Wieder ein Stück Gartenstadt weniger: In Solln wird nachverdichtet
Solln - Maria Küppers steht inmitten ihres Gartens - oder dessen, was einmal einer war. "Genau als der Krieg in der Ukraine anfing, hatten wir hier unseren eigenen Bombenangriff", sagt sie und schaut sich um. Am Donnerstag vergangener Woche kamen Arbeiter in die Halbreiterstraße 6 und fällten innerhalb eines Nachmittags alle Bäume und Sträucher auf dem Grundstück und ließen sie liegen. Das löste sogar über die Nachbarschaft hinaus Empörung aus.
Überall stapeln sich Äste und grüne Überreste
Dass es so kommen würde, wussten Küppers und ihr Mann: Vor ein paar Jahren hatte die Tochter der ehemaligen Besitzerin das Haus an einen Bauträger verkauft. In diesem Jahr soll es abgerissen werden und einem Neubau weichen. Küppers und ihr Mann haben mehr als 15 Jahre zur Miete hier gewohnt. Nun stapeln sich Äste und grüne Überreste wie eine hohe Mauer um ihr einstiges Traumhaus.
"Das ist es!", sagten sich die Küppers, als sie das villenähnliche Haus damals in einer Zeitung auf ihrem Schoß entdeckten. Die beiden würden vom Ruhrgebiet nach München ziehen, und tatsächlich klappte es mit der Miete im Obergeschoss des Häuschens sofort. "Da hatten wir so viel Glück", sagt Küppers. Ihr Mann lenkt ein: Damals sei es noch leichter gewesen, auf Anhieb eine Wohnung zur Miete zu finden.
Früher war in Solln noch Platz - heute grenzt ein Haus an das nächste
Der Wohnungsmarkt in München hat sich seitdem verändert. Wohnraum ist knapp. Das Viertel Solln, in dem die beiden leben, sieht anders aus als damals.

In direkter Nachbarschaft wird das Haus nun eingesäumt von einem gigantischen modernen Neubau, der mit seinen Rundungen und verdunkelten Fenstern einer Jacht gleicht. Zur anderen Seite steht ein Vierparteienhaus, das schier an die Grenzen seines Grundstücks reicht.
Das Haus, in dem die beiden zur Miete wohnten, ist im Verhältnis dazu klein, der Garten aber war groß. Hohe Fichten umsäumten es, Hecken und Sträucher, Flieder, Lavendel, Pfingstrosen. Das alles soll nun einem weitaus größeren Wohnhaus für drei Parteien weichen. Das alte Haus stammt aus dem Jahr 1935.
"Das Haus entspricht keineswegs mehr einem akzeptablen Energiestandard", heißt es vonseiten des Bauträgers. "Es zu sanieren, wäre ökonomisch wie ökologisch gleichermaßen unvertretbar." Und: "Die Landeshauptstadt München strebt dringend die Schaffung von mehr Wohnraum für ihre Bürger an.
Neubau liegt im öffentlichen Interesse
Die geplante Baumaßnahme entspricht damit voll und ganz dem öffentlichen Interesse." Auch um das neue Haus, das nunmehr 490 statt 182 Quadratmeter groß sein wird, werde wieder ein Garten mit Bäumen angelegt.
Bei Maria Küppers steht nun eine Nachbarin im Garten und versucht, die letzten Pflanzen zu retten. Mit einer Schaufel gräbt sie einen Sommerflieder aus. "Nimm die Primelchen auch mit, Helga!", sagt Küppers zu ihr. Als diese widerspricht, sagt Küppers leichthin: "Ich guck da nicht mehr runter."
"Eine Stadt ist kein Museum. Eine Stadt ändert sich"
Tatsächlich nehmen Küppers und ihr Mann die Situation weniger tragisch als ihre Nachbarn. "Natürlich ist es wirklich schade, weil es eine echte gewachsene Struktur war", sagt Küppers' Mann. Aber dann, auf die Frage, wie er den Sommer verbringen werde, bis das Haus im Herbst abgerissen wird, zeigt er nach oben: "Wir haben Gott sei Dank eine wunderbare Terrasse." Er ist der Meinung: "Eine Stadt ist kein Museum. Eine Stadt ändert sich."
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