Münchner Armutsbericht: Wie viele Leistungsempfänger in welchem Viertel wohnen
München - Ein Bettler hockt auf dem Gehweg, eine Decke ist um seine Beine geschlungen. Vor ihm steht ein Pappbecher mit ein paar Münzen drin, hinter ihm im Schaufenster hängen Kleider, die Hunderte Euro kosten. Wer durch die Maximilianstraße spaziert, sieht jeden Tag, was der neue Münchner Armutsbericht auf gut 400 Seiten zusammenfasst: dass im reichen München sehr große Armut herrscht.
Etwas weniger Armut in München als beim letzten Bericht 2017
265.600 Münchner gelten als armutsgefährdet. Das sind 17 Prozent der Menschen in der Stadt. Oder so viele wie in Mönchengladbach insgesamt leben. 2017, als der Armutsbericht zuletzt erschienen ist, gab es sogar noch ein paar Tausend mehr Arme in München.
Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Vergleichsbevölkerung verfügt. Für eine Person liegt die Schwelle in München bei 1.540 Euro im Monat und damit fast 200 Euro höher als noch vor vier Jahren.
Für 106.000 Münchner kommt eine Woche Urlaub im Jahr nicht in Frage
Der Betrag ist wichtig, weil man ab diesem Einkommen in München einige Vergünstigungen erhält. Auf einen Antrag der SPD hin hat der Stadtrat am Dienstag beschlossen, die Grenze jedes Jahr an die Inflation anzupassen.

Der Armutsbericht zeigt, dass sich viele das nicht leisten können, was für andere selbstverständlich ist: Fast 150.000 Münchner stünden vor Schwierigkeiten, wenn sie plötzlich eine Rechnung von 1.100 Euro bezahlen müssten. Für 40 Prozent der armen Münchner (also für 106.000 Menschen) kommen eine Woche Urlaub im Jahr oder eine Kulturveranstaltung im Monat nicht in Frage.
Besonders prekär ist die Lage der Alleinerziehenden in München
Je mehr Kinder in einem Haushalt leben, desto höher ist auch das Risiko arm zu werden: 35 Prozent der Haushalte mit drei und mehr Kindern sind armutsgefährdet.
Besonders prekär ist die Lage der Alleinerziehenden: 90 Prozent von ihnen zählen als armutsgefährdet oder zur "unteren Mitte". Bei jungen Menschen ist die Armutsgefährdungsquote am höchsten. Rund 36 Prozent der befragten Erwachsenen zwischen 18 bis 24 Jahren leben in Haushalten, die armutsgefährdet sind.
Allerdings weist der Bericht auch darauf hin, dass junge Menschen noch eine Chance auf Aufstieg haben. Zwei Drittel besuchen eine Schule oder studieren. Ein größeres Problem sehen die Verfasser deshalb bei den Älteren, die kaum Möglichkeiten haben, mehr zu verdienen. Gut ein Viertel der über 65-Jährigen (also etwa 67.700 Münchner) gilt als arm. Weitere 52 Prozent von ihnen zählen zur "unteren Mitte".
Insgesamt 107.000 Münchner bekommen so genannte Transferleistungen
Sorgen macht der Dritten Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD), dass Sozialhilfe, die der Bund bezahlt, im teuren München nicht ausreicht. Sie fordert, dass die Regelsätze auf mindestens 650 Euro aufgestockt werden müssten.
Insgesamt 107.000 Personen bekommen so genannte Transferleistungen durch die Landeshauptstadt München oder das Jobcenter – also zum Beispiel Arbeitslosengeld oder Grundsicherung, das sind etwa 6,9 Prozent der Münchner. 2017 lag diese Quote noch bei 7,5 Prozent.
Beschluss des Stadtrats: 250.000 Euro für die Sozialbürgerhäuser
Trotz Rückgang beziehen immer mehr Münchner Grundsicherung im Alter. 2016 beanspruchten diese Hilfe rund 15.800 Menschen, 2021 waren es 17.000. Die tatsächliche Zahl der armen Münchner Senioren könnte sogar noch höher liegen. Das Sozialreferat rechnet damit, dass fast 25 Prozent keine Grundsicherung beziehen, obwohl sie einen Anspruch darauf hätten.
Auf Antrag der SPD hin hat der Stadtrat am Dienstag deshalb beschlossen, mit einer Viertel Million die Sozialbürgerhäuser zu verbessern. Alle sollen, so fordert es die SPD, Beratung auf Augenhöhe erhalten und sich nicht als Bittsteller fühlen.
Am höchsten ist die Quote der Leistungsempfänger in Randbezirken wie Ramersdorf-Perlach
Altersarmut trifft Migranten besonders häufig: 42 Prozent der älteren Münchner mit Migrationshintergrund sind armutsgefährdet. Das sind doppelt so viele wie ihre Altersgenossen ohne Migrationshintergrund. Der Stadtrat beschloss deshalb - ebenfalls auf einen Antrag der SPD hin -, dass die Stadt für Migranten ein eigenes Konzept zur Bekämpfung von Armut erarbeiten soll. Auffällig ist auch, dass Armut in München ungleich verteilt ist.

Sie legt sich wie ein Ring um die Stadt: Am höchsten ist die Quote der Leistungsempfänger in den Randbezirken Ramersdorf-Perlach (8,6), Berg am Laim (8,3), Milbertshofen Am Hart (8,1). Am niedrigsten ist die Armut im Zentrum. Im Viertel Altstadt-Lehel sind nicht einmal drei Prozent auf finanzielle Unterstützung durch den Staat angewiesen.
Was kann München gegen Armut tun? Darüber diskutieren am Mittwoch ab 18.30 Uhr Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD), Grünen-Stadträtin Clara Nitsche und der Armutsbetroffene Jörg Mertens im Kulturzentrum Giesinger Bahnhof.