Neue Studie zu Entmietungen: So werden Münchner verdrängt
München - Es macht keinen Spaß, sich mit Bewohnern anderer Städte oder gar mit Landmenschen über Monatsmieten auszutauschen. Nur, um festzustellen, dass das Gegenüber für die 60-Quadratmeter-Wohnung keine 1.500 Euro, sondern gerade einmal die Hälfte zahlt.
Jeder, der in München eine erschwingliche Wohnung gefunden hat, gibt sie so schnell nicht her. Doch oft sind die Umzüge nicht freiwillig, sondern Ergebnis von Luxussanierungen, die die langjährigen Wohnräume der Bestandsmieter unerschwinglich machen.
Ergebnis der Studie im Stadtrat vorgestellt
Die Stadt München wollte einen genaueren Einblick, welche Umstände und Praktiken der Eigentümer die Mieter zum Auszug drängen. Und wie die Stadt künftig für einen besseren Schutz vor Verdrängung sorgen könnte. Dazu hat das Planungsreferat Stadtplaner der Humboldt Universität in Berlin mit einer Studie beauftragt. Am Mittwoch wurde das Ergebnis im Stadtrat vorgestellt.
Doch beim "Bündnis für bezahlbares Wohnen", das in mehr als zehn Jahren eine ganze Reihe an Hausgemeinschaften beraten und unterstützt hat, ist man skeptisch. "Wir brauchen keine deskriptive Studie über Verdrängung", sagt Maximilian Heisler, der Sprecher des Vereins. Er hätte sich eher eine konstruktive Analyse gewünscht, welche Maßnahmen die Stadt ergreifen sollte, um Mieter mit kleinen und mittleren Einkommen künftig wirksam zu schützen.
Ganz außen vor bleibt dieser Punkt nicht in der aktuellen Studie. So haben die Berliner Stadtplaner auch die bestehenden Bemühungen der Stadt wie die Erhaltungssatzung untersucht und Empfehlungen ausgesprochen, wie sich der Mieterschutz erhöhen ließe.
Meisten Verluste beginnen mit einem Verkauf
Bedrohte Mieter, das sind oft Menschen, die schon 10, 20 oder gar 60 Jahre in der gleichen Wohnung wohnen. Es betrifft jene mit kleinen, inzwischen aber auch die mit mittleren Einkommen. Etwa Köche, Postbotinnen, Erzieherinnen, Gärtner oder einfache Beamte. Auch für Familien, besonders Alleinerziehende und Rentner ist das Risiko höher, dass ihr monatliches Budget eine Mieterhöhung nicht verkraftet.
Für die Verdrängungs-Studie haben nun acht Autorinnen und Autoren in 51 Interviews mit Menschen gesprochen, die bereits ihre Wohnung verloren haben oder unmittelbar von Verdrängung bedroht sind. Zusätzlich wurden Experteninterviews und Presseartikel ausgewertet, um die Aussagen der Betroffenen einzuordnen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Verluste der Mietwohnung mit einem Verkauf beginnen. Gerade ältere Häuser, die etwas heruntergeranzt sind, sind bei Investoren beliebt. Sie kaufen sie, um sie zu sanieren - das steigert den Verkaufswert und sie können höhere Mieten kalkulieren.
Studienteilnehmer: "Dann ist das keine Heimat"
Die Befragung Betroffener zeigt, dass Eigentümerwechsel für Mieter viel Stress bedeuten können. Sie haben Angst, ihre Wohnungen, ihr soziales Umfeld zu verlieren und Sorge vor dem finanziellen Abstieg.
"Also ich finde, so eine Wohnung ist so ein bisschen wie eine sichere Burg", sagt ein Studienteilnehmer. "Und wenn man dann nach Hause kommt, sich aber eigentlich nicht so richtig sicher fühlt, dann ist das keine Heimat."
Wird ein Haus an einen privaten Investor verkauft, dauert es meist nicht lange bis zur ersten Mieterhöhung. "Aber beliebig geht das natürlich nicht", sagt Wohnaktivist Maximilian Heisler. In München dürfen Vermieter die Mieten in drei Jahren nur um bis zu 15 Prozent erhöhen, die sogenannte Kappungsgrenze.
Viel Lärm während Bauarbeiten
"Das hört sich wenig an, aber man darf das nicht unterschätzen." Das zeigen auch die Antworten Betroffener, deren Mieten erhöht werden sollen. "Also ich habe mir schon ausgerechnet, dass ich dann drei Euro pro Quadratmeter mehr zahlen müsste, und das würde bei mir 200 bis 300 Euro ausmachen." Für Menschen, die mit Mindestlohn nur knapp 1.000 Euro netto pro Monat verdienen, ist das sehr viel Geld.
Richtig an die Substanz geht es, wenn der neue Bauherr beschließt, das Haus zu sanieren oder umzubauen: mit neuem Aufzug, neuer Dämmung oder einem ausgebauten Dachgeschoss.
Für die Mieter bedeutet das oft sechs, zehn oder mehr Monate Bauarbeiten und damit Lärm, Dreck und Unterbrechungen der Strom- oder Wasserversorgung. Die Bestandsmieter haben häufig wenig von diesen Umbauten.
Wohnung weg, soziales Umfeld weg
Trotzdem kann der Vermieter einen Teil der Kosten auf sie umlegen. Zusätzlich werden wieder die Mieten erhöht, doch dieses Mal bis zu einem höheren Mietspiegel, weil das Haus nun besser ausgestattet ist. Als Erstes können sich das Geringverdiener nicht mehr leisten. Oder andere halten schier den Baulärm nicht länger aus.
Als weiterer Grund für unfreiwillige Auszüge werden in der Studie Eigenbedarfskündigungen genannt. Aber auch hier muss der Investor eine Frist einhalten. Der neue Käufer kann Mietern erst nach zehn Jahren wegen Eigenbedarf kündigen.
Aber was passiert mit denen, die die Wohnung verlieren? Einige der Betroffenen aus der Berliner Studie geben an, dass sie sich zu den aktuellen Preisen keine Wohnung mehr in ihrem Viertel leisten können. Sie verlieren damit nicht nur eine erschwingliche Wohnung, sondern auch ihr soziales Umfeld, Nähe zur Familie, zum Kindergarten oder der Schule der Kinder. Und werden an den Stadtrand gedrängt.
In den vergangenen zehn Jahren versuchte die Stadt gegenzusteuern. Und die Autoren der Studie halten die sogenannte Erhaltungssatzung für ein sinnvolles Instrument. In diesen Gebieten sind die Mieten gedeckelt und Mietwohnungen dürfen nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.
Zudem hat die Stadt dort ein Vorkaufsrecht. Damit kann sie potenzielle Käufer zu sozialverträglichen Mieten verpflichten oder die Häuser selbst kaufen. Aber auch die Studienautoren sehen, dass durch die Erhaltungssatzung in den vergangenen Jahren die Verdrängung nicht substanziell gestoppt werden konnte.
Und sie raten zu mehr Monitoring von neuen Fällen und zum Ausbau der Mieterberatungsstelle zu einer zentralen Anlaufstelle in der Stadt.
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