Münchner erhöht Miete, weil sonst höhere Steuern drohen

Lukas Garbelotti zahlt wenig Miete. Das könnte sich bald ändern - aber nicht, weil der Eigentümer ein kaltes Herz hat, sondern weil das Finanzamt zulangt.
Autorenprofilbild Christina Hertel
Christina Hertel
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
31  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Wer als Vermieter zu niedrige Mieten verlangt, bekommt Post vom Finanzamt und muss Steuern nachzahlen. (Symbolbild)
Wer als Vermieter zu niedrige Mieten verlangt, bekommt Post vom Finanzamt und muss Steuern nachzahlen. (Symbolbild) © Sven Hoppe/dpa

Maxvorstadt - Seine Miete sei der Wahnsinn, sagt Lukas Garbelotti. Aber nicht, weil sie so hoch ist, sondern so niedrig: Für sein Ein-Zimmer-Appartment mit Balkon in der Nähe des Königsplatzes zahlt er 430 Euro warm. Auch bei den anderen Mietern im Haus sei es nicht mehr. Garbelotti weiß von Nachbarn, die für 500 Euro 60 Quadratmeter und einen Blick auf die Frauenkirche bekommen.

Sein Vermieter habe bei dem Spiel, immer mehr Geld aus immer weniger Wohnraum herauspressen, nicht mitmachen wollen. So schildert es Garbelotti. Doch belohnt wurde der Vermieter nicht - im Gegenteil: Vor Kurzem flatterte Post vom Finanzamt ins Haus.

Wegen niedriger Mieten drohen nun Steuernachzahlungen

Seinem Vermieter drohen Steuernachzahlungen, erzählt der 30-Jährige. Wie hoch diese ausfallen, will das Finanzamt erst untersuchen. Garbelotti schätzt, dass es auf Hunderttausende Euro hinauslaufen könnte. Auf jeden Fall hat diese Aussicht den Vermieter gewaltig eingeschüchtert: Er will das Haus nun verkaufen. Garbelotti hörte, dass möglicherweise die Stadt zugreifen will.

In seinem Haus in der Maxvorstadt würden die Mieten dann günstig bleiben. Doch oft enden solche Geschichten anders, weiß Rudolf Stürzer. Als Vorsitzender von "Haus und Grund" vertritt er Eigentümer von 450.000 Wohnungen in München.

Soziale Eigentümer und Vermieter haben es schwer

Zu den gierigen Investoren zählen seine Mitglieder nicht, meint Stürzer. Es seien viele darunter, denen ein gutes Verhältnis zu den Mietern wichtiger sei als der große Profit. Doch es komme immer häufiger vor, dass soziale Eigentümer nur deshalb die Miete erhöhen, weil sie sonst mehr Steuern zahlen müssten.

Gesetzeslage ist häufig nicht bekannt

Schuld daran ist Paragraf 21, Absatz 2 im Sozialgesetzbuch: Demnach muss die Miete mindestens die Hälfte des ortsüblichen Mietspiegels betragen. Ansonsten kann der Vermieter die Kosten für Reparaturen und Abschreibungen nicht voll bei der Steuererklärung absetzen. "Viele Vermieter erfahren erst von dem Paragrafen, wenn sie Post vom Finanzamt bekommen", sagt Stürzer. Die Folge: "Die Eigentümer ärgern sich und erhöhen die Miete."

 

OB Dieter Reiter fordert Steuererleichterungen

Stürzer und Garbelotti finden beide, dass sich die Gesetze ändern müssen. "Eigentlich sollten soziale Vermieter begünstigt werden - und nicht anders herum", sagt Garbelotti. Das sieht auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) so. Er mischte sich vor Kurzem mit einem Brief in die Koalitionsverhandlungen ein und forderte, dass es Steuererleichterungen für soziale Vermieter geben müsste.

Diese könnten längst Realität sein - wenn die SPD früher solche Initiativen nicht blockiert hätte. So sieht das der Chef der CSU-Fraktion Manuel Pretzl.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Schon vor zwei Jahren habe der Freistaat Bayern eine Initiative in den Bundesrat für steuerliche Entlastung bei der Vermietung unterhalb des Mietspiegels eingebracht.

Bisher hat sich nichts geändert

Doch ganz umgesetzt wurde die Initiative nicht. Es wurden nur die Grenzen, wann eine Wohnung noch als offiziell vermietet und wann sie als Geschenk gilt, herabgesetzt. Warum die Grenzen nicht ganz fielen? Unter anderem die SPD wollte verhindern, dass der Opa, der seinem Enkel günstig die Wohnung vermietet, auch noch Steuern spart.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
31 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Bongo am 07.11.2021 08:06 Uhr / Bewertung:

    Wenn es sich ein Vermieter leisten kann, unter 50% der ortsüblichen Vergleichsmiete zu vermieten, muß er halt auch damit einverstanden sein, daß er die Werbungskosten auch nur entsprechend gekürzt, anerkannt bekommt.Dies ist im Interesse aller Steuerzahler richtig! Die Miete muß er also deswegen nicht erhöhen. Wo liegt eigentlich das Problem?

  • Kadoffesalod am 06.11.2021 12:02 Uhr / Bewertung:

    Der Begriff "ortsüblicher Mietspiegel" ist falsch. Ein Mietspiegel ist immer auf einen Ort bezogen. Er gibt Aufschluss über die ortsüblichen Mieten. Der Mietspiegel selbst ist nicht ortsüblich.

    Finanzämter machen nicht nur Vermietern Ärger, die weniger als die Hälfte der ortsüblichen Miete bekommen. Zumindest wenn man eine ortsübliche Miete als Vergleich heranzieht, die korrekt ermittelt ist und die individuellen Gegebenheiten berücksichtigt.

    Der Mieter im Artikel zahlt für sein 1 Zi-App. 430 € warm. Nach o. g. Aussage müsste er mindestens 860 € warm zahlen. Das gibt's in München, aber nur bei Neuvermietungen, mit Tricks wie Möblierung etc. Wenn man es um die inkludierten Nebenkosten bereinigt, wären es schätzungsweise immer noch zwischen 750 und 780 € herum, die man mindestens verlangen müsste um das Finanzamt zu befriedigen.

    Auf der einen Seite droht das Finanzamt mit Nachzahlungen, auf der anderen Seite drohen Mieter mit Rückforderungen aufgrund Mietpreisbremse u. Kappungsgrenze.

  • Heide Fröttmaninger am 08.11.2021 10:51 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Kadoffesalod

    Wobei:
    Der Mietspiegel informiert gar nicht über die ortsüblichen Mieten, dazu müssten auch Bestandsmieten einfließen. So, wie die Daten erhoben werden, ist er vielmehr eine Argumentationshilfe für erhöhungswillige Vermieter und treibt dadurch die Mieten in die Höhe.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.