Städtische Kliniken: Zehn Baustellen in München

Die städtischen Krankenhäuser müssen saniert werden. Ein entsprechendes Konzept ist Mittwoch im Stadtrat. Die AZ listet auf, was geplant ist - und was kritisiert wird.
Sophie Anfang |
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München - Es ist das Dokument, das das kranke Kind Städtisches Klinikum wieder aufpäppeln soll – und schon sein Umfang zeigt, dass die Angelegenheit eher eine Schocktherapie als eine Behandlung in homöopathischen Dosen wird. 335 Seiten dick ist das Sanierungskonzept der Städtischen Kliniken, das heute im Stadtrat beschlossen werden soll. Die Einschnitte sind harsch: Jedes vierte Bett soll bis 2022 abgebaut werden. 1900 Menschen sollen ihren Job am Klinikum verlieren. Klinikleitung und OB Reiter sehen im Konzept die einzig mögliche Kur, um die defizitären Häuser wieder auf Kurs zu bringen. Von den Gewerkschaftsvertretern kommt massive Kritik.

Im März hatte die Klinikleitung bereits ein Grobkonzept für die Sanierung vorgelegt. Das Feinkonzept, das nun dem Stadtrat vorliegt, konkretisiert die verschiedenen Maßnahmen, die knapp eine Milliarde Euro kosten sollen. Die Anzahl der Betten wird um 23 Prozent auf 2524 reduziert. Anders als ursprünglich geplant, wird es an allen Standorten eine Notfallversorgung geben – das hatte der Stadtrat gefordert.

Es wird eine langwierige Therapie, die den Städtischen Kliniken bevorsteht. Die AZ erklärt die größten Baustellen:

1. Schwabing

Das Klinikum Schwabing wird am meisten geschröpft. Von den 878 Betten werden weniger als die Hälfte übrigbleiben, wenn die Sanierung abgeschlossen ist (414).

Das ist jedoch weniger drastisch, als ursprünglich geplant: Im Ursprungskonzept sollten nicht einmal 300 Betten im Münchner Norden verbleiben. Das liegt daran, dass die Dermatologie 2022 wieder nach Schwabing kommt. Zudem wird das bereits vorhandene Mutter-Kind-Zentrum um eine operative Gynäkologie und die Kinder-Psychosomatik ergänzt, die von Harlaching nach Schwabing umziehen.

Lesen Sie hier: Schwabinger sorgen sich um medizinische Versorgung

2. Thalkirchner Straße

Gerade saniert und doch vor dem Aus: Weil die Dermatologie komplett nach Schwabing geht, wird der Standort mit 131 Betten aufgegeben.

3. Harlaching

Harlaching verliert weniger Betten als ursprünglich geplant. Das Zentrum für Unfallchirurgie bleibt vor Ort und geht nicht nach Neuperlach. Zudem könnten hier auch Platz für die neue Beatmungsentwöhnung für langzeitbeatmete Patienten („Weaning“) entstehen. Im Mutter-Kind-Zentrum werden künftig gynäkologische Operationen angeboten. Trotzdem büßt Harlaching 27 Prozent der Betten ein (im Jahr 2022 nur noch 548).

Genau das kritisieren Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat des Klinikums. Im Münchner Westen sei die medizinische Versorgung so künftig nicht mehr ausreichend sichergestellt, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme.

4. Bogenhausen

979 Betten gibt es hier aktuell, diese Zahl soll bis 2022 auf 1020 aufgestockt werden. Die Station „Bewegungsapparat“ wird durch eine Alterstraumatologie ergänzt. Labor, Apotheke und Pathologie, sollen zentralisiert und vor allem hier angesiedelt werden.

5. Neuperlach

Im Grobkonzept vom Frühjahr sollte Neuperlach noch deutlicher wachsen, weil die Dermatologie und das Traumatologie-Zentrum jetzt aber doch nicht hierher kommen, wird weniger aufgestockt. 542 Betten (+ 4 Prozent) wird es 2022 hier geben. Die Idee, einen Neubau zu errichten, wurde gekippt.

6. Blutspendedienst

Klinik-Chef Axel Fischer will sich seit längerem von dem defizitären Blutspendedienst trennen, mit dem man nicht mehr konkurrenzfähig sei. Weil der Verkauf bislang nicht glückte, wird nun eine andere Strategie gefahren. Stimmt der Stadtrat zu, soll der Liefervertrag für Blut ausgeschrieben werden, gekoppelt mit der Bedingung, den Dienst gleich mit zu übernehmen.

Verdi stellt sich gegen diesen Plan. 9000 Unterschriften hat die Gewerkschaft gegen die Verkaufspläne gesammelt. Die Petition wird heute OB Reiter übergeben. Die Kritik: Die schlechte Lage des Blutspendedienstes liege an schlechtem Management und dürfe nicht an den Beschäftigten hängenbleiben.

7. Personalabbau

Wird der Blutspendedienst verkauft, fallen 89 Vollzeitstellen weg. Es soll aber noch mehr Personal gekürzt werden. Die Klinikleitung plant, verschiedene Bereiche auszulagern: Das Krankenhausessen soll nicht mehr in den vier eigenen Küchen zubereitet, sondern an einen externen Anbieter vergeben werden. Betroffen sind 180 Mitarbeiter. Beim Hausdienst und der Logistik ist dasselbe geplant. Im Reinigungsservice ist das bereits geschehen.

Insgesamt sollen bis 2022 1900 der derzeit 8000 Beschäftigten ihren Job am Klinikum verlieren. Bei 75 Prozent von ihnen soll das über Verrentung und Fluktuation möglich sein. Im medizinischen Bereich braucht es sogar keine einzige Kündigung, schätzt die Klinikleitung: Hier wird händeringend nach Personal gesucht. Weil die Lage der Kliniken jedoch seit Jahren in der Schwebe ist, ist das städtische Klinikum gerade für gesuchte Pflegekräfte kein wirklich attraktiver Arbeitgeber.

Die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat kritisiert das Personalkonzept. Die Pläne gingen zulasten der Beschäftigten – vor allem derjenigen, die ohnehin zu den Schwächeren gehörten, sprich dem nicht-medizinischen Personal. Wie sich die Arbeitsbedingungen der Pflegerinnen und Ärzte verbessern sollen, sei im Konzept ebenfalls nicht erwähnt.

8. Weiterqualifizierung

Im nicht-medizinischen Bereich könnten gut 400 Angestellte verbleiben, denen eine betriebsbedingte Kündigung droht. Das ist politisch jedoch nicht gewollt. Stadt und Klinik hoffen, diese Menschen über Weiterqualifizierungsmaßnahmen in anderen städtischen Unternehmen unterbringen zu können. Doch dafür muss erst geklärt werden, ob dies konform mit EU-Recht wäre. Nach derzeitigem Stand ist es das nicht, obwohl es aus Brüssel Signale gibt, das zu ändern.

9. Medizet

Seit 2009 ist das medizinische Dienstleistungszentrum (Medizet) ein eigenständiger Betrieb im Klinikum. Es umfasst Apotheke, Sterilgutversorgung, Labore und Pathologie.

Ursprünglich sollte ein eigenständiger Standort geschaffen werden, um die Angebote zu zentralisieren. Auch eine Privatisierung stand im Raum. Beides wurde verworfen. Das Medizet kommt nun nach Bogenhausen und Neuperlach.

10. Baumaßnahmen

770 Millionen Euro sind dafür im Sanierungskonzept vorgesehen. Bogenhausen soll bis 2025 durch einen vierstöckigen Ergänzungsbau erweitert werden. Kosten: 315 Millionen Euro. Am schnellsten geht es bereits Mitte 2016 in Schwabing los. Das Mutter-Kind-Zentrum bekommt einen Neubau. Neuperlach bekommt keinen Erweiterungsbau wie ursprünglich geplant. Hier wird bis 2020 saniert. Harlaching bekommt bis Ende 2021 einen Neubau, ein Altgebäude wird danach abgerissen.

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