Theda Ockenga: Wie eine Münchnerin im Ehrenamt aufgeht

München - Rumänien, Vietnam, Frankreich, Türkei oder auch die Philippinen: Die Liste der Reiseziele macht deutlich, dass Theda Ockenga schon einiges von der Welt gesehen hat. "Reisen war immer ein Teil meines Lebens", erklärt die 32-Jährige im Gespräch mit der AZ. Bereits früh lernte sie andere Länder und Kulturen kennen – mit sieben Jahren ging es erstmals in die Ferne. Weil ihr Vater, der fürs Auswärtige Amt arbeitete, versetzt wurde, lebte Theda zwei Jahre lang in Rumänien. Hier sah sie Obdachlose auf der Straße und kam dadurch zum ersten Mal mit dem Thema Ehrenamt und Helfen in Kontakt.
Nach Auslandsaufenthalten und einem Tourismusmanagement-Studium in Österreich führte es Theda beruflich zurück nach München. "Das war eigentlich nie geplant. Ich habe damals auch immer gesagt, ich wohne hier nur zur Untermiete. Eineinhalb Jahre wusste ich nicht, ob ich wirklich in München bleibe."
Von der Festanstellung in die Selbstständigkeit
Theda blieb – und hat ihre Erfahrungen aus dem Studium und der Arbeit im Veranstaltungsbereich genutzt, um sich selbstständig zu machen. Der Weg heraus aus der Festanstellung war für sie intrinsisch motiviert – "ich wusste irgendwann mal, ich will mehr. Ich möchte mehr Substanz mit dem was ich tue", begründet Theda ihre Entscheidung im Nachhinein.
Den wohl größten Teil ihres Lebens nimmt allerdings das ehrenamtliche Engagement ein. Und das in vielen Projekten, in denen sie mittlerweile teilweise auch Vorsitzende ist. Dass sie dafür in der Vergangenheit immer wieder Opfer bringen musste, ist ihr bewusst. Doch für sie war und ist es die Mühe wert. "Ich stecke da sehr viel Zeit und Energie rein und habe auch sehr viel privat zurückgesteckt. Aber ich weiß wofür und das ist auch etwas, das ich nicht einfach so aufgeben wollen würde."
Münchner Obdachlosen ein Lächeln schenken
Eines dieser Projekte ist "Weihnachten auf der Straße". War sie beim Start im Jahr 2016 wegen ihrer Festanstellung noch im Hintergrund tätig, ist Theda seit 2018 für das Projekt verantwortlich. Durch Spenden stellen die Verantwortlichen Taschen mit nützlichen Dingen zusammen. Am Tag vor Heiligabend verteilen sie diese Taschen dann in der Innenstadt an Obdachlose. So dürfen sich die Menschen, die jeder täglich sieht, aber für viele doch meist unsichtbar bleiben, beispielweise über ein Paar Wollsocken, eine warme Decke und Plätzchen zu Weihnachten Freude.
Das Lächeln eines einzelnen Obdachlosen macht für die Projektleiterin schon den Unterschied. "Das berührt mich so ungemein, weil darum geht's uns eben auch. Den Menschen das Thema ins Bewusstsein zu rufen."
Mit den Jahren stieg die Anzahl der verteilten Taschen immer weiter an. Wurden im Anfangsjahr noch etwa 70 Taschen verteilt, sind es in diesem Jahr 170 geworden. Hinzu kommen zwei Weihnachtsfeiern mit Essen und Getränken für die Obdachlosen. Viel Organisation, Einsatz und Wille für ein verhältnismäßig kleines Team: Denn dieses Jahr sind es nicht einmal zehn Mitglieder, die sich mit ihrer Aktion ehrenamtlich für obdachlose Menschen einsetzen.
Theda: "Dieser soziale Aspekt – das bin einfach ich"
Doch Theda möchte noch mehr im ehrenamtlichen und sozialen Bereich tun, weswegen sie sich zum kommenden Jahr aus dem operativen Bereich ihrer selbstständigen Tätigkeit zurückzieht. "Das Potential ist noch nicht ausgeschöpft. Das ist einfach meiner Zeit und meiner Nicht-Möglichkeit, mich zu vierteilen geschuldet", sagt sie schmunzelnd. "Allerdings weiß ich, dass das, was ich im sozialen Bereich gerade bewege, mehr meine Ecke ist."
Ihre Motivation, viel Zeit und Mühe ins Ehrenamt zu investieren? "Mir macht das unglaublich viel Spaß zu sehen, wie viel man bewirken kann für andere Menschen. Dieser soziale Aspekt – das bin einfach ich." Viele Projekte, viele Termine, immer abrufbereit sein – wer Theda sieht und mit ihr spricht, kommt um den "Wirbelwind"-Vergleich nur schwer herum.
Parallel zu "Weihnachten auf der Straße" ist Theda auch im Team von "GivingTuesday" aktiv, der größten sozialen Bewegung der Welt, die 2012 in den USA als Antwort auf den Konsumwahn der "Schnäppchentage" Black Friday und Cyber Monday entstanden ist. Wie der Name schon sagt, geht es beim "GivingTuesday" ums Geben. Seit 2015 gibt es die globale Bewegung auch in Deutschland. Das Ziel der Initiatoren: Gemeinsam die Gesellschaft verbessern und eine lebenswertere Welt schaffen. Wenn Theda mit einer solchen Begeisterung und beinahe ohne Punkt und Komma über das Thema spricht, wird klar, wie sehr ihr das Geben und Miteinander am Herzen liegt. "Theda lebt für das, was sie tut. Auf sie ist immer Verlass", sagt eine Kollegin über sie.
Energie für etwas verwenden, anstatt gegen etwas
Theda ist ein Teamplayer – eine Eigenschaft, ohne die das ehrenamtliche Engagement wohl auch nur schwer möglich wäre. Ihre Marschroute macht sie dabei unmissverständlich klar: "Mehr miteinander und am Ende gewinnen wir alle davon. Gemeinsam mehr erreichen!"
Die 32-Jährige stelle immer wieder mit großem Erstaunen fest, wie oft die Angst bei den Menschen da ist, dass man sich gegenseitig etwas wegnehmen könnte. "Mehr miteinander! Die Menschen sollten die Energie für etwas verwenden, anstatt gegen etwas", sagt sie mit einem solchen Tatendrang, dass schnell klar wird, dass sie zu hundert Prozent hinter dem steht, was sie tut.
Das Thema Ehrenamt in München hält sie jedoch noch für ausbaufähig. Ihrer Meinung nach werde zu wenig für die Menschen getan, die sich ehrenamtlich engagieren. "Mir ist es immer ein Anliegen zu sagen: Ehrenamt ist wichtig, aber es sollte nicht zu dem Punkt kommen, wo man normale Stellen besetzt. Und ich würde mir wünschen, dass da mehr für die Menschen getan wird, die sich so engagieren." Es ist zu spüren: Theda hat sich auch abseits ihrer eigenen Projekte viele Gedanken zum Thema gemacht.
Die Menschen sollen einen konkreten Vorteil von ihrem Ehrenamt haben, auch wenn die Motivation hauptsächlich aus einem eigenen Antrieb heraus erfolgt. "Aber trotzdem: Die Menschen geben ihre Zeit her. Ihre Zeit, die sie auch für etwas anderes verwenden könnten", sagt Theda mit Nachdruck und man hört deutlich, wie ihre Stimme dabei lauter wird. Als Beispiel für einen solchen Vorteil bringt sie ein Gratis-Ticket für den ÖPNV ins Spiel, wenn jemand eine bestimmte Stundenzahl ehrenamtlicher Arbeit leistet.
Die Leidenschaft, die hinter ihren Aussagen steckt, macht deutlich: Theda wird es in Zukunft wohl nicht mehr in die entlegensten Ecken der Welt verschlagen, zu sehr ist sie mittlerweile mit dem Ehrenamt verbunden. Dank ihrer Projekte scheint sie wieder endgültig in München angekommen zu sein. "Ich fühle mich einfach in der Verantwortung, dass ich das nicht beenden möchte. Das ist ein ganz großer Punkt. Ich bin guter Dinge, dass ich hierbleibe", sagt die 32-Jährige.
Es wäre ein gutes Zeichen für München und das Ehrenamt in der Stadt.
Lesen Sie auch: Finanzminister wollen Menschen im Ehrenamt besserstellen