfamilie stammt,
    die durch Fleiß und Arbeit etwas geschaffen hat.
    Dagegen ist dieser junge Benko ein typischer neureicher Millionärs-Schnösel,
    der wahrscheinlich vor lauter Geldgier nachts nicht schlafen kann und davon träumt,
    in die Liga von Bezos, Musk, Zuckerberg etc. und Konsorten aufzusteigen

  • Dimpfe am 06.06.2022 23:26 Uhr / Bewertung:

    Tja, so ist die Zeit. Tradition, Fleiss, ehliche Kaufmannsarbeit usw. wie bei der Familie Zechbauer ist nicht mehr gefragt. Rendite - je mehr und schneller, desto besser ist "IN". Mitarbeiter, also Menschen, die von ihrer Arbeit leben - egal. Hauptsache, die Rendite stimmt.

    Deutschland hatte schon immer "Grossindustrielle", die natürlich auch immer gut verdient haben, ABER sich auch um ihre Mitarbeiter gekümmert haben (siehe "Werkswohnungen" usw.), weil sie genau wussten, dass sie so solide und nachhaltig ihren Gewinn vermehren können.

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