Täter vor Gericht: Harte Strafe für den Münchner Eistee-Dieb

Ein 25-Jähriger stiehlt Getränke im Kaufhaus und wird dafür zu einem  Jahr Haft verurteilt.
John Schneider
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In der Lebensmittelabteilung der Kaufhof-Filiale am Marienplatz war der Schaden durch den geständigen Ladendieb überschaubar: Eistee und Milch im Gesamtwert von 4,68 Euro.
In der Lebensmittelabteilung der Kaufhof-Filiale am Marienplatz war der Schaden durch den geständigen Ladendieb überschaubar: Eistee und Milch im Gesamtwert von 4,68 Euro. © Felix Hörhager/dpa

München - "Es war 35 Grad heiß, ich hatte kein Geld und ich hatte Durst." So erklärt Ben T. (25, Name geändert) vor Gericht, warum er am 14. August in der Lebensmittelabteilung der Kaufhof-Filiale am Marienplatz beherzt zu einer Eistee-Flasche griff, sie öffnete und daraus trank.

25-Jähriger wegen ein paar Euro in Haft

Eine Aktion, die er zwar inzwischen bitter bereut. Dass er dafür aber bereits vier Monate in U-Haft sitzt, will dem jungen Franzosen nicht in den Kopf. Tatsächlich war der Schaden durch den geständigen Ladendieb überschaubar. Neben dem Eistee hatte Ben T. auch Milch gestohlen. Gesamtwert der Beute: 4,68 Euro.

Doch Ben T. ist nicht nur wegen des Diebstahls angeklagt. Als ihn eine Sicherheitsmitarbeiterin des Kaufhauses zur Rede stellen will, schubst er sie, um fliehen zu können. Die ganze Aktion ist auf den Überwachungskameras zu sehen. Ben T. kommentiert die Bilder mit den Worten: "Und dafür ins Gefängnis?"

Mitführen einer Waffe: Kaum Spielraum für den Richter

Amtsrichter Josef Bonkamp bleibt aber wenig Spielraum. Der Grund: Der 25-Jährige hatte bei der Tat in seinem Rucksack ein Cuttermesser. "Zum Brotschneiden", erklärt er am Dienstag.

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Für die Staatsanwaltschaft aber hat er damit den Tatbestand des räuberischen Diebstahls mit Waffen verwirklicht. Mindeststrafe drei Jahre. In einem weniger schweren Fall immer noch ein Jahr. Von einem solchen minder schweren Fall gehen alle Prozessbeteiligten aus. Dass der Angeklagte das Messer nicht nutzen wollte, glauben ihm alle im Saal. Es nutzt ihm bloß nichts, da allein das Mitführen einer Waffe für eine Verurteilung ausreicht.

Ein Jahr Haft für den vorbestraften Franzosen

So sieht es auch die Staatsanwältin, die ein Jahr und vier Monate Haft ohne Bewährung beantragt. Strafverteidigerin Heidi Pioch glaubt, dass das absolute Mindestmaß, ein Jahr Haft auf Bewährung, als Strafe reicht.

Doch Bewährung bekommt Ben T. nicht. Zum einen, weil er nur ein paar Monate zuvor bereits wegen Diebstahls zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Zum anderen kann ihm Richter Bonkamp keine positive Sozialprognose ausstellen. Der 25-Jährige hat kein Geld, keine Arbeit und keine Sozialkontakte in Deutschland.

Der Richter verurteilt ihn also zu einem Jahr Haft, bleibt damit zwar an der untersten Grenze. Ein bitterer Nachgeschmack aber bleibt: Ein Jahr ins Gefängnis für den Diebstahl von zwei Getränken scheint stark übertrieben. Um das zu ändern, wäre aber der Gesetzgeber, nicht der Amtsrichter gefragt.

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11 Kommentare
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  • Der wahre tscharlie am 07.12.2022 16:46 Uhr / Bewertung:

    Voll überzogenes Urteil!!! Alleine schon die Begründung zu dem Cutter-Messer in seinem Rucksack.
    Da fällt mir Aiwangers Aussage zu Messern ein, den genauen Wortlaut erspar ich mir jetzt.
    Man stelle sich vor, irgendjemand fängt in betrunkenem Zustand im Wirtshaus eine Rauferei an, Polizei kommt, und zufällig hat er ein Brotzeitmesser in der Tasche, OHNE dass er es benutzt. Was passiert dann?
    Wird dann der Richter genauso argumentieren wie in dem vorliegenden Fall?

  • glooskugl am 08.12.2022 08:20 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    Es ist schon bedrückend was unser Gesetzbuch bzw die Grundlage auf der Staatsanwalt und Richter urteilen so alles an Bockmist beinhaltet. Es ist aber genau so schlimm, dass Richter und Staatsanwaltschaft das so umsetzen ohne mit der Wimper zu zucken. Faulheit siegt bzw gestattet man der Faulheit Urteile zu generieren die zum Himmel schreien. Unser Gesetzbuch ist stark zu hinterfragen , nur es tut niemand.
    Ich kann nur hoffen, dass dieses Urteil bis zum Europäischen Gerichtshof geht ,und die diesen Mist erkennen ,und das Urteil dort hinwerfen wo es hingehört ...auf den Misthaufen.

  • Der wahre tscharlie am 08.12.2022 14:42 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von glooskugl

    Richtig. Es gehören so manche Gesetze hinterfragt, ob sie überhaupt der Realität entsprechen.
    Und im vorliegenden Fall ist es ja so, dass ihm ALLE glauben, dass er das Messer NICHT benutzen wollte. Aber das Gesetz......
    Ok, er hat schon Bewährung. Aber es gibt genug Urteile, wo Täter wg. schlimmerer Vergehen noch mal Bewährung bekommen.
    Und was die vom Richter angesprochene Sozialprognose betrifft.....die ändert sich doch nicht, wenn er nach der Haft wieder raus kommt. Da hat er dann auch kein Geld, keine Arbeit und keine Sozialkontakte. und das wegen 4,68 Euro.

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