Leinenzwang für Hunde in der Altstadt
Kleine Hunde dürfen in der Münchner Innenstadt weiter frei herumlaufen, große Zamperl nicht. Was das KVR vorschlägt, was Münchner Tierschützer zum Leinenzwang sagen.
München - Im Juni beißt ein Labrador-Mischling einer Zweijährigen aus Harlaching mitten ins Gesicht. Einen Monat später fällt in der Blumenau ein Rottweiler einen Dreijährigen an. Im Dezember attackiert ein anderer Rottweiler in der Messestadt Ost den Dackel der Chefin des Dackelclubs. Der kleine Hund stirbt an seinen schweren Verletzungen.
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Drei Vorfälle aus dem vorigen Jahr, die Stadtrat und Behörden alarmierten. Im KVR begann man, über neue Regeln nachzudenken. Parallel dazu gingen mehrere Anträge fast aller Fraktionen ein. Jetzt will Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle Konsequenzen ziehen. Geht es nach ihm, soll in der gesamten Altstadt und im Umfeld von Spielplätzen bald Leinenzwang herrschen. Am 30. April wird er dem Stadtrat eine entsprechende Vorlage präsentieren. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen dazu:
Wie viele Hunde leben in der Stadt?
Die Münchner haben rund 32000 Hunde angemeldet. Der Tierschutzverein schätzt die Zahl der Zamperl in Stadt und Landkreis auf rund 45000.
Wie oft passiert etwas?
2012 gingen bei den Behörden 371 Mitteilungen zu Hundevorfällen ein, 2011 waren es 330. „Die Zahl ist angestiegen“, bestätigt KVR-Sprecherin Daniela Schlegel. Auch weil das Bewusstsein gewachsen sei, dass man sich ans KVR wenden könne.
Was gilt aktuell in München?
In den städtischen Grünanlagen dürfen Hunde im Prinzip nach Herzenslust toben. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen: Auf Kinderspielpätzen, Spiel- und Liegewiesen, in Zieranlagen und Biotopen haben die Tiere nichts zu suchen. Die „Verbotszonen“ sind mit grünen Pollern markiert, die einen durchgestrichenen Dackel zeigen.
Im gesamten Westpark muss Fiffi an die Leine.
Am Feldmochinger, Lerchenauer, Fasanerie- und Langwieder See sind Hunde nur in den eigens ausgewiesenen Bereichen erlaubt.
Der Englische Garten, der Hofgarten und der Nymphenburger Schlosspark gehören dem Freistaat, der dort eine Leinenpflicht verfügt hat – an die sich kaum jemand hält.
Welche Strafen drohen?
Wer gegen diese Vorschriften verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit – und riskiert eine Geldstrafe von bis zu 500 Euro. Allerdings ist die Grünanlagenaufsicht laut Baureferat angewiesen, Missetäter erst einmal zu ermahnen und so auf Deeskalation zu setzen. Auch die „Höchststrafe“ wird selten verhängt: Wiederholungstäter müssen mit einem Verwarnungsgeld von 25bis 50 Euro rechnen.
Schwerwiegende Verstöße – etwa die Verunreinigung von Kinderspielplätzen – werden in der Regel mit Bußgeldern um die 250 Euro bestraft. Besonders häufig kommt es nicht vor, dass ein Hundehalter zahlen muss: Im Jahresschnitt werden rund 50 von ihnen wegen eines Verstoßes gegen die Leinenpflicht verwarnt, die Zahl verhängter Bußgelder lag noch darunter.
Was schlägt das KVR nun vor?
KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle möchte, dass große Hunde künftig im Umfeld von Spielplätzen an der Leine geführt werden müssen. Auf ihnen selbst haben sie ohnehin nichts verloren. Zudem sollen Vierbeiner, die über 50 Zentimeter groß sind, auch im Altstadtbereich nicht mehr frei laufen dürfen. Der Kreisverwaltungsreferent findet es „eine Selbstverständlichkeit, dass kein Hund unangeleint in einem stark frequentierten Fußgängerbereich herumläuft“. Außendienst-Mitarbeiter sollen die neuen Regeln künftig kontrollieren.
Außerdem würde der KVR-Chef gerne Anreize für Tierhalter schaffen, den Hundeführerschein zu machen. Indem sie zum Beispiel weniger Hundesteuer bezahlen müssten. „Die Kämmerei ist natürlich nicht begeistert“, sagt er. Aber entscheiden muss der Stadtrat. Bei einem informellen Gespräch mit Stadträten über die neuen Regelungen habe er positive Reaktionen erhalten, berichtet der KVR-Chef. Blume-Beyerle hat übrigens selbst einen Vierbeiner – den 15 Jahre alten Berner-Sennenhund-Mischling Anton.
Was sagen Münchens Tierschützer dazu?
Sie sind mit der Neuregelung einverstanden. „Hunde haben auf Spielplätzen und drumherum nichts verloren“, sagt Kurt Perlinger, Chef des Tierschutzvereines: „In der Innenstadt müssen sie unter Kontrolle sein. Schon allein deshalb, weil die großen Menschenmassen ihnen extremen Stress bereiten.“
Außerdem sähe es Perlinger gern, wenn jeder Hundehalter, dessen Zamperl größer als 30 Zentimeter ist, einen Hundeführerschein macht. „Freiwillig und am besten in Verbindung mit einem Erste-Hilfe-Kurs für Tiere“.
Perlinger geht sogar noch weiter und schlägt vor, das KVR solle Hundehalter, die gegen die Vorschriften verstoßen, zur „Nachschulung“ schicken – „so wie es bei Verkehrssündern auch gemacht wird“.
Die Rechtslage
Kleine Zamperl dürfen frei laufen
Ein stadtweiter Leinenzwang würde mit dem Tierschutzgesetz kollidieren. Dort heißt es in § 2 der Hundeverordnung: „Einem Hund ist ausreichend Auslauf im Freien (...) zu gewähren. Auslauf und Sozialkontakte sind der Rasse, dem Alter und dem Gesundheitszustand des Hundes anzupassen.“
Einzige Ausnahme: Nach §18 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes können die bayerischen Gemeinden „zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder die öffentliche Reinlichkeit, durch Verordnung das freie Umherlaufen von großen Hunden und Kampfhunden (...) in öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen einschränken“.
Als „große Hunde“ werden Tiere mit einer Schulterhöhe von mehr als 50 Zentimetern angesehen. Bei kleineren Zamperln ist eine Anleinpflicht nur im Einzelfall möglich. Laut Straßenverkehrsordnung müssen außerdem alle Hunde an „stark befahrenen Straßen“ angeleint werden.
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