Neuperlacher Mauer sorgt für Streit im Rathaus
Sie ist grau, sie ist lang, sie ist fast fertig: die Neuperlacher Mauer. Vier Meter hoch ist sie, höher als einst die Berliner Mauer. Guido Bucholtz kann es nicht fassen. Der Vize-Chef des örtlichen Bezirksausschusses spricht von einem „massiven Bauwerk, das ich mir so nie hätte vorstellen können“. Letztes Jahr die Willkommensbilder vom Hauptbahnhof – und jetzt schirme man sich so vor Flüchtlingen ab. Ein Skandal, findet Bucholtz.
Pikant: Die Stadt selbst errichtet die Mauer – auf den Druck von Anwohnern hin, die geklagt hatten. An der Nailastraße soll eine Unterkunft für 160 minderjährige Flüchtlinge entstehen. Einst war hier ein Heim für erwachsene Asylbewerber geplant. Schon dagegen hatte es Widerstand im Viertel gegeben. Den Nachbarn aus den Reihenhäusern, die durch einen Grünstreifen von dem Gelände getrennt sind, ging es um ihre Ruhe. Ein Schallschutzgutachten bestätigte laut „Münchner Merkur“, dass eine vier Meter hohe Mauer nötig sei. Gebaut wurde schon seit Jahren, doch jetzt stand die Stadt durch Anwohnerklagen juristisch unter Druck. Schließlich einigte man sich außergerichtlich bei einem Treffen bei Bürgermeisterin Christine Stroobl (SPD) auf die Vier-Meter-Mauer. Das Verwaltungsgericht machte später weitere Vorgaben – etwa, dass die Mauer nicht für „Freizeitnutzungen“ wie Klettern zur Verfügung stehen darf und so so gestaltet werden muss , dass sie sich „nicht für Ballwurfspiele eignet“.
Das Ergebnis kann man dieser Tage in Neuperlach betrachten. Eine vier Meter hohe, graue Mauer. Die Stadt sei vor den Anwohnern „eingeknickt“, sagt der parteilose Bucholtz. Sie habe überhaupt „alle Fehler gemacht, die man machen kann“ – etwa, indem die Planungen für das Gelände immer wieder verändert wurden. Die Anwohner hätten natürlich das Recht, zu klagen, sagt er. Doch er glaubt nicht, dass es ihnen um Lärm geht. „Man will die Unterkunft nicht sehen und hat Angst vor der Wertminderung seines Hauses“, sagt Bucholtz. Die Mauer steht.
Doch der Streit erreicht jetzt reichlich spät noch das Rathaus. Grünen-Fraktionschefin Gülseren Demirel kündigte am Sonntag im Gespräch mit der AZ an, am Montag einen Antrag zu stellen. Sie will wissen, inwieweit „das stadtplanerisch noch korrigiert werden kann“ – und, inwiefern die Stadt-Spitze in die Entscheidung eingebunden war. „Das ist absolut überdimensioniert“, sagte Demirel. „Es ist keine Lärmschutzwand, das ist eine Schutzmauer. Sowas habe ich noch nicht gesehen!“
"Diese Mauer Mitten in München ist eine Schande"
CSU-Fraktionschef Hans Podiuk kritisiert die Stadt hingegen für ihren Umgang mit den Anwohnern. „Es muss einfach genauer geschaut werden, welche Standorte umgesetzt werden und welche nicht“, schimpfte er. Die Nachbarn hätten doch schon vor Jahren gewarnt, dass der Lärmschutz nicht gewahrt wird. „Wenn Nachbarn mit Vorschlägen zu den Bürgerversammlungen kommen, wird ihnen von der Stadt aber immer nur gesagt, man könne nichts mehr ändern“, sagte Podiuk.
In Neuperlach gibt es jedenfalls viel Stoff für Diskussionen. Die Integrationsbeauftragte des Bezirksausschusses, Vana Rashid (Grüne), die selbst in der Nachbarschaft lebt, schrieb auf Facebook. „4 METER für den Schallschutz!“, an der Autobahn seien hingegen nur drei Meter die Regel. „Diese Mauer mitten in München ist eine Schande“, erklärte Rashid. Die Vorsitzende des Münchner Ausländerbeirats, Nükhet Kivran (SPD), äußerte sich ebenfalls entsetzt. „Wir müssen geschlossen dagegen agieren“, sagte sie.
Möglicherweise verändert sich auch die Nutzung der Unterkunft noch einmal. Davon ist zumindest in Neuperlach die Rede. Stadteil-Politiker Bucholtz glaubt auf jeden Fall nicht, dass dort bald 160 minderjährige Flüchtlinge wohnen. „Es gibt schon Signale, dass dort auch Menschen über 18 einziehen werden“, sagt er. Die Nachbarn werden sie aus ihren Fenstern so oder so nicht sehen – sondern hinter Büschen und Bäumen die graue Mauer von Neuperlach.
- Themen:
- Gülseren Demirel
- Hans Podiuk
- SPD