Restauration auf der Zielgeraden: So wird Münchens neue Synagoge in der Reichenbachstraße

Bis Rachel Salamander einen Verein zur Rettung gründete, zerfiel die Synagoge an der Reichenbachstraße in München. 2024 soll die Restauration nun endlich fertig sein.
Hüseyin Ince
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Auch die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden hielt am Donnerstag eine Rede zum Licht- und Richtfest der Synagoge an der Reichenbachstraße. Mit leiser und andächtiger Stimme übernahm sie das Grußwort für die Stadt. "Ein Gewinn für München, für die Stadt der Vielfalt", sagte sie.
Auch die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden hielt am Donnerstag eine Rede zum Licht- und Richtfest der Synagoge an der Reichenbachstraße. Mit leiser und andächtiger Stimme übernahm sie das Grußwort für die Stadt. "Ein Gewinn für München, für die Stadt der Vielfalt", sagte sie. © Peter Kneffel/dpa

Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt - Noch bis vor etwa sechs Jahren moderte es hier, an der Reichenbachstraße 27. Putz fiel von den Wänden, die Türen waren auf unbestimmte Zeit verriegelt. Dabei ist das kein beliebiger Ort. Münchner Juden fanden hier nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eine religiöse Heimat, nach dieser großen Menschheitskatastrophe Holocaust.

In jüngerer Zeit, seit den 2000ern etwa, zog in und rund um die jüdische Gemeinde in München der Neubau der Ohel Jakob Synagoge auf dem Jakobsplatz alle Aufmerksamkeit auf sich. Das Gebetshaus an der Reichenbachstraße galt als Nachkriegs-Provisorium unter dem Dach der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) - und wurde ein wenig vergessen. Dabei ist es stilistisch einzigartig.

2024 soll die Synagoge in München wieder so glänzen, wie sie 1931 erbaut wurde

Nun hat der Verein "Synagoge Reichenbachstraße" am Donnerstagvormittag ein "Richt- und Lichtfest" gefeiert, mit viel politischer Prominenz, wie der Zweiten Bürgermeisterin Katrin habenschaden (Grüne), dem Leiter der Staatskanzlei Florian Hermann (CSU) oder auch Peter Gauweiler (CSU) und dazu der bayerische Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle (CSU) – um nur einige zu nennen.

Denn viel fehlt nicht mehr. Nach jahrelangem Engagement der Münchnerin Rachel Salamander sowie ihrem Mitstreiter Ron Jakubowicz befindet sich die Restauration auf der Zielgeraden. Im Laufe des Jahres 2024 soll das heilige Haus wieder so glänzen, wie es einst 1931 gebaut worden ist – damals in nur vier Monaten.

"Ein Stich ins Herz": Startschuss für die Rettung der Münchner Synagoge

Das Haus hat für Münchner Jüdinnen und Juden nicht nur emotionalen Wert, auch für Rachel Salamander, die hier seit ihrer Kindheit regelmäßig zu feierlichen Anlässen neben Charlotte Knobloch, der heutigen IKG-Präsidentin, saß. Beide hatten irgendwann sogar ein Namensschild auf ihren Sitzen  – ein Privileg für besonders aktive Mitglieder.

Ein originales, mit Blei eingefasstes Fenster in der Synagoge ist unter der Dachkonstruktion zu sehen.
Ein originales, mit Blei eingefasstes Fenster in der Synagoge ist unter der Dachkonstruktion zu sehen. © Peter Kneffel/dpa

Und so begann die Rettung: "Es war Januar 2013", erinnert sich Salamander noch ganz genau. Sie musste etwas im Bestattungsinstitut erledigen, das lange Zeit an der Synagoge an der Reichenbachstraße lag, am hinteren Ende des Hauses.

Auf dem Rückweg warf sie einen Blick durch das Fenster: "Das war ein Stich ins Herz", erinnert sie sich. Dieser heilige Ort zerfiel zusehends, mit bloßem Auge deutlich erkennbar.

Münchner Synagoge: Der Baustil ist sachlich, die Farben sind sehr intensiv

Als sie völlig aufgewühlt daheim war, nahm sie den Telefonhörer in die Hand. Einer der Ersten, den sie erreichte und in dem sie einen Mitstreiter fand: Ron Jakubowicz, der auch seit seiner Kindheit zu sämtlichen wichtigen Anlässen in dieser Synagoge gewesen ist, wie etwa bei seiner Bar Mitzwa, dem Ritual für ältere jüdische Buben.

Lichtinstallation mit der Geschichte der Synagoge.
Lichtinstallation mit der Geschichte der Synagoge. © Peter Kneffel/dpa

Jakubowicz ist ein angesehener Münchner Anwalt für Handels- sowie Gesellschaftsrecht mit Sitz am Odeonsplatz. Gemeinsam mit Salamander gründete er den Verein noch 2013, der jahrelang hartnäckig einen ambitionierten Plan verfolgte: Nämlich die Wiederherstellung des Gebäudes in den Originalzustand von 1931.

Ganz, wie es Architekt Gustav Meyerstein mutig erdacht hatte, mit einem für jüdische Gotteshäuser ungewöhnlichen, reduzierten, sachlichen Bauhausstil, in Türkisblau, Pompeji-Rot und mit schwarzem Marmor, dazu einer Glasdecke, die mit ihrem Licht ein Farbspektakel erzeugte.

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Osteuropäische jüdische Orthodoxe waren es, die hier Anfang des 20. Jahrhunderts eine Heimat gefunden hatten. Die Neu-Münchner waren geflohen vor Krieg, Hunger, Antisemitismus und Vertreibung. Das Gärtnerplatzviertel erblühte mit ihnen, mit Cafés, Handwerkern und Dienstleistern.

1931 ist die Synagoge in München in Rekordzeit erbaut worden

Nur sieben Jahre konnten Münchner Juden ihre Synagoge am Gärtnerplatz nutzen: 1931 in einer Rekordzeit von vier Monaten gebaut, bei den Novemberpogromen 1938 von Nazis verwüstet, fast durch ein Feuer zerstört, gelöscht, weil das Feuer wohl sonst auf die nicht-jüdischen Nachbarhäuser übergegriffen hätte.

So soll das halb entkernte Gebäude mal aussehen. Die Restauration übernehmen Spezialisten von "Hölzl Simson Sporer".
So soll das halb entkernte Gebäude mal aussehen. Die Restauration übernehmen Spezialisten von "Hölzl Simson Sporer". © Hilmer & Sattler, Albrecht

Nach 1938 wurde das Haus als Kfz-Werkstatt und Lagerhalle missbraucht. Da war der Glanz von einst schon längst verflogen. Und die Massenverfolgung der deutschen Juden hatte begonnen.

Etwa 2017 nahmen die Restaurationsarbeiten so langsam Fahrt auf. Elf bis zwölf Millionen wird es kosten, dieses wichtige Stück Münchner Geschichte in den Originalzustand von einst zu versetzen.

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