Milliarden-Grab oder sinnvolle Mieter-Rettung: Soll die Stadt Wohnungen kaufen?
Schwabing - Thomas Kubisch, ein Drehbuchautor im Ruhestand, ist einer von wenigen, die Glück auf dem Münchner Mietmarkt haben. Er lebt schon seit 1998 in derselben Wohnung in Schwabing in der Nähe des Hohenzollernplatzes. Für 58 Quadratmeter zahle er 720 Euro kalt, sagt er. Und Angst, dass bald eine saftige Mieterhöhung im Briefkasten liegt, braucht er nun auch nicht mehr zu haben.
Denn die Stadt wird das Hohenzollernkarree kaufen. So heißt der Häuserblock zwischen der Herzog-, Erich-Kästner-, Clemens- und Fallmerayerstraße, in dem er wohnt. SPD und Grünen-Fraktion teilten schon vor ein paar Wochen mit, dass die Eigentümerin, die Max-Emanuel- Immobilien GmbH, die 230 Wohnungen dort an die Stadt verkaufen will.
Die Stadt bekommt gerade viele Kaufangebote
Nun ist alles unter Dach und Fach – und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schaute bei den Mietern im Hohenzollernkarree vorbei, um ihnen die gute Nachricht persönlich zu überbringen. Hätte die Stadt einen Goldsack, der niemals leer wird, könnte sich Reiter in den nächsten Wochen nicht nur von Mietern in Schwabing beklatschen lassen.
Die Stadt und der Wohnungskauf: "Es geht um Milliarden"
Das Hohenzollernkarree ist nur eines von 60 Angeboten, die gerade auf seinem Schreibtisch liegen, erzählt der OB. Es gehe um mindestens 2.000 Wohnungen. "Es gab noch nie so viele Angebote."

Doch all diese Wohnungen zu kaufen, könne sich die Stadt nicht leisten. Es gehe um Milliarden-Beträge, so Reiter. Die Stadt brauche deshalb dringend einen Kriterien-Katalog, der regelt, welche Wohnungen sie kaufen soll – und welche nicht.
Anders als früher kann die Stadt mit Eigentümern verhandeln
Ein Faktor könnte der Mietpreis sein. Jemand, der 20 Euro oder mehr pro Quadratmeter Miete zahlt, sei wahrscheinlich nicht auf den Schutz der Stadt angewiesen, meint Reiter. Das Kommunalreferat, das für die Immobilien der Stadt zuständig ist, bereite dazu gerade eine Beschlussvorlage vor.
Und noch eine neue Entwicklung beobachtet Reiter: Anders als früher kann die Stadt mit Eigentümern verhandeln. Das erste Angebot, das die Eigentümerin des Hohenzollernkarrees gemacht habe, war eine "zwei mit zwei Nullern hinten dran", sagte Reiter.
Hohenzollernkarree: Stadt zahlt jetzt fast das Doppelte
Also: 200 Millionen Euro. Seine Fraktion und er seien sich schnell einig gewesen, dass das viel zu viel sei. "Ich habe dann dreimal mit dem Eigentümer telefoniert und das aktuelle Angebot ist 75 Millionen Euro günstiger geworden." Ein Preisnachlass von 40 Prozent sei neu auf dem Münchner Immobilienmarkt.
Doch um die Verkäufer muss man sich trotzdem keine Sorgen machen. Die Max-Emanuel-Immobilien GmbH hatte laut Mieterverein das Hohenzollernkarree 2015 für 65 Millionen Euro gekauft. Acht Jahre später bekommt sie von der Stadt wohl 125 Millionen Euro – also fast das Doppelte. Immer noch ein gutes Geschäft – und wohl ein viel besseres als der ursprüngliche Plan der Eigentümer:
Bereits 2017 hatte die Lokalbaukommission genehmigt, dass zu den 230 Wohnungen 80 weitere entstehen dürfen. Auch von einem teilweisen Abriss der Häuser und von einer Nachverdichtung im grünen Innenhof war die Rede. Der Stadtrat stellte damals einen Sektoralen Bebauungsplan auf. Die Folge: Im Fall einer Bebauung hätte die Eigentümerin 40 Prozent geförderten Wohnraum schaffen müssen.
Die Mieter des Hohenzollernkarrees beklatschten Dieter Reiter
Gleichzeitig stiegen die Baukosten enorm. Wahrscheinlich lohnte es sich schlicht nicht mehr. Und so geht es offensichtlich einigen Investoren. Die Stadt steht deshalb nun vor der schwierigen Frage, welche Gebäude sie kauft - und wie hart sie verhandelt. Die Mieter des Hohenzollernkarrees beklatschten Dieter Reiter. Doch womöglich wird er bald auch einige Hausgemeinschaften enttäuschen müssen.
Denn anders als Stadtstaaten wie Berlin oder Hamburg darf eine Kommune wie München nur begrenzt Schulden machen. Theoretisch könnte die Stadt in den nächsten Jahren noch etwa fünf Milliarden Euro Schulden aufnehmen, bis sie die Grenze erreicht, die die Regierung von Oberbayern nicht mehr genehmigen würde, schilderte Reiter.
"Dann ist Schicht im Schacht." Allerdings stehen auf der langen Projektliste der Stadt nicht nur Wohnungen, sondern etwa auch die Gasteig-Sanierung oder neue Schulen.